Wo sonst als im Kindergarten lässt es sich am besten über eine Grundsatzeinigung zur Förderung der Kleinsten jubeln? Also kamen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) am Freitag in den Landeskindergarten Fischamend.

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Fischamend/Wien – Der Protest der Länder gegen die Kürzung der Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung dürfte Wirkung gezeigt haben: Am Freitag wurde bekanntgegeben, dass nun doch 142,5 Millionen Euro vom Bund zur Verfügung stehen sollen. Auch die Länder erhöhen demnach ihren Finanzierungsschlüssel von 35 auf 52,5 Prozent, wodurch in Summe 180 Millionen pro Jahr in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert werden sollen.

Von den Geldern fließen jährlich 70 Millionen Euro in den Gratiskindergarten, knapp 30 Millionen in die Sprachförderung.

Verkündet wurde die Einigung in einem Kindergarten in Fischamend. Ein fertiges Papier liegt noch nicht vor – es wird von Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) finalisiert und an die Länder verschickt. Die Eckpunkte stehen aber fest:

  • Statt der ursprünglich von der türkis-blauen Koalition geplanten Kürzung der Bundesmittel für zusätzliche Kindergartengruppen auf 110 Millionen wird es nun 142 Millionen Euro zum Ausbau von Kindergartenplätzen und sprachlicher Frühförderung sowie für das verpflichtende letzte Kindergartenjahr geben.
  • Die Länder, die aus ihren Budgets bisher rund 28 Millionen Euro für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung ausgeben wollten, stocken ihren Beitrag ebenfalls um rund ein Drittel auf 38 Millionen auf.
  • Es gibt neue Schwerpunktsetzungen auf mehr Sprachförderung, den Ausbau des Angebots für unter Dreijährige und die Erweiterung der Öffnungszeiten gemäß dem Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (VIF). Aus dem Büro der Familienministerin heißt es dazu auf Nachfrage, Ziel sei es, die Betreuungsquote für unter Dreijährige pro Jahr um einen Prozentpunkt anzuheben – und bis 2021/22 eine Anhebung um fünf Prozentpunkte zu erreichen.
  • Ziel sind demnach mindestens 45 Wochenstunden Öffnung und 47 geöffnete Wochen pro Jahr. Jedes Jahr soll zumindest ein zusätzliches Prozent der Kindergärten dies erfüllen, über die vier Jahre Laufzeit gesehen insgesamt sechs Prozent.
  • Auch das Kopftuchverbot wird kommen, es war ein wesentliches Anliegen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Es gehe dabei um den Schutz der Mädchen, es sei dies "kein Eingriff in irgendeine Religion". Konkrete Sanktionen sind nicht vorgesehen.
  • Der Bund soll künftig über einen Wertekatalog Vorgaben machen, die Länder müssen diesen umsetzen und auf die Einhaltung achten. Als Konsequenz droht Einrichtungen, die sich nicht daran halten, der Entzug von Fördermitteln, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Die Reaktionen aus den Ländern fallen unterschiedlich aus. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) etwa macht seinem Ärger über eine "ÖVP-Politshow" Luft. Die Einigung über die Finanzierung des weiteren Ausbaus sei zwar prinzipiell zu begrüßen, allerdings sei mit den SPÖ-regierten Ländern gar nicht gesprochen worden.

Das stellt Ministerin Bogner-Strauß im ORF-Radio in Abrede. Alle Stellungnahmen der Länder seien in das nun vorliegende Verhandlungspapier eingearbeitet worden.

In Kärnten jedenfalls wird der Entwurf geprüft, genauso wie im Burgenland und in Wien. Man werde Experten konsultieren und dann Entscheidungen treffen, sagt der Kärntner Landeshauptmann. Am Kopftuchverbot, auch wenn es fragwürdig und populistisch sei, werde eine 15a-Vereinbarung nicht scheitern, erklärt Kaiser.

Wiener Unmut

Auch in Wien beklagt man sich, dass in Sachen Kinderbetreuung keine Verhandlungen auf politischer Ebene stattgefunden haben. Die Länder hätten in ihrer Stellungnahme zum ersten Entwurf im Juli auf eine Reihe von problematischen Punkten hingewiesen und eine dringende Abstimmung zwischen Bund und Ländern gefordert. Das sei "eigentlich üblich", befand der zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

"Die Vorgangsweise des Bundes war aber eine des Verzögerns, und nun wird medial ein Entwurf präsentiert, der nie verhandelt wurde. Das ist schlechter Stil und tut der Lösung nicht gut", kritisiert der Ressortchef. Immerhin habe der Bund nun von einer Junktimierung der Kinderbetreuung mit der Landeslehrer-Controlling-Verordnung Abstand genommen.

