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Aretha Franklin 1973 – die Königin der Soul Music bei sich zu Hause in Detroit.

Foto: AP

Wer drei Soulalben besitzt, hat wahrscheinlich eines von Aretha Franklin – oder übt noch. Die letzte Woche verstorbene Queen of Soul ist als Weltstar eigentlich kein Sujet für Unknown Pleasures. Andererseits ist so ein Blog ja ein Predigtdienst und Arethas Kunst so zeitlos, dass sie immer wieder zu entdecken ist. Dieser Eintrag ruft ein paar Songs in Erinnerung, in denen Franklins Genie besonders hell leuchtet.

Ihr erstes Album erschien 1961. John Hammond von Columbia Records hatte sie unter Vertrag genommen. Der war der A&R-Mann hinter Verträgen mit Bessie Smith, Billie Holiday oder Bob Dylan, also kein Nobody im Geschäft. Er wollte aus Aretha einen Crossover-Star machen; eine schwarze Sängerin, die am weißen Markt reüssieren konnte. Ein Jahr zuvor hatte das Label Motown in Detroit genau mit dieser Agenda begonnen.

Im Falle Franklins ist eine Reihe von okayen Alben herausgekommen, die aber insgesamt zu lasch und anbiedernd ausgefallen sind, zu lulujazzig stellenweise. Jerry Wexler hat sie dann 1967 zu Atlantic geholt. Es war die hohe Zeit der Soul Music. Motown produzierte Hits wie am Fließband, enge Freunde Franklins wie Smokey Robinson wurden dort Stars, sie selbst war willig und hungrig, mit diesen gleichzuziehen.

Stax winkte ab

Zuerst wollte Wexler Franklin dem Stax-Label in Memphis anvertrauen und bloß den Vertrieb ihrer Alben übernehmen, doch Jim Stewart winkte ab. Also hatte der vielbeschäftigte Wexler auch noch Franklin zu produzieren. Zuerst überlegte er, sie in New York aufzunehmen, Franklin lebte damals im Big Apple.

Doch er besann sich und nahm sie mit nach Muscle Shoals in Alabama, ins tiefe Jim-Crow- und Ku-Klux-Klan-Land. Es gibt einige Geschichten, in denen böse Buben wie Wilson Pickett weiche Knie bekommen haben, als sie dort zum ersten Mal auftauchten, oder in ihnen die Wut hochkochte, wenn sie an Baumwollfeldern vorbeifuhren, auf denen ihre Brothers und Sisters weiße Büschel pflückten wie in den dunkeln Zeiten der Sklaverei.

Schauen, was passiert

Dort mittendrin nahm Wexler auf – mit einer Band, die aus lauter Weißen bestand, aus genialischen Landeiern wie Donnie Fritts, Spooner Oldham, Dan Penn, Eddie Hinton, Roger Hawkins, Jimmy Johnson und anderen mehr.

Wexler setzte Franklin ans Klavier und ließ die Band dazu improvisieren. Das war es, was der New Yorker unten in Dixie gelernt hatte. Nicht Notenblätter verteilen, sondern schauen, was passiert, wenn man die Dinge laufen lässt.

Das zeitigte beim ersten Versuch mit Franklin gerade einmal eineinhalb Songs. Dann gerieten Franklins Ehemann Ted White und Produzent und Studiobesitzer Rick Hall aneinander, White und Franklin reisten am nächsten Tag ab. Zukünftig würde die Studioband nach New York fliegen, um Franklins Alben mit Southern Vibes zu versehen.

Schwarzes Rolemodel

In den nächsten Jahren zauberten sie mit ihr. Aretha wurde zum Superstar, ein schwarzes Rolemodel, eine schwarze Feministin, eine Stimme der Bürgerrechtsbewegung, eine selbstbewusste Afroamerikanerin – die Queen of Soul.

Vieles von ihr ist dokumentiert, ein bisserl etwas geht aber fast bei jedem Künstler noch. 2007 erschien eine Doppel-CD mit Raritäten, Outtakes und unveröffentlichtem Material aus den Atlantic Sessions. Davon stammt das erste Video. It Was You. Eine Deep-Soul-Perle, ein Outtake von Aretha Arrives, ihrem zweiten Album für Atlantic. So ein Song hat es damals nicht aufs Album geschafft, das muss man sich einmal vorstellen.

