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Das griechische Sparprogramm ist zu Ende.

Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis

Nein, es läuft nicht alles schlecht in Griechenland, selbst wenn das die Kritiker der europäischen Sparprogramme nicht wahrhaben wollen. Die Wirtschaft wächst moderat, die Arbeitslosigkeit sinkt, und griechische Unternehmen exportieren nun auch abseits von Feta und Ouzo endlich mehr Produkte ins Ausland. Griechenland steht seit dieser Woche finanziell erneut auf eigenen Füßen, das europäische Notkreditprogramm ist zu Ende. Und die Griechen zahlen weiter mit Euro, die Turbulenzen, die ein Austritt aus der Gemeinschaftswährung ausgelöst hätte, sind den Menschen erspart geblieben.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass die acht Jahre dauernden Spar- und Reformprogramme, die das Land unter Aufsicht der übrigen Euroländer, der EU-Kommission und zu Beginn des Internationalen Währungsfonds (IWF) absolvieren musste, tiefe Narben hinterlassen haben.

Deutlich sichtbar ist das an der griechischen Gesellschaft selbst. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent, bei den unter 25-Jährigen haben sogar unglaubliche 42 Prozent keine Arbeit. Der große Teil einer ganzen Generation ist ohne Job und absolviert obendrein keinerlei Ausbildung. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist seit 2008 um ein Viertel gefallen. Stellen Sie sich vor, Sie verlieren über Nacht ein Viertel ihres Einkommens. Können Sie ihre Wohnung behalten, das Auto, was ist mit einmal auf Urlaub fahren? Das gibt einen Eindruck davon, wie tiefgehend die Misere war. Bis Griechenland in der Armutsstatistik wieder den europäischen Durchschnitt erreicht, werden noch viele Jahre vergehen.

Verantwortung ruht auf vielen Schultern

An dieser Entwicklung sind zunächst die Griechen schuld, weil sie jahrelang Regierungen gewählt haben, die nichts dagegen unternahmen, dass das Land über seinen Verhältnissen lebte. Regierung und Finanzaufseher haben der rasant wachsenden privaten wie öffentlichen Verschuldung vor Ausbruch der Finanzkrise nichts entgegengesetzt. Griechenland ist es zudem nie gelungen, eine gut funktionierende Steuerverwaltung und Bürokratie aufzubauen.

Doch eine Verantwortung für das Desaster tragen auch die EU-Kommission und die übrigen Euroländer. Sie haben Griechenland nach Krisenausbruch in einen zu schnellen und zu steilen Sparkurs gedrängt, der die Wirtschaft abgewürgt hat. Das sagen nicht irgendwelche linksalternativen Ökonomen, das sagt der Internationale Währungsfonds inzwischen bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Die EU hat dogmatisch auf Einsparungen bestanden, obwohl es möglich gewesen wäre, die Kur milder zu verabreichen.

Keine Selbstkritik in Europa

Das Problem ist, dass es in den EU-Institutionen keinen selbstkritischen Diskurs gibt. Der IWF hat vor fünf Jahren mit der Aufarbeitung der eigenen Verfehlungen in Griechenland begonnen und eine lange Liste von Fehlern öffentlich und transparent analysiert. Von den Europäern kommt dagegen so gut wie nichts. Damit verpasst Europa eine Chance, es bei der nächsten Krise besser zu machen, und schleppt die alten Fehler mit. Das ist die zweite Narbe, die bleibt.

Die dritte bleibende Narbe betrifft das innereuropäische Gefüge. Acht Jahre der Sparprogramme haben nationale Feindbilder in Europa entstehen lassen und verstärkt. In Nordeuropa grassiert das Bild vom "faulen Pleitegriechen", der nicht wirtschaften kann und ständig Hilfe braucht. Abfällige Zuschreibungen betreffen längst nicht nur Griechenland, sondern auch Italien und Spanien. Als Pendant dazu hat sich in den Mittelmeerländern eine veritable Deutschland-Feindschaft entwickelt. All das ist ein wahres Gift für die innereuropäischen Beziehungen.

Doch diese Nord-Süd-Gegnerschaft besteht aus vielen falschen Zuschreibungen. Ja, der Norden hat Milliardenkredite für Südeuropa in der Krise lockergemacht. Doch der Norden profitiert genauso wirtschaftlich von den südlichen Ländern, etwa in Form des jahrelangen enormen Exportüberschusses Deutschlands mit der Region. Zudem stellt sich mit den Niederlanden ein nordeuropäisches Land für global tätige Unternehmen wie Google und Starbucks als Steueroase zur Verfügung und saugt so immense Einnahmen ab. In den Diskussionen darüber, wer in Europa Gläubiger und Schuldner ist und wer für wen zahlt, wird darüber nur selten gesprochen.

Wenn Europa die Wirtschaftskrise auch politisch hinter sich lassen will, muss mit den Feindbildern und Stereotypen Schluss sein. Das Endes des Griechenland-Programms ist ein guter Anlass, um damit anzufangen. (András Szigetvari, 20.8.2018)