Der Besuch des österreichischen Bundeskanzlers polarisiert die Thüringer Landespolitik: Knapp 50 Demonstranten hießen Sebastian Kurz willkommen.

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Mike Mohring, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, empfing den Kanzler.

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Mike Mohring ist die Zufriedenheit anzusehen. Zwei Jahre lang hat sich der CDU-Partei- und Fraktionschef aus Thüringen bemüht, Sebastian Kurz in das ostdeutsche Bundesland zu holen. Und jetzt steht Österreichs Bundeskanzler vor Zimmerpalmen auf blauem Teppich tatsächlich neben ihm.

Er ist nach Erfurt, in die Landeshauptstadt gekommen, um das Programm der EU-Ratspräsidentschaft vorzustellen – rund 3300 CDU-Gästen in der Messe Erfurt und natürlich auch Mike Mohring, seinem "Freund", der zum konservativeren Teil der CDU zählt. Mohring ist Oppositionsführer in dem rot-rot-grün regierten ostdeutschen Bundesland, in dem im Herbst 2019 gewählt wird. Und er will natürlich in die Staatskanzlei, wo jetzt der Linke Bodo Ramelow sitzt.

Es ist zu erwarten, dass die AfD gut abschneiden wird, daher spekuliert man schon viel über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD nach der Wahl. Würde er, der in Wien mit der FP koaliere, Mohring dazu raten, wird Kurz in Erfurt gefragt. "Nein, ich würde nicht dazu raten", antwortet Kurz und erklärt: "Man kann das politische System nicht eins zu eins übertragen." Auch seien "AfD und FPÖ nicht eins zu eins vergleichbar".

Keine Alternative zu Türkis-Blau

In Österreich habe es nach der Nationalratswahl im Herbst 2017 nur die Option mit der FP gegeben, da die SP nicht Juniorpartner habe sein wollen. Er sei jedoch "der festen Überzeugung", dass Mohring für Thüringen die richtige Wahl treffen werde, sagt Kurz und erinnert daran, dass Mohring eine Zusammenarbeit mit der AfD abgelehnt habe.

In der rappelvollen Halle wird Kurz mit freundlichem Applaus begrüßt. Der Jahresempfang der CDU-Fraktion Thüringen ist das größte politische Treffen in ganz Ostdeutschland, und die Singertaler Philharmonie spielt extra für ihn den Radetzkymarsch. "Vielen Dank dafür", sagt Kurz und verspricht, einen Kontakt zu den Wiener Philharmonikern herzustellen.

Das Publikum lacht, aber eigentlich ist Kurz nicht gekommen, um zu scherzen, sondern über die österreichische EU-Ratspräsidentschaft zu sprechen. Das mit "Abstand größte Ziel" sei es, "die Spannungen in der EU abzubauen". Er sei "sehr froh", dass nach langem Streit im Juni beim EU-Gipfel "endlich ein wichtiger Fortschritt" beim Thema Asyl möglich gewesen sei: "Nicht unbegrenzte Aufnahme in Europa ist möglich, sondern ein gemeinsamer Schutz der Außengrenzen und Hilfe vor Ort."

Man werde "hart daran arbeiten, Frontex zu stärken", man werde Italien und Griechenland nicht alleine lassen. Kurz spricht auch die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich an und sagt: "Wir alle haben Verantwortung, diese Grenzkontrollen nicht mehr nötig zu machen."

Und auch der Besuch von Wladimir Putin holt Kurz noch einmal ein. Warum Österreich so enge Kontakte zum russischen Präsidenten habe, wird er gefragt. Es gehe ihm darum, "alle Dialogkanäle offen zu halten", antwortet Kurz. Aus dem Publikum kommt dann auch noch einmal eine Frage zur AfD. Würde Kurz sie wählen, wenn er Deutscher wäre? Oder doch die CDU? Die Antwort ist eindeutig und ruft Applaus hervor.

Protest gegen Kurz-Besuch

Weniger freundlich geht es draußen vor der Halle zu. Ein linkes Bündnis hat unter dem Motto "Widerstand kommt zu Kurz" zu Protesten aufgerufen, allerdings sind nur rund 40 Personen gekommen. "Mit der Einladung von Sebastian Kurz, der als Kanzler einer rechtspopulistischen und nationalistischen schwarz-blauen Koalition maßgeblich den europäischen Rechtsruck organisiert, zeigt die CDU unter Mike Mohring, in welche Richtung sich ihre Politik bewegen soll. Die Einladung von Kurz dient als Zeichen, dass sich die CDU in Thüringen als stramme rechte Partei versteht, die aus ihrem Machtanspruch heraus auch nicht davor zurückschrecken wird, mit Björn Höcke (AfD, Anm.) zu paktieren", heißt es in dem Aufruf.

Kurz stehe für eine "neoliberale und vor allem menschenfeindliche, rassistische Politik. Milliarden für die Konzerne, Zwölf-Stunden-Tag für ArbeitnehmerInnen und maximale Gängelung und Repression in Richtung Geflüchteter und MigrantInnen". Und weiter: Man wundere sich nicht, dass CDU-Chef Mohring "gern der beste Buddy von Baby-Hitler aus dem Geilomobil wäre" – eine Anspielung auf ein Cover der deutschen Satirezeitung "Titanic", die Kurz als "Baby-Hitler" bezeichnet hatte.

Die AfD hat deshalb Strafanzeige gestellt. "Sebastian Kurz als 'Baby-Hitler' zu bezeichnen ist unfassbar dumm und bösartig. Diese Gleichsetzung kommt in der gewaltaffinen linken Szene Thüringens faktisch einem Signal zum Losschlagen gleich und ist eine schwere Ehrverletzung des Betroffenen", sagt dazu der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Stefan Möller.

Kurz selbst reagiert deutlich gelassener. "Jeder Vergleich mit dem Nationalsozialismus richtet sich von selbst", sagt er", sieht es aber "positiv", wenn Menschen "eine Meinung haben". Nach der Veranstaltung reiste er gleich wieder ab, ein Gespräch mit Ministerpräsident Ramelow stand nicht auf dem Programm. (Birgit Baumann aus Erfurt, 23.8.2018)