Erinnerung: Als der Autor dieser Zeilen erstmals an die Uni Wien kam, war an der Tafel des Dekanats ein Anschlag: Ein gewisser Student (voller Name, volle Adresse) sei wegen "Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts" verurteilt worden (darauf standen ein bis fünf Jahre) und deswegen auf zwei Semester von der Uni zu relegieren. Der entsprechende Paragraf wurde wenig später, 1971, im Rahmen der "kleinen Strafrechtsreform" Kreiskys aufgehoben.

An diese Szenerie des Mittelalters mitten in der Zweiten Republik erinnert der Bescheid des Bundesasylamts Wiener Neustadt, der einem jungen Afghanen den Asylgrund "schwul im Lande der Taliban" nicht gelten ließ: "Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten." Außerdem: "Dass Sie nicht homosexuelle Jungs geküsst hätten, ist absoluter Unsinn. Kein Mann lässt sich von einem anderen Mann küssen, wenn er nicht homosexuell ist. Das ist völlig undenkbar."

Man hätte gedacht, "undenkbar" sei eine derartige beamtete Mentalität und, vor allem, so eine offizielle Entscheidungsbegründung. Behördenvertreter, die im 21. Jahrhundert meinen, Schwule hätten sozusagen die Pflicht zu grotesk tuntigem Auftreten, um als solche gelten zu können, gehören schleunigst im Fach "gesellschaftspolitischer Fortschritt" nachgeschult. Mindestens. (Hans Rauscher, 16.8.2018)