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Papst bekämpft Missbrauch lediglich halbherzig. Vielfach wurden Ankündigungen zur Aufklärung nicht umgesetzt.

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Rom – Angesichts des Ausmaßes des Missbrauchsskandals innerhalb der Diözesen des US-Bundesstaats Pennsylvania hat sich der Papst Anfang der Woche mit starken Worten an die Gläubigen gewandt. In einem "Brief an das Volk Gottes" sprach das katholische Kirchenoberhaupt von einem "Verbrechen, das tiefe Wunden des Schmerzes und der Ohnmacht erzeugt", und davon, dass diese Wunden nie verjährten. Gleichzeitig übte Franziskus Selbstkritik: "Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen, und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten, der sich in so vielen Menschenleben auswirkte. Wir haben die Kleinen vernachlässigt und alleingelassen." Die päpstliche Selbstkritik ist durchaus berechtigt. Franziskus hatte schon kurz nach seiner Wahl zum Papst im Frühjahr 2013 angekündigt, die bereits von seinem Vorgänger Benedikt XVI. eingeleitete Null-Toleranz-Politik gegenüber dem sexuellen Missbrauch durch Kleriker in aller Entschlossenheit fortzusetzen.

Vertuschungskultur

In der Praxis ist wenig passiert: Die vom Papst angeprangerte "anomale Verständnisweise von Autorität in der Kirche" und die Vertuschungskultur in zahlreichen Diözesen konnte fortbestehen. Der Grund für die zögerliche Aufarbeitung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs sind diesmal nicht konservative oder pädophile Seilschaften in der Kurie von Rom, welche griffige Maßnahmen verhindert haben. Das Problem ist der Papst selber.

Zwar hat Franziskus eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge zum Schutz von Kindern ausarbeiten sollte; gleichzeitig hat er die Schaffung eines Sondertribunals versprochen, das Geistliche im Fall von Vertuschung zur Rechenschaft ziehen soll. Doch die Kommission hat in den ersten vier Jahren kaum getagt; zwei ihrer Mitglieder, die in ihrer Jugend selber Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester geworden waren, sind ausgetreten. Sie werfen der Kommission "Untätigkeit" vor. Und auf die Schaffung eines Sondertribunals zur Verfolgung von fehlbaren Priestern und von Bischöfen und Kardinälen, die sich der Vertuschung schuldig gemacht haben, wartet man bis heute.

Oft nur Lippenbekenntnisse

"Bei den meisten der angekündigten Maßnahmen handelt es sich um Lippenbekenntnisse", erklärte der italienische Vatikan-Experte Emiliano Fittipaldi, der im vergangenen Jahr das Buch Lussuria ("Wollust") veröffentlichte, in welchem er sich mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche beschäftigte. Fittipaldi wies anhand von Gerichtsakten, Briefen und lokalen Zeitungsberichten nach, dass die im Vatikan für die Missbrauchsfälle zuständige Glaubenskongregation in vielen Fällen weiterhin ihre Zusammenarbeit mit den zivilen Ermittlungsbehörden verweigert und interne Dokumente unter Verschluss hält. Oft würden Priester, die sich an Minderjährigen vergangen haben, bloß versetzt statt exkommuniziert und gerichtlich bestraft werden. (straub, 21.8.2018)