Günther Platter fordert mehr Föderalismus und lobt zugleich das gute Verhältnis zur Bundesregierung.

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Die ÖVP-regierten Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg bilden die Westachse, die zuletzt mit Kritik am Kurs der Bundesregierung aufhorchen ließ. Von einem getrübten Verhältnis zu Wien will Tirols Landeshauptmann Günther Platter dennoch nichts wissen. Er setzt auf die Unterstützung des Kanzlers bei der Forderung nach mehr Föderalismus, besonders in den Bereichen Steuern und Bildung.

STANDARD: Sie gelten als Wortführer der sogenannten Westachse, also der Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Gibt es diese Achse wirklich, und welche Rolle spielt sie auf Bundesebene?

Platter: Wann immer der Begriff Westachse fällt, spürt man, dass in Wien der Blutdruck steigt. Ja, es gibt sie. Weil wir in unseren westlichen Bundesländern ganz andere Notwendigkeiten haben als in den östlichen. Dass wir drei Landeshauptleute, die wir uns auch privat sehr gut verstehen, das eine oder andere einfordern, ist eben unser Job.

STANDARD: Man hat aber nicht unbedingt das Gefühl, dass Sie auch gehört werden. Das neue Standortentwicklungsgesetz wird von Experten etwa als Entmachtung der Länder gewertet.

Platter: Der größte Fehler in der Föderalismusdebatte ist, wenn man sich nur mit einem isolierten Thema auseinandersetzt. Ich war von Beginn an ein Befürworter, dass sich der Bund mit den Umweltverträglichkeitsprüfungen auseinandersetzt.

STANDARD: Sie haben kein Problem damit, wenn der Bund eigenmächtig Projekte priorisieren kann, die dann umgesetzt werden?

Platter: Das wird so sein wie bisher, dass man das auf Augenhöhe debattiert und gemeinsam die richtigen Beschlüsse fasst. Mir geht es bei der Föderalismusdebatte aber nicht nur um ein einzelnes Thema. Sobald etwa die Bildungsdirektionen eingerichtet sind, will ich, dass alles, was die Lehrer- und Liegenschaftsverwaltung betrifft, vom Bund in die Zuständigkeit der Länder wandert.

STANDARD: Also eine Art Gegengeschäft der Kompetenzen?

Platter: Nein, es braucht keine Gegengeschäfte, sondern nur Vernunft. Es geht um Subsidiarität. Was die kleinste Einheit am besten kann, soll sie auch machen.

STANDARD: Schlägt Ihr jüngster Vorschlag der Steuerautonomie für die Länder in dieselbe Kerbe?

Platter: Ja, natürlich, und ich habe gewusst, dass einige Bundesländer damit weniger Freude haben werden. Es kann sich jeder selbst ein Bild machen, warum.

STANDARD: Auf Bundesebene gab es bisher aber kaum Reaktionen auf Ihre beiden Ideen bezüglich Bildung und Steuern. Werden Sie in Wien nicht wirklich gehört?

Platter: Das stimmt so nicht. Das Standortentwicklungsgesetz war zum Beispiel eine Initiative der Länder und wurde von mir persönlich forciert. Wir haben die Beschlüsse gefasst, der Bund erledigt die Umsetzung – so soll es sein.

STANDARD: Das Verhältnis zur Bundesregierung ist also gut?

Platter: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist gut, aber logischerweise gibt es unterschiedliche Interessenlagen. Dazu muss man sich miteinander austauschen. Genau das passiert auch. Die Regierung arbeitet, und ich bin ein großer Befürworter von Sebastian Kurz. Ich habe ja schließlich meinen Anteil daran, dass er so weit gekommen ist.

STANDARD: Vom Koalitionspartner FPÖ kam zuletzt aber viel Kritik an der "zu schwarzen Tiroler VP", namentlich an AK-Präsident Erwin Zangerl und Landesrätin Beate Palfrader, die wegen ihrer Vorbehalte gegenüber der Regierung gar als Störfaktoren bezeichnet wurden.

Platter: Ich reagiere nicht auf einzelne Rülpser, die nur dazu dienen, im Sommer vorzukommen.

STANDARD: In Tirol hielten Sie die FPÖ für nichtregierungsfähig, ist sie das auf Bundesebene schon?

