Bis die Maschinen den Semmeringbasistunnel zu bohren beginnen durften, vergingen Jahre – auch weil Gutachten für die Milliardeninvestition fehlten oder mangelhaft waren.

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So elendslang, wie von der Regierung behauptet, dauern Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) für große Infrastrukturprojekte in Österreich offenbar doch nicht. Diesen Schluss lässt der "7. UVP-Bericht" zu, den das in Nachhaltigkeitsministerium umbenannte Umweltministerium in wenigen Wochen dem Nationalrat übergeben wird. Waren die Unterlagen für das Verfahren bei den zuständigen UVP-Behörden vollständig eingebracht und somit auch der Öffentlichkeit zugänglich ("öffentliche Auflage"), betrug die mittlere Verfahrensdauer für ein UVP-Verfahren weniger als ein Jahr, konkret 10,2 Monate.

Sogenannte vereinfachte Verfahren, wie sie etwa für Windparks notwendig sind, dauerten gar nur 5,4 Monate (Werte ermittelt im Medianverfahren). Das geht aus dem Entwurf des UVP-Berichts hervor, der dem STANDARD zugespielt wurde. In den Jahren 2016 und 2017 brauchten Behörden für die Ausstellung der UVP-Bescheide sogar weniger Zeit, sie wurden nach 8,9 beziehungsweise 9,6 Monaten ausgestellt.

Verfahrensbremsen

Anders sieht die Lage aus, wenn die gesamte Verfahrensdauer betrachtet wird, also vom Einbringen eines Antrages durch den Projektwerber bei der UVP-Behörde bis zu deren Entscheidung. Da konnten schon 36,8 Monate ins Land ziehen, also mehr als drei Jahre, bis 2017 ein UVP-Bescheid ausgefolgt wurde. Ein vereinfachtes Verfahren ab Antragstellung dauerte mit 16,8 Monaten ebenfalls dreimal so lang wie das eigentliche Behördenverfahren, womit klar ist, dass es nicht in erster Linie Umweltverbände oder widerspenstige Anrainer sind, die Genehmigungsverfahren verschleppen.

"Es wird eine erhebliche Verkürzung der Verfahren ersichtlich, wenn die mittlere Verfahrensdauer ab der öffentlichen Auflage bis zur Entscheidung der UVP-Behörde berechnet wird", heißt es im UVP-Bericht lapidar. Im Nachhaltigkeitsministerium wollte man zu dem Bericht keine Stellungnahme abgeben. Ein Sprecher verwies auf die im September geplante Übergabe ans Parlament.

Bei Großprojekten wie Lobautunnel (S1), Flughafenausbau, Marchfeldschnellstraße (S8) oder der inzwischen teilweise für den Verkehr freigegebenen Nordautobahn (A5) verging also wertvolle Zeit, weil die Antragsteller Pläne, Unterlagen und Sachverständigengutachten nicht vollständig oder nur schrittweise beibrachten oder die ursprünglichen Projektpläne – nicht selten aus politischen Gründen – nachträglich abgeändert wurden. "Die mittlere Dauer der Genehmigungsverfahren ist stark von den jeweiligen Vorhaben, den Standorten und deren Komplexität geprägt", wie es im UVP-Bericht diplomatisch formuliert ist.

Negativrekord 2017

Aufgeschlüsselt nach Verfahrensart vom Antrag bis zur Entscheidung der UVP-Behörde liegt die Dauer für UVP-Genehmigungsverfahren im Betrachtungszeitraum 2009 bis 2017 im Mittel bei 16,4 Monaten. Wobei das Jahr 2017 mit 24,3 Monaten Dauer im Genehmigungsverfahren insofern negativ heraussticht, weil im Vorjahr besonders aufwendige Verfahren abgeschlossen wurden, schreiben die Studienautoren des Umweltbundesamts im Berichtsentwurf. Vereinfachte Verfahren wurden im Mittel innerhalb von elf Monaten entschieden (ebenfalls mithilfe des Median-Verfahrens berechnet).

Wie komplex solche Umweltverfahren grundsätzlich sind, zeigt die Statistik über das UVP-Feststellungsverfahren. Selbiges wird dann durchgeführt, wenn nicht klar ist, ob die Errichtung einer Anlage oder eines Kraftwerks UVP-pflichtig ist. Die mittlere Verfahrensdauer solcher Feststellungsverfahren belief sich von 2009 bis 2017 im Schnitt auf 3,3 Monate, wobei auch hier einiges an Zeit für die Beibringung von Unterlagen draufging. Lagen alle Pläne und Gutachten vor, brauchte die Behörde bis zur Bescheidausstellung im Schnitt 2,7 Monate.

Beschwerden kosten Zeit

Mit dem Vorliegen eines UVP-Bescheids ist ein Projektverfahren freilich nicht erledigt. Sie werden, insbesondere von der öffentlichen Hand finanzierte Schnellstraßen, Wasserkraftwerken oder Bahntunnels von Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen, Gemeinden oder einzelnen Anrainern bekämpft, was ebenfalls Zeit kostet.

Den von Politikern geäußerten Vorwurf der mutwilligen Verzögerung untermauert der UVP-Bericht des Nachhaltigkeitsministeriums übrigens nicht. Die mittlere Verfahrensdauer bei Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (bis Ende 2013 Umweltsenat) lag für UVP-Genehmigungsverfahren bei fünf Monaten, für Feststellungsverfahren bei 3,5 Monaten. Auch hier ist 2017 mit 11,9 Monaten ein Ausreißer, weil in diesem Jahr der Semmering-Basistunnel, die dritte Piste des Flughafen Wien-Schwechat und der Linzer Westring (A26) sowie Wasserkraftwerksprojekte zur Entscheidung anstanden.

Mit der Menge an Verfahren stiegen freilich auch die Beschwerden: Von 2000 bis Februar 2018 wurden 303 Verfahren beim Umweltsenat und 139 bei dessen Nachfolgebehörde, dem Bundesverwaltungsgericht, anhängig gemacht. Genehmigung beantragt wurde im selben Zeitraum für 455 Vorhaben. Nur drei Prozent wurden abgelehnt. (Luise Ungerboeck, 16.8.2018)