In der westlichen Hemisphäre sind Gender-Studies seit vielen Jahren an vielen Hochschulen heimisch. Die Universität Wien bietet sie seit 2006 an. Für das Fach gelten dieselben wissenschaftlichen Standards wie für andere Studienrichtungen auch. Das heißt nicht, dass es nicht Kontroversen gäbe. Der Umstand, dass der sozialwissenschaftliche Forschungszweig aus einem feministischen Impetus heraus entstanden ist, ruft auch Gegner auf den Plan. Die These, dass Geschlechterrollen von der Gesellschaft abhängig oder gar sozial konstruiert sind, missfällt jenen, die in ihnen etwas Natur- oder gar Gottgegebenes sehen.

Es überrascht also nicht, wenn Konservative und religiöse Menschen von Gender-Studies nichts halten. Dennoch fällt auf, wie sich in jüngster Zeit vor allem rechtspopulistische und rechtsextreme Meinungsführer auf die Gender-Studies eingeschossen haben. Ihnen geht es nicht um Kritik an einer angeblichen "Pseudowissenschaft", sondern um deren diskussionslose Liquidierung.

In dieser Jagdgesellschaft darf der Ungar Viktor Orbán nicht fehlen. Seine Propagandisten diffamieren schon seit langem Gender-Studies als Auswüchse eines "liberalen Wahns", als verdeckte Agenda von "Feinden der christlichen Familie". Wenn Orbáns Regierung sich jetzt anschickt, die Studienrichtung zu verbieten, entfernt sich dieser einmal mehr aus der Gemeinschaft konservativer Demokraten, deren Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP), seine Fidesz-Partei formal angehört.

So wie er das mit dem beständigen Abbau der Demokratie in seinem Land, mit der Erzeugung eines Klimas der Angst und Einschüchterung, mit dem Schüren von blankem Hass auf Flüchtlinge schon häufig getan hat. Einmal mehr geht er einen Schritt zu auf die Rechtspopulisten von der Sorte der deutschen AfD. Ihr ungeteilter Beifall für seinen "Gender-Kill" ist ihm gewiss. (Gregor Mayer, 13.8.2018)