Richard Strebinger schützt seinen Kopf aus reiner Vorsicht. An seine Handschuhe lässt der Rapidler niemanden heran.

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Es gibt das Klischee, dass Torhüter einen leichten Pascher, Spleen, Knall oder Tick haben. Rapids Goalie Richard Strebinger hält sich im Prinzip für "normal", "sozial", "kommunikativ", allerdings kann er schon durchdrehen. "Mit meinen Handschuhen bin ich extrem heikel, die darf keiner angreifen. Sogar der Zeugwart darf sie nur nach meinen Anweisungen waschen." Der 25-Jährige lebt gut mit dieser Marotte, er nimmt keine Medikamente dagegen, es gibt auch keine, die Pharmaindustrie forscht auf anderen Gebieten. Er sei eben ein gründlicher Mensch. "Ein Musiker sollte auch auf sein Instrument schauen."

Richard Strebinger hat sich gemausert. Er ist die Konstante im fragilen Gebilde namens Rapid. Der Fels in der Brandung, der Ruhepol im Lärm, das Licht in der Dämmerung. Finsternis wäre ein bisserl übertrieben. Obwohl fünf Zähler in der Meisterschaft nach vier Runden "viel zu wenig sind".

"Keine Limits"

Tormanntrainer Helge Payer kümmert sich seit zwei Jahren um Strebinger. "Man kann bei ihm nicht absehen, wie weit es geht. Er scheint keine Limits zu haben, das macht ihn außergewöhnlich."

Rückblick: Normalerweise stehen die Patscherten, die Bladen, jene, die beim Wählen übrig bleiben, im Tor. Kinder können unbarmherzig sein. Richard passte nicht ins Bild, er war immer schon groß und schlank, sein Wachstum hat bei 1,95 Metern aufgehört. "Mich hat immer das Tor interessiert." Er stammt aus Wiener Neustadt, mit einer Sozialschmonzette vom armen Buben, der sich den Ball aus Abfallresten basteln musste, kann er nicht dienen. Der Vater Rechtsanwalt, die Mutter arbeitet in der Kanzlei. Logischerweise sind die Eltern nicht gerade vor Freude in die Neustädter Luft gesprungen, als der Sohn darauf bestanden hat, Fußballer zu werden. "Ich war zehn, meine Mutter holte mich vom Training aus Piesting ab, ich war voll Gatsch, machte das Auto dreckig." Jedenfalls hat der Schmutzfink einen epochalen Satz gesprochen. "Mama, ich bin jetzt Tormann."

Club 83 Wiener Neustadt, dann AKA St. Pölten, mit 15 wechselte er in den Nachwuchs von Hertha BSC – Richard allein in Berlin. "Ich wurde selbstständig. Natürlich war es nicht einfach. Vor allem in schlechten Phasen kam das Heimweh." 2012 Wechsel zur zweiten Mannschaft von Werder Bremen, in der ersten hat er es auf zwei Einsätze gebracht. 2015 rief Rapid, Strebinger ("Ich war immer Rapid-Fan") hat sich mittlerweile bis 2022 gebunden. Sportvorstand Fredy Bickel bezeichnet ihn "als absoluten Führungsspieler, auf den man hört". Das mit dem Hören ist freilich im Allianz-Stadion nicht so einfach. "Bei der Stimmung erreicht man maximal die Innenverteidiger." Am Sonntag in Pasching gegen den LASK war er aufgrund des Ausfalls von Stefan Schwab Kapitän, er vermochte das 1:2 nicht zu verhindern.

Alles ist möglich

Strebinger, der im Mai erstmals ins Nationalteam einberufen wurde, hat einen Leitsatz: "Aus Glaube wird Wirklichkeit." Er präzisiert das: "Du musst in der Lage sein, andere und dich selbst zu überraschen. Die Ziele können gar nicht hoch genug sei. Es ist immer mehr möglich, als du glaubst."

Seit einem Trainingsunfall (kleiner Bruch, Verletzung des Innenohrs) trägt er einen Kopfschutz, er erinnert optisch an den großen Petr Cech. Mit billiger Nachahmung hat das nichts zu tun, zumal Strebingers Vorbild Gianluigi Buffon ist. "Reine Vorsichtsmaßnahme, es gibt Sicherheit, ich gehe aggressiver in Zweikämpfe."

Rapid sagt er, stecke nicht in der tiefen Krise. "Es geht halt hier emotionaler zu. Was uns fehlt, ist sicher ein ganz großer Kader. Fällt Schwab aus, kann ihn keiner ersetzen." Probleme gehörten intern angesprochen. "Auch 19-Jährige sollen den Mund aufmachen. Ein Kind darf ja auch sagen, dass ihm das Essen nicht schmeckt."

Glaube an Aufstieg

Strebinger ist Vater von zwei Buben (drei und eins), die haben sich über die Kost noch nie beschwert. Er selbst hat seine Ernährung radikal umgestellt, verzichtet auf Zucker und Fleisch. "Tut mir gut." Strebinger hat in der Matchvorbereitung keine Rituale. "Die verursachen Stress. Hörst du immer einen bestimmten Song und hast dann die Kopfhörer vergessen, wirst du panisch."

Er glaubt an den Aufstieg gegen Steaua Bukarest (offiziell FCSB), an den Einzug in die Gruppenphase der Europa League. Die Wirklichkeit, der erste Teil davon, wird am Donnerstag um 20.30 Uhr im Allianz-Stadion angepfiffen. Richard Strebinger bringt seine Handschuhe selbst mit. (Christian Hackl, 22.8.2018)

Europa-League-Playoff, Hinspiel, Donnerstag

SK Rapid Wien – Steaua Bukarest
Allianz-Stadion, 20.30 Uhr, live ORF 1, SR William Collum (SCO)

Mögliche Aufstellungen:

Rapid: Strebinger – Potzmann, Sonnleitner, Barac, Bolingoli – D. Ljubicic, Schwab/Martic – Murg, Knasmüllner, Berisha – Alar

Ersatz: Knoflach – Müldür, Auer, Thurnwald, Ivan, Guillemenot

Es fehlen: Hofmann, Dibon, Pavlovic, Mocinic, Szanto (alle rekonvaleszent/im Aufbautraining), Schobesberger (Hüfte), Gartler (Kahnbeinbruch)

Fraglich: Schwab (Knieprobleme)

Steaua: Balgradean – Benzar, Planic, Balasa, Stan – Filip, Pintilii – Man, Teixeira, Roman – Gnohere

Ersatz: Vlad – Momcilovic, Jakolis, Morutan, Nedelcu, Popescu, Coman, Rusescu

Es fehlen: Junior Morais, Tanase (beide gesperrt)

Rückspiel am 30. August (20.30 Uhr MESZ) in Bukarest, der Aufsteiger steht in der Europa-League-Gruppenphase.