Gamlitz – So in etwa kann man sich einen Alienbesuch vorstellen: Die Sonne schickt die letzte Sommerhitze in die malerische, südsteirische Rebenlandschaft, die Trauben hängen prall auf den Stöcken, alles strahlt sattgrün, auf den Tischen der Buchenschenken stehen Weinkrüge und Teller voller Backhendl vor vergnügten Gästen, und urplötzlich taucht eine schwarze Kolonne mächtiger Limousinen und abgedunkelter Vans zwischen den Weinbergen auf.

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Der Putin-Konvoi in Anfahrt auf Gamlitz.
Foto: ap/zak

Einer auf dem Beifahrersitz trägt einen dicken, braungefleckten Kampfanzug, im Wagen dahinter sitzt, den bunten und zahlreichen Dekorationen auf dem Jacket nach zu schließen, ein hoher Militär. Und in irgendeinem dieser, von Blaulicht-Einheiten eskortierten, in diesem idyllischen Ambiente extraterristisch anmutenden, motorisierten Einheiten sitzt der russische Präsident Wladimir Putin.

DER STANDARD

Der wenig später, nachdem er der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) im Weingasthaus "Tscheppe" einen Blumenstrauß in die Hände gerdrückt hat, international medienwirksam ein Tänzchen mit der Braut hinlegt. Die Österreichische Außenministerin und hohe Repräsentation der europäischen Ratspräsidentschaft, die Österreich gegenwärtig innehat, in den Händen des russischen Präsidenten: Ein Bild, das die Runden machen wird. Mit wohl internationalen Implikationen.

Putin sprach über Kneissls Hunde

Beim russischen Fernsehsender "Fünfter Kanal" ist derweil ein Handyvideo aufgetaucht, das die Rede Wladimir Putins bei der Hochzeit zeigt. Der russische Präsident bekundet darin in deutscher Sprache, auch für Vermählungen gelte das Sprichwort "besser spät als nie". Besonders freue er sich "wieder einmal das gastfreundliche Österreich besuchen zu dürfen".

Zudem gibt Putin einige medial oft verbreitete Stichworte aus dem Lebenslauf Außenministerin Kneissls wieder: "Es ist allgemein bekannt, dass Sie in acht Ländern lebten und sieben Sprachen sprechen", besonders freue ihn aber das "lebendige Interesse an Kultur und Geschichte Russlands. Sie und Ihr Ehegatte sind bei uns immer herzlich willkommen!".

Schließlich kommt Russlands Präsident auf Kneissls Hundegeschmack zu sprechen. Er habe in einem Interview mit der Außenministerin gelesen, dass diese Haltern von Boxerhunden Sinn für Gemütlichkeit und Humor nachsage, sowie die Eigenschaft, nicht leicht aus der Ruhe zu bringen zu sein. "Das alles ist nötig fürs Familienleben. Karin hat sogar zwei Boxer. In solchen Fällen sagt man bei uns, dass weitere Kommentare überflüssig sind".

Im russischen Staatsfernsehen "Russia Today" sind Kneissl und Putin beim Tanzen zu sehen. Nach dem Tanz geht Karin Kneissl vor Putin in die Knie.
RT

Auf einem weiteren Video von der Hochzeit, das ebenfalls bei TV 5 verbreitet wurde, sind Tanz- und Musikeinlagen der russischen Gäste – darunter der Don-Kosaken-Chors – sowie eine heiter tanzende Außenministerin mit ihrem Mann zu sehen.

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Tanzen anders: Kneissl und Putin bewegten sich in Gamlitz.
Foto: Roland Schlager/Pool via Reuters

Autobahnsperre

Karin Kneissl hat jedenfalls soeben in dem kleinen, aber feinen Gasthaus mit fantastischem Blick in die Weinberge geheiratet. Und weil sie dazu auch Putin eingeladen hatte, kam dieser prompt in die Südsteiermark. Mit allem Trara: Autobahn gesperrt, Verwirrspiel um die Maschine, mit der er Graz anfliegt. Bis zuletzt wissen nicht einmal die lokalen Polizeieinheiten, ob er überhaupt kommt.