Platter: Die Freiheitlichen waren in Tirol personell nicht in der Lage, in eine Koalition einzutreten. Schwarz-Grün war mir die liebste Variante für das Land. Im Bund funktioniert die Zusammenarbeit mit der FPÖ, wie ich aus Gesprächen mit Sebastian Kurz weiß. Also sind wir froh.

STANDARD: In Tirol hat Ihre grüne Stellvertreterin Ingrid Felipe zuletzt mit der Drohung für Aufsehen gesorgt, den Gletscherzusammenschluss Pitz- und Ötztal zu stoppen. Ist das der erste Koalitionsstreit?

Platter: Diese Angelegenheit habe ich bereits mit ihr geklärt. Die Gletscherehe ist Teil des Koalitionsübereinkommens, und in das laufende Verfahren wird nicht eingegriffen.

STANDARD: Beim Thema Wohnen sorgte der grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi mit der Forderung einer Baulandrückwidmung für Aufsehen. Manche Ihrer Parteikollegen sehen dahinter eine Enteignung der Grundbesitzer, Wohnlandesrätin Palfrader kann der Idee hingegen einiges abgewinnen. Nur Sie haben sich bisher nicht dazu geäußert. Warum?

Platter: Wenn es eine Gemeindekompetenz ist, wird sich ein Landeshauptmann nicht dazu äußern. Das sollen sie sich in Innsbruck selber ausschnapsen.

STANDARD: Aber im Herbst will das Land seine Pläne zum Thema Wohnen vorstellen, und Palfrader sagte, solche Rückwidmungen seien für sie grundsätzlich denkbar?

Platter: Ich will hier nicht einzelne Punkte herausnehmen. Wir bereiten uns inhaltlich gerade vor und werden bei der Regierungsklausur im Herbst ein Maßnahmenpaket vorstellen.

STANDARD: Ein weiteres Thema, über das Sie bisher geschwiegen haben, ist die Abschiebung von Lehrlingen. Andere Landeshauptleute haben bereits Stellung bezogen, warum Sie nicht?

Platter: Ich richte prinzipiell weder meinen Nachfolgern im Verteidigungs- noch im Innenministerium etwas über die Medien aus.

STANDARD: Beim Transit sind Sie weniger zurückhaltend. Für 2019 haben Sie wieder 30 Blockabfertigungen angekündigt. Wobei Sie selbst sagen, dass dadurch kein Lkw weniger durch Tirol fährt. Gibt es Lösungen für das Problem?

Platter: Die Blockabfertigung ist eine Notmaßnahme, um völligen Verkehrsstillstand zu vermeiden. Wichtig ist, den Umwegtransit zu bekämpfen. Dazu müssen wir die Lkw-Maut in Bayern, Südtirol und Trentino auf Tiroler Niveau anheben. Südtirol und Trentino sehen das ähnlich, aber Bayern, das verkehrspolitisch in den 1980ern steckengeblieben ist, wird sich vor der Wahl im Oktober nicht bewegen. Verkehrsminister Norbert Hofer prüft indes, inwieweit der Preis für Lkw-Diesel erhöht werden kann, ohne Pendler zu belasten. Und die Asfinag hat für bessere Lärmschutzmaßnahmen in Tirol zu sorgen, wir zahlen genug Geld dafür nach Wien.

STANDARD: Ein anderes drängendes Tiroler Verkehrsproblem besteht am Fernpass. Wie konkret sind dort die Pläne für Lösungen?

Platter: Wir haben pro Jahr 50 und mehr Tage mit komplettem Verkehrsstillstand am Fernpass. Dass uns Nichtstun hier ebenso wenig weiterbringt wie eine Autobahn, das haben wir in den letzten Jahrzehnten bei der Transitfrage gesehen. Daher bleibt nur die dritte Variante mit dem Fernpassscheitel- sowie dem Tschirganttunnel. Die Planungen dafür laufen bereits.

STANDARD: Bei den Tiroler Festspielen in Erl gab es zuletzt Diskussionen wegen der Belästigungsvorwürfe gegen den künstlerischen Leiter Gustav Kuhn. Hätte das Land als Stiftungsmitglied hier schneller und anders reagieren sollen?

Platter: Landesrätin Beate Palfrader vertritt das Land Tirol im Stiftungsvorstand und leistet gute Arbeit. Sie hat immer betont, dass es volle Aufklärung ohne Scheuklappen geben muss. Der Rückzug von Gustav Kuhn, bis es eine vollständige Aufklärung gibt, war gut und notwendig. (Steffen Arora, 21.8.2018)