Mit abgetöteten Bakterien ließe sich Schnee auch bei steigenden Temperaturen erzeugen, so die Hoffnung.

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Ausgerechnet im Hochsommer ist in Tirol eine Diskussion um die künstliche Produktion von Schnee entbrannt. Auslöser war der erfolgreiche Einspruch der Seefelder Bergbahnen beim Landesverwaltungsgericht, um künftig testweise einen Zusatzstoff bei der Schneeproduktion auf der Rosshütte verwenden zu dürfen. Bemerkenswert ist, dass es nicht etwa Umweltschutzorganisationen waren, die seit Tagen gegen das Urteil Sturm liefen, sondern die Seilbahnbranche selbst. Und sie erhielt dabei Rückendeckung von der Landespolitik, wo ÖVP wie auch Grüne die Zusätze unisono ablehnen.

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Mit Erfolg, noch am Donnerstag erklärte der Seefelder Bürgermeister und Seilbahnchef Werner Frießer, dass man "nach einem Gespräch mit der Landesregierung" nun doch auf den Einsatz des Zusatzstoffes verzichten werde. Zuletzt waren die Wogen derart hochgegangen, dass ÖVP-Seilbahnsprecher Franz Hörl sogar forderte, den Seefeldern die Nordische Ski-WM 2019 zu entziehen, wenn diese nicht einlenken.

Beharren auf Tiroler Reinheitsgebot

Doch der Widerstand ist nicht Ausdruck eines plötzlichen ökologischen Gewissens. Die Branche sorgt sich vielmehr um ihr Image. Denn bisher galt in Tirol ein selbstauferlegtes "Reinheitsgebot", wenn es um die Schneeproduktion ging. Demnach dürfen dazu nur Trinkwasser und CO2-neutral erzeugter Strom verwendet werden. In Seefeld wollte man nun den Zusatzstoff Snomax testen, ein Eiweißpulver, das aus abgetöteten Bakterien gewonnen wird, um eine effizientere Beschneiung auch bei höheren Temperaturen zu ermöglichen.

Snomax ist das Produkt eines US-Herstellers, das seit mindestens 1988 vor allem in Nordamerika, aber auch in vielen europäischen Ländern bei der Schneeproduktion eingesetzt wird. Michael Manhart aus Lech am Arlberg ist Routinier der Schneeerzeugung und hat jahrzehntelange Erfahrung mit dem Zusatzstoff: "Die Tiroler sind hier heiliger als der Papst. Ich habe das schon bei der Schneeproduktion für die Olympischen Winterspiele im kanadischen Calgary verwendet."

Studien und Erfahrungswerte

Um die Jahrtausendwende leitete Manhart eine Saison lang einen Versuch mit dem Zusatzstoff in Lech. Sein Fazit: "Sachlich ist es nicht zu begründen, das Mittel nicht einzusetzen." Er spricht von bis zu 20 Prozent Energieeinsparung durch Snomax. Folgen für die Natur wären keine zu beobachten gewesen. Manhart verweist zudem auf Studien aus Italien, Frankreich und den USA, die das untermauern würden.

Weniger begeistert ist Michael Rothleitner vom Schneezentrum Tirol. Für ihn geht die Diskussion um den Einsatz von Zusatzstoffen in die falsche Richtung: "Die werden keine große Verbesserung bringen. Denn auch wenn ich bei Plusgraden Schnee erzeugen kann, nutzt mir das gar nichts, wenn der nicht liegen bleibt." Wichtiger sei es, den Einsatz von Wasser und Strom bei der Schneeproduktion zu reduzieren.

"Tropfen, der Fass zum Überlaufen bringt"

Rothleitner hinterfragt auch die Gründe für die Verwendung von Snomax. Denn er vermutet, dass dies, obwohl selbst nicht billig, mitunter als günstigere Alternative genutzt wird. Denn bei Schneekanonen würden die Düsen wegen des Wasserdrucks nach einer gewissen Zeit sozusagen ausleiern. Statt diese kostspielig zu erneuern, könne man sich auch mit Zusätzen wie Snomax behelfen.

Dass ausgerechnet die Seilbahnlobby in dieser Diskussion zum Naturschützer mutiert, sorgt bei Landesumweltanwalt Johannes Kostenzer für Verwunderung: "Vielleicht befürchtet man, dass die bakteriellen Zusätze jener Tropfen sein könnten, der das Fass endgültig zum Überlaufen bringt." Denn der Wintertourismus sei längst eine Industrie und habe mit der in der Werbung suggerierten Naturverbundenheit wenig zu tun. Daher auch die große Sorge um das Image, glaubt Kostenzer.

Vom Tisch ist die Diskussion um Zusätze wie Snomax freilich nicht, wie auch Seefelds Bürgermeister Frießer sagt: "Die Klimaerwärmung wird zeigen, ob und wann wir sie wieder führen." (ars, 16.8.2018)