Foto: Willy Puchner

Hunde haben mich niemals interessiert, vielleicht auch weil wir in meiner Kindheit keinen Hund hatten und ich mich vor denen, die es damals in unserer Nachbarschaft gab, fürchtete, selbst vor Alex, dem gutmütigen und lieben Golden Retriever, den Kanestrøms besaßen und der allen Kindern der Familie folgte, wenn er musste, aber eindeutig den Vater bevorzugte, zu dem ich ihn viele Male voller Hingabe und Erwartung und mit wedelndem Schwanz aufblicken sah.

Probleme gab es, wenn ich ihm allein begegnete, denn dann bellte er mich an, und mit diesem Bellen konnte ich nicht umgehen, es überlagerte, was ich über sein Gemüt wusste, woraufhin ich auf dem Kiesweg vor dem Haus stehenblieb, unfähig, an ihm vorbeizugehen und an der Tür zu klingeln. So fand Dag Lothar mich oft wie gelähmt vor dem Haus, während der brave Hund vor mir stand und mich anbellte. Es half mir nicht, dass ich ihm als Mensch intellektuell und wahrscheinlich auch emotional weit überlegen war, dass ich lesen und schreiben, zeichnen und malen, Schuhe zubinden, Brote bestreichen, im Laden Süßigkeiten kaufen und allein Bus fahren konnte, denn die hohen, aggressiven, monotonen Laute, die er ausstieß, stellten das alles in den Schatten; wenn ich ihm gegenüberstand, zählten nur sie.

"Er war unendlich lieb, aber auch unendlich dumm, und mir mangelte es völlig an der nötigen Kraft und Autorität, um ihm irgendetwas beizubringen, sodass er alle Fremden ansprang, die er sah, alles fraß, was er sah, auch auf unserem Esstisch. Er zog mit aller Macht an der Leine, wenn wir zusammen unterwegs waren ..."
Foto: Willy Puchner

Das Hundebellen war eine Art Gesetz, es markierte eine Grenze, die ich nicht übertreten konnte, und der Hund sorgte für ihre Einhaltung. Die Verwandtschaft mit dem Gesetz meines Vaters lag auf der Hand, da die Gefühle, die dessen laute Stimme in mir auslöste, alle verbunden mit Handlungsunfähigkeit, dieser Lähmung aus Angst, dieselben waren, die das Hundebellen in mir auslöste. Diesem Gesetz zu trotzen war nicht nur undenkbar, es war unmöglich. Das machte mich zu einem Untertanen, und ich wusste schon damals, dass ich die Charakterzüge eines Untertanen besaß, und mehr als alles andere hat dies die vierzig Jahre geprägt, die ich seither gelebt habe.

Ein Untertan tut, was er tun soll, aus Furcht vor Repressalien, was in meinem Fall bedeutete aus Furcht vor Wut und lauten Stimmen. Obwohl ich mich an Orte begeben habe, an denen Wut und laute Stimmen als unkultiviert gelten, zunächst an die Universität, danach in den Literaturbetrieb, habe ich dennoch stets getan, was ich sollte, denn immer habe ich die Angst vor dem hündisch Aggressiven in mir getragen und hat es sich gezeigt, etwa in Gestalt eines wütenden Autofahrers oder einer wütenden Geliebten, und ich habe mich ihm jedes Mal gebeugt und bin wie gelähmt gewesen.

Das Gesetz des Hundes

Der einzige Ort, an dem ich ihm getrotzt habe, ist die Literatur. Manchmal denke ich, dass es die Literatur genau dafür gibt, dass die Literatur ein Ort ist, an dem man sich ohne Furcht vor dem Vater und dem Gesetz des Hundes entfalten kann. Dass die Literatur die Arena der Feigen ist, das Kolosseum der Furchtsamen, dass Schriftsteller eine Art Gladiatoren der Erbärmlichkeit sind, die zu Salzsäulen erstarren, wenn ein Hund sie anbellt, aber zurückschlagen und sich behaupten und auf ihr Recht pochen, sobald sie allein sind.