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Das Brautpaar: Die Ministerin und ihr Ehemann Wolfgang Meilinger.
Foto: reuters

Oben beim Tscheppe harren indessen schon seit Mittag Putins Sicherheitsleute aus. Junge Männer in Jeans mit weißen, heraushängenden Hemden und Knopf im Ohr. Andere, ältere, erinnern ein wenig an alte DDR-Agenten, Kleidung im 60er-Stil, einer hält eine alte Tasche in der Hand, aus der eine Antenne ragt. Sie gehen mit kurzem Nicken an den österreichischen Schwerbewaffneten vorbei durch die Absperrung.

ORF

Rätselhafter Besuch

Das Areal um das Gasthaus Tscheppe wurde jedenfalls schon Stunden zuvor abgeriegelt, Hochzeitsgäste schicken weniger später Fotos aus dem Lokal: von Kanzler Sebastian Kurz und Putin, wie er einer strahlenden Kneissl die Hand reicht und das Tanzbein schwingt.

Der Kanzler gratuliert seiner Außenministerin.
Foto: apa/schlager

Warum der russische Präsident überhaupt hierher in die Steiermark gekommen ist, darüber wird unter den Schaulustigen aufgeregt diskutiert. "Er kennt sie ja gar nicht, komisch", fasst eine Südsteirerin die Sachlage zusammen. Aber in Summe sind so ziemlich alle davon angetan, dass der Besuch dieses rätselhaften, berühmten Menschen, den niemand zu Gesicht bekommt, irgendwie in Ordnung ist. Zumindest für die Werbung der südsteirischen Weingegend.

Kutschenfahrt

Was sich Putin wohlweislich erspart hat, war die Kutschenfahrt. Im wenige Kilometer entfernten Weinort Gamlitz, im Hinterhof des Gasthauses des Langzeit-ÖVP-Bürgermeisters Karl Wratschko, sammelten sich die blauen Hochzeitsgäste – Gäste des Regierungspartners ÖVP waren keine darunter –, um mit einem Traktorengefährt und einer Hochzeitskutsche zum Tscheppe zu zuckeln.

Auf dem Weg zur Hochzeit wird dem Volk zugewinkt.
Foto: Fischer

Wie ein steirisches Prinzenpaar residieren die beiden Hochzeiter, Kneissl und Wolfgang Meilinger, in der Kutsche und winken in aristokratischer Manier den Umstehenden zu. In den von Traktoren gezogenen, waggonartigen Gefährten sitzen die FPÖ-Regierungsmitglieder.

Kurz sprach kurz mit Putin

Auch der ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz hielt sich von dieser FPÖ-Hochzeitsgemeinde fern, er stieß erst später, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, beim Tscheppe zur Festgesellschaft. Und, als kleines Detail, obzwar als privates Hochzeitsfeier tituliert, reisten alle FPÖ-Minister und auch der Kanzler standesgemäß per Dienstwagen an. Weil ja eben die Hochzeit auch unter der Kategorie "Arbeitsbesuch" lief, was wohl den exorbitanten Aufwand des Sicherheitsapparates rechtfertigen sollte.

Hier die "Kutsche" für Ehrengäste.
Foto: Christian Fischer

Kurzes Arbeitsgespräch

Viel Zeit für ein "Arbeitsgespräch" dürfte in dieser einen Stunde und zwanzig Minuten zwischen Heiratszeremonie, Tänzchen und Hochzeitsmenü wohl nicht geblieben sein. Aber: Bundeskanzler Sebastian Kurz habe am Rückweg von Gamlitz zum Flughafen Graz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in dessen Präsidentenlimousine gesprochen, ließ der Sprecher der Regierung, Peter Launsky-Tieffenthal, über die Austria Presseagentur verlauten.

Neben bilateralen Fragen sei es auch um die "aktuelle politische Lage und Krisenherde wie die Ukraine, Syrien, Energiepolitik und das Verhältnis EU-Russland" gegangen. Kurz soll sich vor seinem Gespräch mit Putin auch noch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker abgestimmt haben, heißt es. Nach seinem Besuch in der Steiermark reiste Putin gleich weiter zu einem Treffen mit Merkel.

Dieses absonderliche Event in den steirischen Weinbergen hat natürlich auch Interesse überregionaler Medienvertreter geweckt. Einer von ihnen war extra dafür angereist. Er sei aus Deutschland hierher gekommen, sagt der Korrespondent eines kleines bayrischen Pressedienstes: "Wissens, ich mach gern ein bissl was Exotisches für mein Blatt". Und die Hochzeit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl, zu der sogar Russlands Präsident Putin anreist, zähle definitiv dazu. (Walter Müller, 18.8.2018)