Es sind derer wohl nicht sehr viele Autos, bei denen sich die Begleitung fragt, ob es denn nun gescheiter wäre, hinten oder vorn einzusteigen. Von dieser kleinen Gruppe an Autos ist sicher die S-Klasse das begehrteste Fahrzeug. Vor kurzem ließ Mercedes-Benz der S-Klasse ein Facelift angedeihen, modernisierte etwa das vorausschauende Fahrwerk und die Motoren. Die Entscheidung, wo man jetzt besser sitzt, wird uns dadurch aber noch nicht abgenommen.
Hinten, da gibt es so viel Platz, dass es nicht einmal stören würde, wenn man sich auch noch die Einkaufssackerl in den Fußraum stellte. Bildschirme in den Kopfstützen böten Unterhaltung an, die Klimatisierung könnte man hinten eigens regeln, und die Rollo im Heckfenster müsste man nicht einmal selbst bedienen. Das könnte der Fahrer mit einem Handgriff auf einen Schalter unweit vom Lenkrad übernehmen.
"Ja, wenn du deine Ruh haben willst oder was Büromäßiges arbeiten", sagt die Gemahlin, "ist hinten sicher der bessere Platz."
Sie denkt nicht im Traum daran, jetzt was zu arbeiten, und schon gar nicht will sie ihre Ruh. Sie will eine geopolitische Frage klären und die in wenigen Minuten zu tätigenden Anschaffungen besprechen. Es geht also wieder einmal um Katzen. Erst um die in Afrika, die sie endlich sehen will, und dann um die daheim, die verhungern, wenn das falsche Futter ...
Doch dann, in der ersten Kurve, war das alles vergessen. Gemeinsam mit dem Einlenken erhebt sich nämlich die Lordosenstütze vorsichtig aus dem Sitz und gibt auch Beifahrerin oder Beifahrer Halt.
Begeisterung
Schon, dass der Benz kurz nach dem Anschnallen den Gurt gestrafft hat, begeisterte, aber dass er jetzt auch noch in der Kurve für den perfekten Halt sorgt, imponiert sehr. Bei so viel Sorge fällt kaum auf, dass der Zweitonner in der Kurve nicht wankt.
Das Luftfahrwerk gleicht die Kurvenfahrt galant aus. Doch damit ist noch lange nicht Schluss mit beeindruckenden Luxusfeinheiten. Da wäre noch die unaufdringliche Innenraumbeduftung, die weichen Kopfstützen, die kunstvollen Holzapplikationen. Aber das bringt uns der Antwort endlich näher, ob man im Luxus-Benz nun besser vorn oder hinten sitzt. Mag man meinen.
Das ist aber schon lange alles egal, denn inzwischen hat sich der 340 PS starke Diesel mit seiner Zurückhaltung in den Vordergrund gespielt. Mercedes-Benz ersetzt mit dem Facelift die V6-Motoren gegen Reihen-Sechser. Der 400d ist der Stärkere der beiden Selbstzünder mit drei Liter Hubraum. Dass er ein Diesel ist, hört man so gut wie gar nicht. Aber man spürt es, wenn das Drehmoment von 700 Newtonmeter anschiebt.
Darum ist der beste Platz in der S-Klasse sicher jener direkt hinter dem Lenkrad. So herrschaftlich betucht kann jemand mit ein bisserl Benzin im Blut gar nicht sein, dass er dieses Fahrzeug nicht selbst fahren möchte. Mit Benzin im Blut – da kommt aber auch die Überlegung auf, zu einem Otto-Motor zu greifen. Gerade wer einen Hybrid andenkt, würde da goldrichtig liegen. Doch trotzdem passt der große Diesel in den schlicht gezeichneten, fast weißen Benz wie die Burmester-Anlage, die leider so gut ist, dass man jeden noch so kleinen Fehler auf den MP3-Files vom Smartphone hören kann. Vom Feinsten ist auch die digitale Welt, die sich auf dem Armaturenträger ausbreitet. Das Flaggschiff hat alle Systeme an Bord, die Komfort und Sicherheit verschaffen, und wenn es dafür teilautonom fahren muss.
Aber wo steigt jetzt jemand ein, der wirklich so viel Geld hat, sich so ein Auto zu leisten? 150.000 Euro für die Anschaffung, dann die Steuer, da spielt es gar keine Rolle mehr, dass diese S-Klasse weniger braucht als mancher Kleinwagen. Unbedeutende Frage. Die richtige lautet: Wohin dürfen wir die Herrschaft nun führen? (Guido Gluschitsch, 27.8.2018]