Wien – Mitte Mai rückte im Mostviertel ein schwerbewaffnetes Einsatzkommando aus. Von einem ausländischen Nachrichtendienst war das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) gewarnt worden: In dem Messagingdienst Telegram unterhielt sich eine Person mit Mitgliedern des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) über Anschlagspläne in Österreich. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um eine damals erst 15-jährige Schülerin aus einer niederösterreichischen Kleinstadt handelte. Sie wurde verhaftet und saß seither in Untersuchungshaft.

Vergangene Woche wurde das Verfahren eingestellt, einige Tage zuvor kam die junge Beschuldigte bereits frei. Der Grund: Die Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter attestierte der Jugendlichen in einem Gutachten eine "verzögerte Reife" und "die mangelnde Fähigkeit, das Unrecht ihrer Handlungen einzusehen".

Ihr Anwalt Wolfgang Blaschitz hatte bereits nach der Verhaftung kritisiert, dass es sich im vorliegenden Fall um "jugendliche Prahlereien" gehandelt habe "von der Sorte 'Burka ist der neue Punk'", wie er dem STANDARD sagte. In der kleinen Gemeinde habe die Tochter kosovarisch-christlicher Eltern mit ihrem Verhalten rebellieren wollen; sie konvertierte und trug als "einzige Person weit und breit" ein Kopftuch.

Männliches Pseudonym

Auf dem Chatportal Telegram habe sie Interesse an einer Ausreise nach Syrien bekundet, geriet in Kontakt mit Sympathisanten des IS. In geheimen Gruppen ging es dann auch rasch um etwaige Anschlagspläne. Ausgegeben als meist männlicher User "Dawud Al Amriki" erkundigte sich die Schülerin bei den Islamisten über die mögliche Durchführung eines Giftanschlags mithilfe von Chemikalien wie Agent Orange. All dies geschah in einem Zeitraum von Ende März bis Anfang Mai. Vor ihrer Verhaftung hatte die Jugendliche das Chatprogramm dann aber bereits wieder gelöscht.

In der Justizanstalt bekam sie Betreuung, Anträge auf eine Enthaftung wurden mehrmals abgelehnt. Ihr Anwalt kritisiert, dass ein Gutachten erst nach Wochen auf sein Drängen hin beauftragt wurde.

Von islamistischem Gedankengut distanziere sie sich bereits längst. "Von diesen Jihadistenspinnereien hat sie genug. Sie wird sich hüten, so was noch einmal von sich zu geben", sagt Blaschitz. Für die mehreren Monate U-Haft versucht es der Jurist nun mit einer Haftentschädigung. Ihren 16. Geburtstag hatte die Schülerin im Gefängnis gefeiert. (Thomas Hoisl, 13.8.2018)