Allerdings, so Czernohorszky: "Dass es nun doch keine Kürzung der Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung durch den Bund gibt, ist grundsätzlich okay, aber der Bund investiert hier keinen Cent mehr. Dabei müsste angesichts des Zwölfstundentages eigentlich deutlich mehr Geld in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fließen." In diesem Punkt ist er mit dem der oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer einig, der sagt: "Die Hartnäckigkeit der Länder bei den Verhandlungen zur 15a-Vereinbarung hat sich gelohnt."

Vorarlberger Sanftmut

In Vorarlberg ist man erleichtert, dass die angekündigten Budgetkürzungen für Kinderbetreuung nun doch nicht umgesetzt werden. Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne): "Es ist erfreulich, dass der Widerstand der Länder und Gemeinden Wirkung gezeigt hat." Der Ausbau der Kinderbetreuung könne nun weiter fortgeführt werden. "Ambitioniert, aber im Gegensatz zum ersten Entwurf realitätsnaher" sieht Wiesflecker die Ziele und Kriterien. Mit einiger Anstrengung sei beispielsweise das Ziel, ein Prozent mehr unter Dreijährige zu betreuen, erreichbar.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (VP) sieht in der Einigung einen tragfähigen Kompromiss, der das Bewusstsein der Partner für gemeinsame Verantwortung unterstreiche. Dass der Bund nun 142,5 Millionen zur Verfügung stelle und durch Erhöhung des Finanzierungsschlüssels der Länder nun in Summe 180 Millionen für den Ausbau der Kinderbetreuung zusammenkommen, ist für Schullandesrätin Barbara Schöbi-Fink (VP) "eine vernünftige Lastenverteilung im Sinne der Familien". Nach Vorarlberg fließen sieben Millionen vom Bund.

Der Kanzler ist jedenfalls zuversichtlich, dass auch die rot geführten Länder bei der Grundsatzeinigung mitkönnen. Kurz sagt, "viele Länder haben schon klar kommuniziert, dass sie bereit sind, mehr Gelder zur Verfügung zu stellen".

Oppositionelle Freude mit Einschränkung

Die Opposition ist grundsätzlich zufrieden, dass es nun doch keine Kürzungen bei den Bundesmitteln für die Kinderbetreuung gibt. Das als "außergewöhnlichen Erfolg" zu verkaufen versteht die SPÖ aber nicht. Die Neos orten in der Verknüpfung des Themas mit dem Kopftuchverbot im Kindergarten Erpressung. Die Liste Pilz befürchtet, dass das Geld nicht reichen wird.

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid und SPÖ-Familiensprecherin Birgit Sandler finden es "bezeichnend" für die Regierung, dass sie die Rücknahme der Kürzungen bei der Kinderbetreuung "jetzt als außergewöhnlichen Erfolg verkaufen möchte". Diesem ersten Schritt müssten noch viele weitere folgen, sie fordern etwa einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr des Kindes.

Die Regierung habe schlicht "ein Problem gelöst, das sie selbst geschaffen hat", zeigt sich Neos-Familiensprecher Michael Bernhard wenig euphorisch. Die Betreuungseinrichtungen seien nicht langfristig abgesichert, wenn die Vereinbarung ausläuft, gehe das Gerangel wieder von vorne los. "Unredlich" findet Bernhard die Verknüpfung mit dem Kopftuchverbot – habe dieses doch nichts mit der Kindergartenfinanzierung zu tun. "Womit erpresst die Regierung die Gemeinden nächstes Jahr?", fragt er deshalb.

Grundsätzlich erfreut, aber ebenfalls nicht euphorisch reagiert die Liste Pilz auf die "Erhaltung des Status quo" bei der Kinderbetreuung. Hierbei könne man nicht gerade von einer Erfolgsmeldung sprechen, meint Parteichefin Maria Stern. Eine "Frechheit" sei es außerdem, das Thema an eine "zutiefst polemisierende Scheindiskussion" über das Kopftuch zu koppeln. Familiensprecherin Daniela Holzinger befürchtet, dass vor allem wegen der bevorstehenden Arbeitszeitflexibilisierung eine Stagnation bei den Zahlungen des Bundes nicht ausreichen werde, um den Bedarf zu decken.

Gewerkschaftliche Hoffnung

"Das Sparvorhaben bei der Kinderbetreuung war von Anfang an ein großer Fehler, eine völlige Missachtung der Bedürfnisse von Eltern mit Betreuungspflichten", meint auch ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende Korinna Schumann. Die nun präsentierte Lösung nach dem entsprechenden Druck begrüßt sie. Das "Einlenken" könne nur der "Startschuss für eine längst notwendige Ausbauoffensive in der Kinderbildung sein. (cs, jub, riss, APA, 24.8.2018)