Du sprichst nur für dich selbst, höre ich andere Autoren sofort einwenden. Trotzdem glaube ich, dass ich recht habe. Gibt es einen guten Schriftsteller, der einen Hund hat? Flaubert hatte keinen. Rilke, der Hunde schöner beschrieb als jeder andere, hatte auch keinen, er zuckte schon zusammen, wenn jemand in seiner Nähe hustete. Kafka hatte keinen Hund, Hamsun hatte keinen Hund, Sandemose hatte keinen Hund. Tor Ulven hatte keinen Hund. Duras? Ich kann es mir kaum vorstellen. Ibsen, hatte er einen Hund? Nein.

Die eigenen unattraktiven Eigenschaften

Faulkner? Ich glaube, er hatte einen. Müssen wir also seinen Platz im literarischen Kanon neu bewerten? Auch Virginia Woolf hatte Hunde, aber nur sogenannte Schoßhunde, die zu klein und kuscheltierhaft sind, um bei irgendjemand Furcht erregen zu können, das zählt also nicht. Ich selbst hatte zwei Jahre lang einen Hund, der Grund war meine älteste Tochter, die einen Hund haben wollte, seit sie drei war, und deren Wunsch ich schließlich nachgab.

Er war unendlich lieb, aber auch unendlich dumm, und mir mangelte es völlig an der nötigen Kraft und Autorität, um ihm irgendetwas beizubringen, sodass er alle Fremden ansprang, die er sah, alles fraß, was er sah, auch auf unserem Esstisch. Er zog mit aller Macht an der Leine, wenn wir zusammen unterwegs waren, er buddelte Löcher in den Rasen, er wurde niemals wirklich stubenrein und war so unterwürfig und demütig, dass ich ihn kaum ansehen konnte, ohne dass in mir Ärger oder sogar rasende Wut aufstiegen, wie es so oft der Fall ist, wenn man seine eigenen besonders unattraktiven Eigenschaften bei anderen sieht.

Nicht eine Zeile geschrieben

Er ließ mich niemals aus den Augen, trottete mir zum Schreibhaus hinterher, legte sich zu meinen Füßen, wenn ich arbeitete, er jaulte, wenn ich Musik hörte, oft in derselben Tonlage wie der Gesang. Als wir einen Säugling ins Haus bekamen, mussten wir allzu vielen Dingen gerecht werden, schließlich musste man mit dem Hund mehrmals täglich Gassi gehen, und wenn wir das Haus verließen, musste er jedes Mal mitkommen – wir ließen einen Zaun aufstellen, damit er im Garten bleiben konnte, wenn wir nicht da waren, aber nach zwei Monaten kam der Nachbar vorbei und erzählte uns auf seine vorsichtige Art, dass er in all diesen Wochen jedes Mal gebellt und geheult hatte, wenn er allein war, sodass ich ihn schließlich an eine Familie abgab, die Hunde liebte und wusste, wie man sie behandeln musste.

Erst hinterher fiel mir auf, dass ich in den zwei Jahren, die wir ihn besaßen, nicht eine Zeile fiktionaler Literatur geschrieben hatte, nur Artikel und Essays, und auch wenn ich die Schuld dafür nicht dem Hund geben und keinesfalls behaupten möchte, ich gehörte zu den guten Schriftstellern, glaube ich dennoch, dass der Besitz des Hundes in gewisser Weise mein literarisches Projekt unterminierte, das, da es in so hohem Maße autobiografisch ist, auf eine Weise leckschlug, die ich nicht ganz verstehe, aber wahrscheinlich damit zusammenhing, dass der Charakter des Hundes so sehr meinem eigenen glich, was ich im Übrigen wusste, noch ehe ich ihn bekam, denn das erste autobiografische Manuskript, das ich schrieb und das zunächst den Titel Argentinien und danach Sterben erhielt, hieß ursprünglich Der Hund. (Karl Ove Knausgård, 11.8.2018)