"Zur Zeit" bejubelt den Versuch des Innenministers, einen Modellversuch zu versuchen.

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Und das alles innerhalb von nur zwei Tagen. Da war Wolfgang Ambros' Realitätscheck der braunen Haufen, den man noch als Angriff von außen abtun konnte. Dann der Parteiaustritt einer burgenländischen Gemeinderätin samt fünf anderen Überdrüssigen, denen die Parteiführung nichts anderes nachzusenden wusste als den hilflosen Kommentar, Reisende solle man nicht aufhalten. Und dazu wieder einmal ein Persilschein für Diktatoren, diesmal für den kambodschanischen, ausgestellt von zwei höheren FPÖ-Funktionären, einem agierenden und einem ehemaligen Abgeordneten. Die FPÖ hat es wirklich schwer. Sie kommt einfach nicht dazu, die Früchte ihrer Regierungsbeteiligung so respektiert zu genießen, wie das der Aufstieg vom Bierzelt ins Vizekanzleramt erwarten lassen sollte. Irgendetwas kommt immer dazwischen.

Eine Systempartei wie die anderen

Die FPÖ ist eine Systempartei wie die anderen, begründete die Gemeinderätin in Neusiedl am See. "Der Mangel an Sachkompetenz, strategischem Denkvermögen und Gestaltungskraft steht in einem krassen Widerspruch zu den Megagagen, die mit Steuergeld bezahlt werden", klagte sie in "Österreich", wobei der Anlass offenblieb, aus dem ihr die Schuppen von den Augen gefallen waren. Was soll an einer Regierungsbeteiligung auf Dauer Spaß machen, wenn eigene Funktionäre darüber schon genauso denken wie der Rest der Bevölkerung?

Man muss es der Redaktion von "Zur Zeit" lassen, dass sie sich dieser Entwicklung mit all ihrer Kraft entgegenstemmt. Den Schicksalsschlägen dieser Woche trat sie einerseits mit positiven Meldungen aus der Regierung, andererseits mit qualifizierten Attacken auf den Mann entgegen, der ihre schönsten Blütenträume zerrinnen ließ.

Nordafrika, herhören!

Regierung setzt Akzente - das wird niemand bestreiten. Etwa so: Nach den Beratungen beim Treffen der EU-Innenminister hat Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einen "Modellversuch" für eine Ausschiffungsplattform außerhalb der EU angekündigt. Frisch gewagt ist halb gewonnen. "Man werde versuchen, einen 'Modellversuch' mit einem Staat in Nordafrika zustande zu bringen", so Kickl. Es handelt sich also um den Versuch eines Versuchs, doch Kickl erstaune immer, dass teilweise so pessimistisch an die Sache herangegangen werde, er sei jedenfalls "optimistisch". Nordafrika, herhören!

Daneben gibt es aber auch Wichtiges zu erledigen, etwa Antwort auf die Frage zu finden: Urasst Herr Van der Bellen mit unserem Steuergeld? Wie nützt Herr Van der Bellen sein Recht, praktisch ohne Schranken seine Kanzlei zusammenzustellen? Geht er sorgsam mit dem Steuergeld der Bürger um? Dem Anschein nach kann von übertriebener Sparsamkeit keine Rede sein, und dieser Anschein genügt "Zur Zeit" vollkommen. Irgendwelche Beweise bleiben aus. Was wirklich stört, ist, dass zu Herrn Van der Bellens Aufgaben die hehre Berufung gehört, dem Land ein moralisches Rückgrat zu geben.

Nervöses Jucken

Wann immer die Rede auf Moral und Rückgrat kommt, wird ein Freiheitlicher von einem nervösen Jucken befallen, es sei denn, er spielt die Rolle des Moralapostels selber. Als Berater für verfassungsrechtliche Angelegenheiten verdient sich der seinerzeitige VfGH-Präsident Ludwig Adamovich junior einen Notgroschen zu seiner Beamtenpension. Typisch, wie da Herr Van der Bellen mit unserem Steuergeld urasst!

Denn man könnte sich fragen, wo denn die Kompetenz des Bundespräsidenten in der Verfassung festgelegt ist, öffentlich zu aktuellen politischen oder sonst grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen. Eine solche Verfassungsbestimmung gibt es nicht, wenn man vom Recht auf freie Meinungsäußerung einmal absieht. Aber sogleich verdient sich Adamovich einen Notgroschen zu seiner Beamtenpension, indem er hinzufügt, die Verfassung setze diese Befugnis gleichsam voraus.

Von Rüpeln Manieren verlangen

Die Zurückhaltung des Herrn Van der Bellen in Fragen des moralischen Rückgrats ist dem Autor so wichtig, dass er an einer anderen Stelle des Blattes noch einmal darauf eingeht. Der Mitbürger Van der Bellen hält es für notwendig, den Bundeskanzler zu rügen, weil der sich einer Äußerung zum Krankheitsbild des EU-Chefs enthält. Wofür nicht der geringste Grund besteht, denn bei einem Ischias-Anfall beißt man die Zähne zusammen, was zu einer schmerzverzerrten Miene führt. Juncker zeigte hingegen ein mildes Lächeln.

Als Eingebürgerter sollte der Mitbürger Van der Bellen zurückhaltend sein. Statt frech von Rüpeln Manieren zu verlangen. (Günter Traxler, 12.8.2018)