"Versteckte Jahre" von Anna Goldenberg ist eine unverzichtbare Neuerscheinung in diesem Jahr. Aktueller als im Gedenkjahr, das heuer von Burschenschaftern begangen wird, während Holocaust-Überlebende den Festakt verweigern, könnte die Geschichte ihrer Familie nicht sein.

Jene ihres Großvaters Hansi, der als siebzehnjähriges U-Boot durch unfassbares Glück als Einziger am Leben bleibt, während Mutter, Vater und kleiner Bruder deportiert und ermordet werden. Hansi, der Draufgänger, der von klein auf auf Regeln pfeift, wird von einem Kinderarzt aufgenommen, der ihn noch aus der Schule kennt und unter Einsatz seines eigenen Lebens rettet.

Weil er sich für ihn verantwortlich fühlt. Verantwortung ist eine Entscheidung, hält Goldenberg nüchtern fest. Ich wünsche diesem Buch noch viele, viele Rezensionen, ich wünsche ihm Preise und Einladungen, und hier ist auch viel zu wenig Platz, um auf alles Wichtige darin einzugehen.

Goldenberg zeigt die Mechanismen auf, mit denen Menschen zuerst des Rechtes, dann des Besitzes und anschließend des Lebens beraubt wurden. Die Prozesse, die es braucht, um die dafür nötige Entmenschlichung begehen zu können.

In dieser sachlichen Betrachtung werden Entwicklungen offenbar, die sich wieder zu etablieren scheinen. Die kühlen Aufzeichnungen des für Arisierung zuständigen Beamten, der das Geschäft der Großmutterfamilie "liquidiert", gehören mit zu den verstörendsten Abschnitten. Nicht der Hauch eines Zweifels an der Rechtmäßigkeit seines Tuns wird da erkennbar. War ja immerhin alles gesetzeskonform und parteitreu. (Julya Rabinowich, 10.8.2018)