In Wien werden Eigentums- und Vorsorgewohnungen von Jahr zu Jahr spürbar teurer.

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Wohnbauforscher Wolfgang Amann warnt vor einer "Überhitzung" des Marktes.

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Rund 76.600 Wohnungen und Einfamilienhäuser wurden im Jahr 2017 in ganz Österreich baubewilligt. Allein in Wien waren es fast 24.000. Diese Zahlen liegen um 50 beziehungsweise 280 (!) Prozent über denen des Jahres 2007. In Österreich ist ein nie zuvor erlebter Bauboom im Gang.

Ein Ende ist nicht in Sicht. Für heuer rechnet Wohnbauforscher Wolfgang Amann mit Bewilligungszahlen auf der Höhe des Vorjahres. Und deshalb warnt er im Gespräch mit dem STANDARD schon vor einer "Überhitzung" des Marktes und plädiert dafür, beim Wohnungsbau wieder "ein wenig auf die Bremse zu steigen, um keine zu harte Landung zu haben".

Anstieg der Baukosten

Von konkreten Auswirkungen dieser Überhitzung berichtete Josef Ostermayer, Sozialbau-Chef und Wiener Landesobmann der Gemeinnützigen, kürzlich auf einer Pressekonferenz. Sein Unternehmen holte Angebote bei Baufirmen ein, Baustart des Projektes sollte im September sein. Ein größeres Unternehmen gab aber bekannt, erst im Februar Kapazitäten frei zu haben, weil es insbesondere an Bauleitern und Polieren fehle. "Bauleistungen werden derzeit intensiv nachgefragt", was zu einem massiven Anstieg der Baukosten in den letzten Monaten geführt habe, so Ostermayer. Er hegt die Hoffnung, dass sich der Markt dadurch selbst reguliert; Anzeichen dafür gebe es. "Die Zinsen werden steigen, die Situation wird sich normalisieren."

Amanns Aufzeichnungen zufolge wird schon seit 2016 im Neubau über dem tatsächlichen Bedarf bewilligt. Es gäbe zwar aus einigen Jahren mit zu geringen Bewilligungszahlen in der jüngeren Vergangenheit noch etwas aufzuholen, diesen Nachholbedarf sieht der Wohnbauforscher aber spätestens mit den aktuellen Bewilligungszahlen mehr oder weniger für erledigt an. Dies auch deshalb, weil die Statistik Austria Ende des Vorjahrs "erstmals seit längerem" ihre Bevölkerungsprognose wieder nach unten revidiert hat. Für Wien wird nun beispielsweise angenommen, dass es nicht schon 2022, sondern erst im Lauf des Jahres 2025 wieder zur Zwei-Millionen-Stadt wird. Was die für den Wohnbau wesentlichere Entwicklung der Haushalte betrifft, erwartet die Statistik von 2020 bis 2030 für ganz Österreich einen Zuwachs von rund 240.000, also etwa 24.000 pro Jahr. Für Wien wird ein Zuwachs von 5.000 Haushalten pro Jahr bis 2030 erwartet.

Amanns Wohnungsbedarfsprognose liegt naturgemäß darüber, denn er berücksichtigt auch die durch Abbrüche oder Umnutzungen zu ersetzenden Wohneinheiten sowie den sogenannten "investiven" Wohnbau, also das Segment der Anlegerwohnungen. Dieses hat nur bedingt mit dem Wohnbedarf zu tun, weil es immer wieder auch Wohnungskäufer gibt, die gar nicht vermieten wollen. Dies alles eingerechnet, kommt Amann dennoch mit seiner Bedarfsschätzung für Wien weit unter den aktuellen Bewilligungen zu liegen, nämlich bei rund 13.000 neuen Wohneinheiten pro Jahr.

Großes Anlegersegment

Dass immer mehr Wohneinheiten an Vorsorgewohnungskäufer gehen, kann Sandra Bauernfeind bestätigen. Die Maklerin beim Wiener Immo-Dienstleister EHL Immobilien hat im Februar erstmals einen Marktbericht darüber vorgelegt. Tausend Wohnungen, so hieß es darin, dürften im laufenden Jahr in Wien von Anlegern gekauft werden. Nun, im August, zeichnet sich ab, dass die Zahl jedenfalls halten wird, eher noch übertroffen, sagt Bauernfeind zum STANDARD. Getrieben wird dieser Markt schon seit der 2008/09 ausgebrochenen Finanzkrise vom niedrigen allgemeinen Zinsniveau und den "fehlenden Alternativen bei der Veranlagung von Eigenkapital", wie Amann es nennt. Mit einem baldigen Anstieg der Zinsen wird aber nun schon seit längerem gerechnet. Was also, wenn die Nachfrage nach Vorsorgewohnungen plötzlich einbricht?

Bauernfeind hält das für unwahrscheinlich. "Auch in zwei bis drei Jahren wird noch gekauft werden wie heute." Die Maklerin hat Profikunden, die "alle paar Monate vier Wohnungen kaufen", erzählt sie; in jüngster Zeit aber auch vermehrt solche, die sich "eine Wohnung alle zwei Jahre" zulegen.

Klarerweise hänge die Attraktivität einer Anlegerwohnung vom allgemeinen Zinsniveau ab, so Bauernfeind. Wien werde als Studentenstadt aber langfristig attraktiv bleiben. Und auch mit einer nur dreiprozentigen Rendite bei einer Mietwohnung sei man noch besser dran als mit einem Sparbuch.

Eigentumswohnungen werden teurer

Allerdings werden Eigentums- beziehungsweise Vorsorgewohnungen in Wien von Jahr zu Jahr spürbar teurer. Laut einer im Juni publizierten Erhebung von Standort+Markt und Bulwiengesa müssen für eine Wiener Neubauwohnung aktuell im Schnitt schon 5.320 Euro je Quadratmeter hingeblättert werden.

Amann nennt diese Zahl schlicht "besorgniserregend". Und sie zeige das eigentliche Problem am Wiener Wohnungsmarkt: dass der Neubauboom "hauptsächlich im gehobenen Eigentumssektor stattfindet. Hier wird die Überdeckung des Bedarfs zweifellos auch zuerst zu spüren sein", so der Wohnbauforscher. Das heißt übersetzt: Es sind dann vermehrt Leerstände bei neuen Wohneinheiten zu erwarten. Im leistbaren Segment hingegen könne ohnehin "kaum zu viel gebaut werden". (Martin Putschögl, 13.8.2018)