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Bei einer Demonstration in Kiew wurden Antikorruptionsaktivisten jüngst mit blauem Desinfektionsmittel beworfen.

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Der Ruf, endlich ein normales europäisches Land zu werden, das sich auch in puncto saubere Regierungsführung mit den EU-Staaten messen kann – das war es, was viele Demonstranten auf dem ukrainischen Maidan gefordert haben. Doch vier Jahre nach dem Umsturz hat sich wenig gebessert, sagt der ehemalige Journalist Dmytro Gnap im Interview mit dem STANDARD.

STANDARD: Was hat Sie motiviert, den Schritt von der Redaktion in die Politik zu machen?

Gnap: Mir ist klar geworden, dass es nicht mehr reicht, über Korruption zu berichten. Unsere Plattform slidstvo.info hat mitgeholfen, Skandale aufzudecken, etwa den Fall der "Brillantenstaatsanwälte": Zwei Staatsanwälte wurden erwischt, wie sie Bestechungsgelder kassiert haben. Was ist passiert? Sie sind gegen Kaution freigekommen. Kein hochrangiger Beamter ist verurteilt oder bestraft worden. Für mich ist das Maß voll.

STANDARD: War die Maidan-Bewegung, die sich gegen die Korruption unter Expräsident Wiktor Janukowitsch richtete, denn ganz umsonst?

Gnap: Das habe ich nicht gesagt. Das ist aber auch nicht die Frage. Die Frage ist vielmehr: Unsere Gesellschaft hat einen so hohen Preis gezahlt – und alles nur, damit die Korruption ein bisschen geringer ist als vor dem Maidan? Das ist zu wenig. Immerhin hat die Revolution diese Politiker ins Amt gebracht. Nach dem Maidan ist die Korruption zurückgegangen, doch seit 2016 steigt sie wieder an.

STANDARD: Vor Ihnen sind aber schon viele Aktivisten in die Politik gegangen. Was wollen Sie denn konkret anders machen?

Gnap: Ich habe vorgeschlagen, dass wir uns in Vorwahlen auf einen gemeinsamen Kandidaten aus dem demokratischen Lager für die Präsidentschaftswahlen einigen, und ich will antreten. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir eine neue Partei gründen.

STANDARD: Wie wollen Sie Ihre Kampagne finanzieren?

Gnap: Die ukrainischen Parteien werden üblicherweise von Oligarchen finanziert. Wir wollen das durchbrechen. Einerseits durch Freiwilligenarbeit, andererseits durch Crowdfunding. Ich glaube, dass es genug Menschen gibt, die für Veränderungen kämpfen und uns unterstützen werden.

STANDARD: Aber wie wollen Sie Ihre Wähler erreichen? Gerade die großen Medien werden doch auch von Oligarchen kontrolliert.

Gnap: Uns ist klar, dass wir nicht in die großen Fernsehsender reinkommen werden, weil wir die Oligarchen dafür zu scharf kritisieren. Unsere Zielgruppe ist aber die Mittelklasse, die stärker das Internet und soziale Medien nutzt. Außerdem wollen wir uns ohnehin von anderen Politikern abheben.

STANDARD: Zuletzt haben Sie sich auch kritisch zum Minsker Abkommen geäußert. Welche Lösung für die Ostukraine schlagen Sie vor?

Gnap: Das Minsker Abkommen muss aufgehoben werden. Wir sind Opfer einer russischen Aggression. Wir haben nur zwei Möglichkeiten, den Krieg zu beenden: kapitulieren oder kämpfen. Ich finde, dass es unser langfristiges Ziel sein muss, das okkupierte Territorium zurückzuerobern. Wenn nötig auch gewaltsam.

STANDARD: Damit würden Sie die Unterstützung des Westens riskieren, der am Abkommen festhält.

Gnap: Womit unterstützt uns der Westen schon, abgesehen von den Sanktionen, über deren Auf hebung ständig diskutiert wird? Niemand weiß, was im Kopf von Wladimir Putin vor sich geht. Vielleicht startet er morgen schon wieder die nächste Invasion. Ich finde, dass wir uns stärker auf uns selbst besinnen und unser Militär stärken sollten. (Simone Brunner, 16.8.2018)