Plastik ist praktisch – und praktisch überall. In wenigen Jahrzehnten hat diese chemische Erfindung die Welt erobert. Seit der Entwicklung in den frühen 1950er-Jahren wurden laut US-Wissenschaftern der University of California etwa 8,3 Milliarden Tonnen des Materials produziert. Die Langlebigkeit der Kunststoffe wird auf hunderte Jahre geschätzt. Der Großteil des bisher produzierten Plastiks befindet sich also noch in der Umwelt. Das wird vor allem bei nicht sachgerecht entsorgtem Abfall problematisch. Der Kunststoff zerfällt und verwittert. Die Partikel sind auch in Fahrbahnmarkierungen, Kosmetika, Kunststoffverpackungen, Kleidung oder im Reifenabrieb.
Vor allem jene Teilchen, die als "Mikroplastik" kategorisiert werden, verteilen sich bis in die entlegensten Regionen. In der wissenschaftlichen Literatur ist für Mikroplastik meist eine Obergrenze von fünf Millimeter gemeint. Es wurde vom Indischen Ozean bis zum arktischen Meereis, von der Oberfläche bis zu Tiefensedimenten in allen Schichten aller Weltmeere gefunden. Erst im Juli wurden hohe Konzentrationen rund um die Osterinseln gemessen.

Plastik "schwitzt" Methan
Die Erforschung der Auswirkungen dieser massiven Veränderung der Erdoberfläche steckt noch in den Kinderschuhen. Und, so scheint es, jedes Mal, wenn ein neuer Aspekt untersucht wird, öffnet sich eine weitere Büchse der Pandora. So war bisher die Untersuchung der Verbindung zwischen Kunststoff und Klimawandel vor allem auf den Einsatz fossiler Brennstoffe bei der Herstellung ausgerichtet.
Sarah-Jeanne Royer von der University of Hawaii meint, dass der Plastikmüll den Klimawandel noch stärker antreiben könnte als angenommen. Sie fand heraus, dass Mikroplastik klimarelevante Gase wie Ethylen und Methan freisetzt. Methan ist sogar deutlich klimaschädlicher als Kohlenstoffdioxid. "Als meine Kollegen die Methanproduktion aus Meerwasser mit Inkubationsflaschen gemessen haben, stellten sie fest, dass die Methankonzentration viel höher als erwartet war. Schließlich realisierten wir, dass die Emissionen nicht nur aus der Biologie kommen, sondern von den Plastikflaschen, die für das Experiment verwendet wurden", sagt Studienleiterin Royer dem STANDARD.

Plastik emittiert im Dunklen weiter
Auf diesen Zufallsfund aufbauend, untersuchte Royer die sieben weltweit am häufigsten produzierten und verbrauchten Kunststofftypen. Die verschiedenen Substrate waren Polycarbonat, Acryl, Polypropylen, Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol, Polyethylen hoher Dichte und Polyethylen niedriger Dichte. Alle produzierten Treibhausgase.
Auslöser dafür ist die Sonne. Wenn die Kunststoffoberfläche zerfällt, rissig wird und Löcher bildet, erhöhen diese Defekte die für Sonnenlicht verfügbare Oberfläche, was die Gasproduktion beschleunigt. Der Kunststoff "schwitzt" also umso mehr Treibhausgase aus, je mehr er zerfällt. Nach einiger Zeit braucht es für diese Reaktion nicht einmal mehr Tageslicht, fand Royer heraus: Das Plastik emittiert im Dunklen weiter.
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Die Meereskundlerin entdeckte zudem, dass der am häufigsten verwendete Kunststoff, der für Einkaufssackerl verwendet wird, die größte Menge dieser Gase produziert. Laut UN werden jährlich bis zu fünf Billionen Plastiksackerln verwendet. Am Ende des Experiments emittierte dieser Kunststoff nach 212 Tagen in der Sonne 176-mal mehr Methan als zu Beginn. Kunststoffe, die direkt dem Sonnenlicht ausgesetzt sind und sich nicht im Wasser befinden, erzeugen noch mehr Gase.
Auswirkung noch unbekannt
Nach derzeitigem Wissensstand könne laut Royer der Beitrag von Kunststoff auf die Menge der Treibhausgase und der Zusammenhang mit dem Klimawandel noch nicht einmal geschätzt werden: "In diesem Stadium verfügen wir nicht über die Technologie, um diese Fragen zu beantworten."
Dabei geht die globale Produktion von Plastik rasant weiter: Im Juni veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN) den ersten Plastikreport. Demnach werden allein in diesem Jahr geschätzte 360 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert. In den kommenden zehn bis 15 Jahren werde sich die weltweite Produktion voraussichtlich fast verdoppeln.
Die Produktion von Plastik soll bis 2025 etwa 500 Millionen und bis 2030 sogar 619 Millionen Tonnen erreichen. Vor allem Entsorgung und Recycling muss daher zunehmend zum Thema werden, betont die UN. Denn bis zu 13 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr gelangen in das Meer.
Die am häufigsten in der Umwelt gefundenen Einwegkunststoffe sind Filter in Zigarettenstummeln, Plastikflaschen und deren Verschlüsse, Essensverpackungen, Plastiksackerln, Kunststoffdeckel und Strohhalme.

