Justin Timberlake tourt gerade durch Europa. Am Samstag machte er in Wien Station.

Foto: STANDARD/Newald

Irgendwann erinnerte sich der ehemalige Kinderstar, *Nsync-Veteran und Pop-Gott Justin Timberlake daran, dass er aus den Südstaaten stammt und beschloss, etwas damit zu machen. Dieses Etwas erschien Anfang des Jahres, hört auf den Namen "Man of the Woods" und verbindet laut Eigenaussage "Modern Americana with 808s". Also an Folk und Country orientierte Melodien, die – einmal durch den Sample-Fleischwolf gedreht – von Langzeit-Kollegen wie Timbaland oder den Neptunes zu Beats aus dem Drumcomputer angerichtet wurden. Es ist gelinde gesagt nicht sein bestes Werk.

Schon der Titel klingt wie der semilustige Witz eines Pubertären, dem gerade aufgefallen ist, dass "wood" auch Erektion bedeutet. Mit hochpoetischen Zeilen wie "I’ll be the wood when you need heat" (aus dem Lied "Supplies") lässt uns der 37-jährige Sänger und Vater eines Sohns, der nun auch mal ganz erwachsen über Familie und seine Wurzeln sinniert, trotzdem wissen, dass er das Holz (auf Englisch: timber) nicht nur im Namen trägt.

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Astreines Entertainment

Wegen des Albums, Anlass der Tour, geht aber ohnehin niemand zu Timberlake. Dem Mann, der Hits wie "Señorita", "Cry me a River" oder "Rock Your Body" zu verbuchen hat, im Wechselspiel mit Jimmy Fallon immer wieder sein komödiantisches Talent beweist, singen, tanzen und schauspielen kann, eilt sein Ruf als astreiner Entertainer voraus. Ein missglücktes Album tut dem keinen Abbruch, denn man kommt ohnehin für die Show.

Spaß und die gute Laune wird in freudiger Erwartung gleich selbst mitgebracht. Timberlake trifft also in einer sehr gut gefüllten Wiener Stadthalle auf ein dankbares Publikum in Kreischlaune. Männer und Frauen zwischen 20 und 45 Jahren und vereinzelt ein paar Kinder, die ob des Films "Trolls" mit der unerträglichen Wohlfühlnummer "Can’t stop the feeling" vertraut sind, freuen sich auf zugänglichen Pop im Flanell-Hemd, der trotz kurzem Ritt am Mikrofonständer familienfreundlich bleibt.

Lagerfeuer zwischen Baum-Attrappen

Einige karge Plastikbäume, die gerne Trauerweiden geworden wären, säumen die Bühne, die sich weit in den Publikumsraum erstreckt. Später werden Projektionen von appetitlicher Natur der Marke Macbook-Desktop-Hintergrund dazukommen. Jetzt herrscht statt High Sierra aber noch Postapokalypse. Und dann erscheinen sie endlich. Zuerst die Tennessee Kids, Timberlakes folgsame Live-Band, dann er selbst.

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Eröffnet wird mit "Filfthy", der ersten Single des Holzfäller-Albums. Justin singt davon, dass er gerne dreckige Hände auf seinem Körper spüren würde. Leider sind die Zuseher-Pfoten damit beschäftigt, die Handys hochzuhalten – so wird das mit der Orgie nichts. Ein Viertel der Songs, die in der ersten Hälfte des Konzerts zum Besten gegeben werden, stammen vom aktuellen Album, der Rest aus besseren Zeiten. Gut so.

Die relativ minimalistische Show, die neben der Live-Band inklusive Back-Up-Sängern und einigen wenigen Tänzern vor allem durch großartiges Lichtdesign glänzt, ist trotzdem energiegeladen und abwechslungsreich. Sie lebt vom fitten Justin, dem Vollprofi, dem Beherrscher der Kunstpause und Lieferanten der knappen Ansage ("Was ist los, Vienna?"), der alles und immer kann. Bei "Mirrors", zirka in der Halbzeit, ist die Luft trotzdem draußen.

Ein bisschen Ruhe für den Justin

Man darf nicht vergessen, dass Timberlake seit dem Tourstart im März fast täglich 5000 bis 30000 Fans bespaßt. Ein Lagerfeuer wird auf der Bühne errichtet, ein bisschen Ruhe sei dem Justin gegönnt. Verzichtbares folgt, bis Timberlake für "What goes around…comes around" eine Gitarre in die Hand nimmt. Ja, er beherrscht auch Instrumente. "Say Something" vom neuen Album, das Feature mit Countrysänger Chris Stapleton, das auch in Österreich eine hohe Chartplatzierung erreichte, wird fleißig mitgesungen.

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Gegen Ende der Show nimmt das Tempo noch einmal zu, Timberlake tanzt zu "Rock your Body" durchs Publikum. Die Hits "Like I Love You" und das brave "Can’t stop the Feeling" beschließen das zweistündige Spektakel. Abzüge gibt es eigentlich nur für den Sound, der stellenweise gar etwas breiig ausfiel. Sonst kann man an der Show nicht viel aussetzen und will fast mit Hubert von Goisern sagen: "Brenna tuat’s guat". (Amira Ben Saoud, 19.8.2018)