US-Präsident Donald Trump bedient sich der schönen Redekunst, um aus Widerborstigen glühende Anhänger seiner Frohbotschaft zu machen.

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Das gute Wort, zur rechten Zeit geäußert, ist bei Anhängern von Wahrheit und Aufrichtigkeit erheblich in Misskredit geraten. Nur zu gerne wird dabei vergessen, dass die Redekunst (Rhetorik) sich seit alters her einer Fülle von Mitteln bedient, um ihre Überzeugungskraft mit höchster Wirksamkeit zu entfalten.

Schon in der griechischen Polis gehörte die schöne Redekunst in den Bereich jener Fertigkeiten, deren Proben man bei Bedarf käuflich erwirbt. Zufolge dieser Logik ist die Wahrheit, die über einen Sachverhalt ausgesagt werden kann, keine Selbstverständlichkeit.

Vor allem christlich inspirierte Menschen glauben hingegen, die Wahrheit verstehe sich von selbst. Der Wahrheit teilhaftig werde derjenige, der sich ihr gegenüber nicht verschließt. Eine solche Gestimmtheit setzt voraus, dass man ein Auditorium von vornherein in Gut- und Böswillige unterteilt.

Rhetorik wäre somit das Allheilmittel, um aus Widerborstigen mit großer Leichtigkeit glühende Anhänger der jeweiligen Frohbotschaft zu machen. Es liegt auf der Hand, dass die Philosophie und ihr schäbiger kleiner Bruder, der Hausverstand, seit Platons Zeiten ein anspruchsvolleres Wahrheitskonzept verfolgen.

Wer sich dagegen in die Obhut einer der Offenbarungsreligionen begibt, bewundert nicht etwa die Kunstfertigkeit von rhetorischen Kniffen. Er plädiert im Zweifel für die Einfachheit ("Was sich als Wahrheit aussagen lässt, kann man auch einfach sagen").

Kunst der Spiegelfechterei

Die platonische Kunst der Dialogführung ergänzt das Wahrheitskonzept ("Ideenlehre") um die Spiegelfechterei des Sophismus. Die Gültigkeit von Schlussfolgerungen wurde danach bemessen, ob diese glänzen wie aufpolierte Edelsteine.

Widerspruchsfreiheit gehört zu den nobelsten Eigenschaften jeder Beweisführung. Der Sophist schmückt sich mit der Fähigkeit, jede beliebige Position zu vertreten, und ihr absolutes Gegenteil, beide aber mit der nämlichen Überzeugungskraft.

In der zerklüfteten Geschichte der Moderne – also seit der Renaissance – hat der Sophismus eine eindrucksvolle Wanderbewegung hinter sich gebracht. Als probates Mittel, Widersprüche möglichst wirkungsvoll zu bearbeiten, hat sich die Dialektik herausgestellt. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Leumund eines Heiligen mit großer Leichtigkeit in die Charaktermaske eines notorischen Menschenfeinds verwandeln.

Die Überredungskunst gehört nicht nur zur Politik, wie ein verbreitetes Vorurteil zu wissen meint. Sie ist in die Obhut der Werbeindustrie übergegangen.

Dort mobilisiert sie Wünsche und Einsichten, von deren Existenz sich der Konsument in spe (vor ihrer Erweckung) nicht das Geringste träumen lässt. Gerne entschlüpft die Wahrheit. Dann hegt man keine Meinungen mehr.

Man ist bestenfalls der Agent eigener, jeweils wechselnder Bedürfnisse. Diese zu befriedigen, machen sich diverse Agenten der Wohlfühllaune gerne anheischig. Man kann dann immer noch überlegen, ob es sich bei diesen "Wohltätern" um Populisten oder um Profiteure handelt. (Ronald Pohl, 11.8.2018)