Ein Imker am Firmensitz von Apivita zeigt eine Zarge mit Waben. Propolis, eine harzartige Masse, die Bienen neben dem Honig erzeugen, ist ein häufig verwendeter Stoff in der Naturkosmetik geworden.

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Die griechische Regierung bleibt bis 2022 unter Aufsicht der Gläubiger. ESM-Chef Regling mahnt nun von den Griechen Vertragstreue ein: "Wir sind ein sehr geduldiger Gläubiger, aber wir wollen schon unser Geld zurück haben."

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Schön sein will jeder. Das ist die schlichte Wahrheit, mit der hier Geld gemacht und die verwundete Seele der Griechen geheilt wird. "Wir wachsen, weil es logisch ist", sagt der freundliche Manager über sein Naturkosmetikunternehmen. "Wer will schließlich keine Naturprodukte?"

Tasos Choukalas trägt einen silberfarbenen Haarzopf und in der Hand ein Mobiltelefon mit großem Bildschirm. Das sei sein Büro. An seinem eigenen Schreibtisch sitze er nicht gern. Er gehe lieber den ganzen Tag im Unternehmen spazieren und spreche mit den Kollegen, so versichert der 50-jährige Biologe. Jeder lerne von jedem, alle seien lieb. Das gehöre zur Wohlfühlmasche, mit der die Belegschaft hier im Südosten von Athen durch Griechenlands große Krise steuerte.

Wieder attraktiv für deutsche Investoren

Acht Jahre Sparprogramm, Milliardenkredite und Verarmung liegen hinter den Griechen. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lobt, dass das Land nun wieder an Attraktivität für deutsche Unternehmen gewinne: "Das gute Ende der europäischen Hilfsprogramme ist ein positives Signal für Griechenland selbst und die EU insgesamt."

Griechenland kann sich nun selber am Kapitalmarkt finanzieren und hat Geldreserven, die den Bedarf von 22 Monaten decken können, rechnet der EU-Stabilitätsfonds ESM vor. Mit 191 Mrd. Euro halten nun ESM und sein Vorgänger EFSF mehr als die Hälfte der griechischen Staatsschulden (55,5 Prozent). Das ist mehr als die heurige Wirtschaftsleistung (BIP) des Landes. Griechenland erspare sich dank günstiger Konditionen jährlich 12 Mrd. Euro für den Schuldendienst, das entspricht 6,7 Prozent der Wirtschaftsleistung, schreibt der ESM in einer Aussendung. Bis 2060 sollten die Hilfsmaßnahmen den Schuldenstand um rund 55 Prozentpunkte senken. Die Kredite des ESM muss Griechenland zwischen 2034 und 2060 zurückzahlen, die Kredite des EFSF von 2023 bis 2056.

Am Montag läuft der letzte Rettungskredit der Europäer aus. Danach muss Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen. Vielleicht sieht man hier im Industriegebiet von Markopoulo, zwischen Olivenbäumen und Werkshallen, wie das alles gehen soll.

Apivita heißt dieses kleine Unternehmen, das Naturkosmetik herstellt: Cremen, Shampoos, Öle, allerlei Tees. Die Biene ist das Markenzeichen, Hippokrates und sein Kräutergarten die 2500 Jahre alte Referenz aus der Antike. 40,5 Millionen Euro Umsatz machte die Firma zuletzt. Mit einem Plus wird Apivita auch aus dem letzten Jahr der "Großen Krise" gehen. So hat die griechische Zentralbank die Jahrhundertdepression getauft, die das Land umpflügte und den Zusammenhalt der Europäer auf eine schwere Probe stellte.

"Eine schöne Fahrt"

Doch genau genommen war Apivita nie in dieser Krise. Die Kosmetikfirma mit dem esoterischen Touch ist immer nur gewachsen. Zwölf bis 15 Prozent, jedes Jahr seit 2008. Während anderswo gekürzt und entlassen wurde, nahm die Zahl der Angestellten regelmäßig zu. 278 sind es jetzt. "Für uns war es eine schöne Fahrt, und sie ist endlos", sagt Choukalas, der Manager und Global-Brand-Botschafter des Unternehmens.

