Der ÖGB hat sich mit dem neuen Gesetz abgefunden. Statt Massenprotesten wie Ende Juni in Wien will die Gewerkschaft den Zwölfstundentag via Kollektivvertrag bekämpfen.

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Im Kampf gegen den neuen Zwölfstundentag bringen die Gewerkschaften eine Straßenwalze in Stellung. Nein, nicht bildlich gesprochen: Am 31. August, also am Tag bevor das von Türkis-Blau beschlossene Arbeitszeitgesetz in Kraft tritt, will die Privatangestelltengewerkschaft GPA auf dem Wiener Stubenring vor dem Sozialministerium mit einer Walze Kartons plattmachen. Auf sie sollen Schlagworte wie Gesundheit, Freizeit oder Überstundenzuschläge geklebt sein. "Drüberfahren" wie die Regierung, so das Motto.

Solche PR-Aktionen sind der einfachere Teil in der Gewerkschaftsstrategie. Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen für den schwierigen Part: Die ÖGB-Führung möchte in den Lohnverhandlungen, die am 20. September bei den Metallern starten, eine Kompensation von den Arbeitgebern im Gegenzug für das Arbeitszeitgesetz. Am 18. September werden deshalb die Kollektivvertragsverhandler aller Teilgewerkschaften in der Meta-Stadt, einer ehemaligen Fabrik in Wien-Stadlau, zusammenkommen. Damit werden erstmals in der Geschichte des ÖGB "gemeinsame Positionen" für die Lohnverhandlungen festgelegt, wie ein Gewerkschafter sagt.

Schwierige Koordination

Die sieben Teilgewerkschaften des ÖGB verhandeln ihre Lohnabschlüsse separat. Für eine enge Abstimmung untereinander gibt es jedoch praktische Hürden. "Die Ausgangslage in den einzelnen Branchen ist viel zu unterschiedlich, um mit einheitlichen Forderungen in die Lohnverhandlungen zu gehen", sagt Peter Schleinbach, Leiter der Kollektivvertragspolitik in der Produktionsgewerkschaft Proge. Was er nicht sagt: Die einzelnen Gewerkschaften sind unterschiedlich stark. Wenn die Metaller etwas durchsetzen können, heißt das nicht, dass das zum Beispiel auch den Handelsangestellten gelingt, was eine Abstimmung erschwert.

Ziel soll sein, dass die Genossen ihre Forderungen wenigstens auf einheitliche Themen konzentrieren. Die Gewerkschaften werden versuchen, in den Kollektivverträgen (KVs) festzuschreiben, wie lange vorher Mitarbeiter erfahren müssen, dass eine elfte und zwölfte Stunde anfallen soll, Stichwort Planbarkeit. Für die Nichteinhaltung der Regeln will man Sanktionen fordern, sagt der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz.

Sechste Urlaubswoche

Als zweites großes Thema will man Maßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung forcieren. Gemeint ist damit die Forderung nach einem Recht auf die Viertagewoche und nach einem Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche. Aktuell gibt es diesen Anspruch in der Privatwirtschaft erst nach 26 anrechenbaren Arbeitsjahren.

Der dritte Punkt betrifft eine Absicherung der Freiwilligkeit: Bisher waren die elfte und zwölfte Arbeitsstunde nur unter strikten Auflagen erlaubt. In Betrieben mit Betriebsrat musste es eine Vereinbarung geben. Diese Voraussetzung entfällt künftig.

Doch das neue Gesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer die elfte und zwölfte Stunde ohne Angabe von Gründen ablehnen können. In den KVs könnte eine verpflichtende Einbindung der Betriebsräte festgeschrieben werden, um dieses Ablehnungsrecht zu stärken, sagt Karl Dürtscher, Chef der Privatangestelltengewerkschaft. Dürtscher: "Die gute Wirtschaftslage, der Anstieg der Wertschöpfung, hat dafür gesorgt, dass es genug Verteilungsmasse für Unternehmen und Arbeitnehmer gibt. Doch durch das Arbeitszeitgesetz werden die Lohnverhandlungen schwer."

Geschmalzene Forderung

Wenig Freude gibt es über die Begehrlichkeiten bei den Gewerkschaften aufseiten der Arbeitgeber. Der Geschäftsführer des Fachverbandes der Metaller in der Wirtschaftskammer, Berndt-Thomas Krafft, sagt: "Es ist ärgerlich, wenn man die KV-Runde als Basis für Parteipolitik nutzt." Das neue Arbeitszeitgesetz berühre bestehende KVs nicht und es gebe bei den Metallern unzählige Regelungen, die den Arbeitnehmern flexible Dienstzeiten erlauben und genaue Regelungen für Überstunden und Höchstarbeitszeit treffen. Krafft verweist zudem auf bestehende Regelungen in den KVs der Metaller, die eine Viertagewoche ermöglichen. Er sieht keinen Anlass für Kompensationsforderungen.

Hineinspielen wird das Arbeitszeitgesetz laut Metallergewerkschaft auch in Lohnfragen. In den auslaufenden Betriebsvereinbarungen zur elften und zwölften Stunde haben Arbeitnehmer oft Extrazuschläge herausgeholt. In Fällen, wo der KV diese nicht ohnehin auch vorsieht, will die Gewerkschaft als Gegenleistung für entfallende Überstundenzuschläge mehr Lohn einfordern.

Die Forderungen der Metallarbeitnehmer werden jedenfalls "geschmalzen" ausfallen, wie ein Spitzengewerkschafter sagt. (András Szigetvari, Luise Ungerboeck, 23.8.2018)