It Was You aus dem Jahr 1967.
Francesco Bonati

Drei Jahre später erschien Franklins Album This Girl's In Love With You – eines ihrer besten. Darauf singt sie eine Coverversion von The Weight – von The Band, und Duane Allman spielt dazu Gitarre, bistdudeppert.

Duane Allman und Aretha Franklin kümmern sich um einen Song von The Band.
Vincent George

Dasselbe Album eröffnet die Daughter of a Preacherman mit einer Version von Dusty Springfields Son Of A Preacherman. Wie sie da in der Mitte dieses dramatische Break macht, das kommt unmittelbar aus der Kirche, aus der Dramatik der Predigt. Darum ihr "Hallelujah!". Killt mich jedes Mal.

Aretha Franklin - Topic

Apropos Kirche: 1972 nahm der Superstar Franklin ein Gospelalbum auf: Amazing Grace. Es führte einem Millionenpublikum vor, woher Soulpower ursprünglich kommt. Die Linernotes zu dem Album verfasste John Hammond von Columbia, wohl mit leichtem Sodbrand. Es ist ein Livealbum, auf dem John Cleveland mit dabei ist, ein berühmter Prediger und Gospelstar.

Am Cover lehnt Franklin an der Mauer der Kirche. In afrikanischer Folklore öffnete sie einem weißen Publikum die Tür zu den schwarzen Kirchen. Wer angesichts von How I Got Over nicht gerührt ist ...

How I Got Over – Gospel-Ekstase mit dem Southern California Community Choir.
robbieatnsudotcom

Regisseur Sidney Pollack hat damals eine Doku über die Aufnahmen dieses Albums gedreht, doch erst 2016 wurde der Film erstmals präsentiert. Hier ist der Trailer.

Sidney Pollack hat 1972 eine Doku zu Amazing Grace gedreht.
TIFF Trailers

Einer meiner Lieblingssongs ist der Opener von Franklins 1970 erschienenem Album Spirit In The Dark, einem Killeralbum. Den Anfang macht Don't Play That Song For Me. Im Jahr darauf erschien das Album Live At Fillmore West, auf dem sich das Lied in einer Liveversion befindet. Das Video davon zeigt Ree in Aktion, am Keyboard, unpackbar.

Don't Play That Song For Me – doch, spiel ihn. Und wieder und wieder!
Aretha Franklin on MV

Weil Motown schon Thema war, möchte ich einen Song hier mit reinnehmen, den jeder kennt, der bis hierher gekommen ist: You Keep Me Hangin' On. Ein Um-den-Finger-gewickelt-Klassiker aus der Songschmiede von Holland–Dozier–Holland. Ein Song, den die Supremes berühmt gemacht haben und der dutzende Male gecovert wurde. Von Lee Hazlewood bis zu Phil Collins, von Kim Wilde bis zu Tim Buckley. Franklins Version ist von der CD mit den Outtakes – war damals ebenfalls nicht gut genug.

Ein Klassiker von den Supremes in der Version der Königin: You Keep Me Hangin' On.
Aretha Franklin - Topic

Nachdem Wexler 1975 zu Warner ging, hat Franklin Alben mit Curtis Mayfield produziert. Eigentlich ein Dreamteam, doch die Ergebnisse waren durchwachsen. Aber zumindest der Song hier ist pures Gold, Aretha-Gold: Something He Can Feel. Er stammt von dem (Soundtrack-)Album Sparkle.

Something He Can Feel vom Album Sparkle. Feingliedriger Soul – ein echter Mayfield.
funkpunkandroll

Zum Abschluss something completely different. Alles hier bisher Präsentierte stammte aus den kreativ wohl ertragreichsten Atlantic-Jahren. In den 1990ern hat Aretha Franklin in einer längeren Veröffentlichungspause einen House-Song aufgenommen, samt Remixen und Zeugs wurde das als Dreifach-Maxi veröffentlicht.

Für jemanden, der in Detroit aufgewachsen war und lebte, war das ohnehin naheliegend. Der Track A Deeper Love zeigt Franklin in Topform. Gleichzeitig schließt sich hier ein Kreis. Schließlich entstammt der House-Rhythmus den marschierenden Beats des Gospel. Ree in Topform. (Karl Fluch, 21.8.2018)

House-Wumme mit Aretha Franklin. A Deeper Love aus dem Jahr 1993.
ArethaFranklinVEVO