Der Reichtum der Natur hält die Firma am Laufen. 13.000 Pflanzenarten gibt es in Europa. Mehr als die Hälfte davon findet sich auch in Griechenland, und rund 1450 Arten gibt es nur hier. Ein unschätzbarer Wert, wie sich herausgestellt hat. Heilpflanzen sind ein Teil der Rohstoffe, mit denen im Labor von Apivita experimentiert und produziert wird; Propolis, ein Harz, das Bienen neben den Honigwaben herstellen, ist ein anderer Teil der Grundstoffe. Nichts ist gleich. "Je tiefer man hineinschaut, desto mehr findet man und kann Neues entwickeln", sagt Choukalas.

Schulklassen und Studenten werden regelmäßig durch das Unternehmen geführt, ein Hörsaal ist für die Besucher eingerichtet. Man will den jungen Griechen zeigen, dass es doch geht: Griechenland kann produzieren. Naturkosmetik ist eine Wirtschaftsnische, aber die Branche ist im Land so erfolgreich, dass sie als Modell des neuen Griechenlands nach der Krise gilt.

Was passiert ist

Vieles hat sich seit dem Beginn der drakonischen Spar- und Reformmaßnahmen im Jahr 2010 tatsächlich für Unternehmer und Investoren verändert. Der Arbeitsmarkt ist liberalisiert worden, die Gehälter sind stark gesunken, Neugründungen von Firmen sind einfacher, zählt Panos Tsakloglou auf, ein Athener Wirtschaftsprofessor und ehemaliger Generalsekretär im Finanzministerium in der Zeit der von den Konservativen geführten Regierung von Antonis Samaras (2012-2015). Große Privatisierungen vor allem im Transport- und Logistikbereich haben die Arbeit in einigen Wirtschaftsbereichen sehr viel effizienter gemacht, sagt Tsakloglou.

Eigentlich müsste nun Geld von außen nach Griechenland kommen: Immobilien und Firmen sind billig geworden, gutausgebildete Arbeitslose gibt es genug, niemand spricht mehr von Grexit und Staatsbankrott. Knapp zwei Prozent Wirtschaftswachstum werden für dieses Jahr erwartet. Trotzdem läuft es noch nicht wirklich. Die Steuern seien viel zu hoch und ein Nachteil im Wettbewerb, sagt Tsakloglou: 29 Prozent für Unternehmen in Griechenland, zehn Prozent Flat Tax im Nachbarland Bulgarien. Und die grundsätzlich unfreundliche Einstellung der linksgeführten Regierung gegenüber dem Business lähme die Wirtschaft.

Export als Lösung

Nicht so in den Nischen der griechischen Wirtschaft. Sektoren wie Biokosmetik, Gesundheits- oder Hochpreistourismus seien vorerst die Ausnahme, bestätigt Jens Bastian, ein in Athen lebender Wirtschaftsberater. Kosmetikunternehmen wie Apivita oder Korres seien Erfolgsgeschichten, weil sie sich frühzeitig auf den Export ausrichteten, sagt Bastian. Dadurch fanden sie ausländische Investoren mit Kapital, die nun das weitere Wachstum der Marken finanzieren; die katalanische Kosmetikgruppe Puig im Fall von Apivita, die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley im Fall von Korres. Aber dann gibt es da noch eine problematische Seite.

Ausländische Direktinvestitionen in Griechenland verlagerten sich in den acht Jahren der Krise von Europa weg nach Fernost, stellt Bastian fest. China ist heute der größte Kapitalgeber im Land. Chinesische Konzerne kontrollieren den Hafen von Piräus, haben Anteile am griechischen Stromnetz und wollen Kraftwerke kaufen. "Griechenland wird zum Einfallstor Chinas in Europa", sagt Bastian. Es ist die immer noch wenig verstandene geopolitische Folge von Griechenlands Finanzkrise und wie sie von den anderen Euroländern gemanagt wurde.

Die griechische Regierung wird ohnehin noch bis 2022 unter Aufsicht der Gläubiger bleiben. Im botanischen Garten auf dem Werksgelände von Apivita spielt das keine Rolle. Die Kräuter aus dem Garten des Hippokrates sind hier alle mit einem Taferl versehen. Dass die boomende griechische Kosmetikbranche an die Antike angeknüpft hat, produziert auch nationalen Stolz. Die Lösung für Griechenlands Krise, so lautet die Botschaft, heißt: Griechenland. (mab, 19.8.2018)