Baustelle Sozialpolitik: Die Regierung lud zum Sozialpartnergipfel.

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Wien – Den Donnerstagvormittag hatte sich die türkis-blaue Regierung für ein Treffen mit den Sozialpartnern freigehalten: Mit ihnen wollte sie besprechen, was bei den Sozialversicherungen und insbesondere in der Gesundheitspolitik geplant ist – obwohl zentrale Reformpunkte bereits festgelegt sind.

An dem "Sozialversicherungsgipfel" nahmen von Regierungsseite Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (beide FPÖ) sowie der türkise Sozialsprecher August Wöginger teil. Die Sozialpartner waren mit ihren Präsidenten Renate Anderl (Arbeiterkammer), Wolfgang Katzian (ÖGB), Harald Mahrer (Wirtschaftskammer) und Josef Moosbrugger (Landwirtschaftskammer) vertreten. Eingeladen war auch der Vorsitzende des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach.

Nicht eingeladen war jedoch die Ärztekammer, zu deren großer Verärgerung. Die Nichteinladung der Ärzte begründete Kurz mit Platzproblemen und verwies darauf, dass weitere Runden geplant seien, bei denen dann auch die Ärzte eingeladen würden.

Positive Stimmung

Es sei keine Verhandlung gewesen, sondern ein Dialog, betonten alle Beteiligten: Auch die SPÖ-nahen Sozialpartner Anderl und Katzian zeigten sich diplomatisch und lobten den "Austausch auf Augenhöhe mit der Regierungsspitze", wie sie ihn in der Vergangenheit öfter gefordert hätten. SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner wertete es in einer Aussendung als erstes positives Zeichen, dass die Regierung nun erstmals das Gespräch mit den Sozialpartnern gesucht habe. Die Medizinerin fordert allerdings, die Ärzte nun einzubinden.

Laut Katzian haben Kurz und Strache versprochen, die Sozialpartner über die Regierungspläne regelmäßig zu informieren. Das habe nicht immer funktioniert, oft habe er erst aus den Medien von türkis-blauen Vorhaben erfahren, sagt Katzian. Ob es eine tatsächliche Einbindung werde, sei noch nicht abschätzbar. Der ÖGB-Chef zeigte sich aber optimistisch. Anderl ergänzte: "Wir gehen davon aus, dass alles so eingehalten wird, wie es heute vereinbart wurde."

Kanzler Kurz begründete den späten Zeitpunkt des Sozialversicherungsgipfels damit, dass an der Spitze der Institutionen nun neue Köpfe seien – deswegen sei das Zusammentreffen erst für den Sommer geplant gewesen. Wann die Sozialversicherungsreform in ein Gesetz gegossen werde, wollte er noch nicht sagen – die nächste Runde, bei der nun auch wirklich verhandelt werden soll, dürfte Anfang September stattfinden, das weitere Vorgehen sei offen. Zwar betonte Kurz auch, wie wichtig ihm der Dialog sei, doch stellte er klar: "Wenn es keine Einigung mit den Sozialpartnern gibt, werden wir trotzdem eine Entscheidung treffen."

Viele Baustellen

Strache versprach, dass man die Überlegungen der Sozialpartner einfließen lassen wolle, bevor das Gesetz zur Sozialversicherungsreform in Begutachtung gehen werde. Es seien viele Baustellen im Gesundheitswesen offen, die oft zugedeckt würden. Strache sprach hier erneut von langen Operationswartezeiten, Gangbetten und generell zu wenig Kosteneffizienz. Doch sowohl Wartezeiten als auch Gangbetten liegen in der Verantwortung der Spitalsträger, für die die Bundesländer zuständig sind. Die Ländervertreter waren aber wie die Ärzte nicht zu dem ersten Dialog geladen. Das will die Regierungsspitze jedoch ebenfalls nachholen. Mit ihnen dürfte es nicht ganz so einfach werden: Selbst die schwarzen Bundesländer kündigten in der Vergangenheit Widerstand gegen die Fusionspläne an.

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sprach in einer Aussendung von Showpolitik und warnte vor einer "Nullnummer" bei der Kassenzusammenlegung: "Dass nicht einmal die 15 Krankenfürsorgeanstalten mit ihren Privilegien abgeschafft werden, zeigt überdeutlich, wohin die Reise geht." Liste-Pilz-Klubchef Bruno Rossmann steht einer Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger auf fünf "prinzipiell offen gegenüber". Die Abschaffung der Selbstverwaltung kommt für ihn aber nicht infrage. (mte, 23.8.2018)