Auch Fließgewässer betroffen
Allein in Europa belaufen sich die geschätzten Kosten für die Säuberung von Küsten und Stränden laut EU-Kommission im Jahr 2015 auf 630 Millionen Euro. Die Europäer erzeugen jedes Jahr 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle. Anfang dieses Jahres hat die Kommission eine Plastikstrategie präsentiert. So sollen etwa alle Verpackungen bis 2030 wiederverwertbar sein. Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, erklärte, dass es unmöglich sei, Kunststoffe zu verbieten. Aber mehr Recycling sei notwendig.
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Dabei ist das Plastikproblem schon in Europas Flüssen angekommen. Flüsse gelten als Haupteintragspfade für Plastik in die Meere. Aber auch hier steht die Forschung noch am Anfang. Untersuchungen zeigen, dass jährlich bis zu 40 Tonnen Plastik in der Donau transportiert werden.
Noch gibt es keine standardisierten Methoden zur Beprobung von Mikroplastik in Fließgewässern, sodass Studien kaum verglichen werden können. 2015 gab es ein Pionierprojekt bezüglich des Mikroplastiks an der Donau. "In Österreich, wo der Großteil an Müll geregelten Entsorgungspfaden zugeführt wird, ist es nur ein geringer Anteil, in anderen Ländern sieht das dramatischer aus", sagt Marcel Liedermann von der Universität für Bodenkultur (Boku), der die Messungen leitet, dem STANDARD. Daher gehe es auch um Aufklärung.

Boku entwickelt Methode für Messung in Flüssen
Um Mikroplastik systematisch in der fließenden Welle zu erfassen, wurde vom Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und Wasserbau für die Studie eine standardisierte Methodik entwickelt, um die räumliche und zeitliche Variabilität des Plastiktransports zu erfassen. Dazu wurde ein Geräteträger, der es aufgrund seiner Masse ermöglicht, in der turbulenten Strömung der Donau östlich von Wien reibungslos abzutauchen, mit Messnetzen ausgestattet.
Es wurden in der gesamten Wassersäule Proben gezogen und nicht nur, wie in anderen Studien üblich, an der Wasseroberfläche. "Mikroplastik verhält sich eher wie ein Schweb- und nicht, wie angenommen, wie ein Schwimmstoff", sagt Liedermann. Überraschend war, dass Plastik auch bodennah transportiert wird und somit Teil des Feststofftransports in Fließgewässern ist.
Aktuell läuft das bilaterale EU-Projekt "Plastic free danube" mit der Slowakei, das die Boku mit dem Institut für Abfallwirtschaft, der Viadonau und dem Nationalpark Donauauen durchführt. "Weiters haben wir gerade ein Projekt eingereicht, das Plastik im Alpenraum thematisiert: von den Gletschern über Wildbäche bis zu mittleren Tieflandflüssen", sagt Liedermann.
Die damalige Regierung hat als Reaktion auf die Ergebnisse der Messungen an der Donau in einem Zehn-Punkte-Programm weitere Analysen beschlossen. "Bisher ist daraus leider nichts geworden", sagt Liedermann. (Julia Schilly, 22.8.2018)