Dominik Schrott (links) und Kanzler Sebastian Kurz haben einige Probleme zu lösen.

Foto: Schrott

Innsbruck – In seinem Blog "dietiwag.org" beschreibt Markus Wilhelm neue Ungereimtheiten im politischen Wirken des Tiroler Nationalratsabgeordneten Dominik Schrott (ÖVP). Er soll auch einen Tirol-Ableger des Vereins "Die österreichische Kinderwelt" gegründet haben. Aktivitäten der Tiroler Kinderwelt, der Schrotts früherem Arbeitgeber Smart Ventures laut Wilhelm Aufträge erteilt hat, sind jedoch nicht bekannt.

Der Verein existiere nur als Briefkasten an Schrotts Innsbrucker Privatadresse und habe öffentliche Förderungen erhalten, ist auf "dietiwag.org" zu lesen. Der Senkrechtstarter der letzten Nationalratswahl muss nun Partei und Öffentlichkeit nicht nur Manipulationen eines Gewinnspiels und die Finanzierung seines Vorzugsstimmenwahlkampfs erklären, er scheint auch zu den Aktivitäten seiner Kinderwelt Erklärungsbedarf zu haben.

Alles schweigt

DER STANDARD hätte Schrott gerne befragt, leider blieben Bitten um Rückruf unbeantwortet, Schrott sendete aber nach Veröffentlichung eine E-Mail (siehe unten).

Keine Auskunft zum Verein Kinderwelt, dem Nachfolger des Vereins "Österreichisches Jungvolk", ist aus dessen Wiener Zentrale zu erhalten. "Kein Kommentar, schreiben Sie eine E-Mail", hieß es dort kurz angebunden. Eine Antwort auf die Mail-Anfrage liegt bisher nicht vor.

Wie die Tiroler Kinderwelt ist auch die österreichische im Vereinsregister nicht zu finden. Vereinszweck ist laut Website die Schaffung sozialer Kontakte durch Freizeitbetätigung von Kindern bis 15 Jahren. Beispielsweise werden Hüpfburgen und Luftwuzzler verliehen.

Verein ohne Tätigkeit

Der Tiroler Verein wurde 2015 von JVP-Obmann Schrott gegründet, zur Gründung erschien auch die damalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP). Geschäftsführer wurde Matthias Weger, früherer Obmann der Tiroler JVP und heute Mitarbeiter im ÖVP-Klub in Innsbruck. Weger wollte zu den Aktivitäten des Vereins nichts sagen: "Wir müssen das alles zuerst sauber aufarbeiten."

Gesprächiger ist Landessekretär Simon Ewerz. Er habe die Funktion nur auf dem Papier inne, sagt der Jusstudent und Bezirksgeschäftsführer der Jungen Volkspartei in Imst. Seit Februar 2016 habe er für den Verein wegen seines Umzugs nach Wien nicht mehr gearbeitet. Dass der Verein im Vereinsregister nicht zu finden sei, wundere ihn. "Ich kann mich erinnern, dass mir einmal ein Formular vorgelegt wurde."

Für die Finanzen sei nicht er verantwortlich gewesen, sondern Schrott und Weger, sagt Ewerz. Laut "dietiwag.com" sollen 24.000 Euro für die Errichtung einer Website, die es nicht gibt, von der Kinderwelt an Smart Ventures, jene Agentur, die für Schrott den Wahlkampf schupfte und Gewinnspiele organisierte, geflossen sein. Schrott selbst war bis Ende Oktober 2017 Angestellter der Agentur.

Smarte Geschäfte

Ewerz sagt, die Kinderwelt habe auf Wunsch des Familienreferats des Landes "eine Website oder eine App" über Familienwanderungen erstellen sollen. Er gehe davon aus, dass Smart Ventures von der Kinderwelt dafür einen Auftrag bekommen habe. "Wie das weitergegangen ist, weiß ich aber nicht."

Schrott kommt auch wegen einer weiteren Geschichte aus seiner Vergangenheit in die Bredouille. Die "Tiroler Tageszeitung" schreibt in ihrer Freitagsausgabe über ein Engagement Schrotts beim Tiroler Bobverband, das im Streit endete. Während dieser Funktionärstätigkeit soll die Agentur Smart Ventures für die Bewerbung und Betreuung der Bob-WM 2016 in Innsbruck-Igls Werbeaufträge über 322.000 Euro erhalten haben.

Schrott: Verein eingetragen

Dominik Schrott nahm kurz nach Veröffentlichung dieses Berichts in einer E-Mail Stellung: Der Verein Tiroler Kinderwelt sei sehr wohl im Vereinsregister zu finden, und zwar unter der ZVR-Zahl 971731404. Das ist auch zutreffend. Unter dem Vereinsnamen Tiroler Kinderwelt ist der Verein jedoch nicht zu finden.

Geldflüsse zur Agentur Smart Ventures bestätigt Vereinsobmann Schrott. Konkret habe das Land zur Erstellung einer App "Wandern mit Kindern" dreimal Förderungen zugeteilt. Die Zahlungen seien am 1. August 2017 (12.038,40 Euro), am 24. November 2017 in der Höhe von 6019,20 Euro und am 18. Jänner 2018 in der Höhe von 6019,20 Euro erfolgt.

Die zweckgemäße Verwendung dieser Gelder muss bis 30. September 2018 nachgewiesen werden. Dann soll auch die App präsentiert werden, schreibt Schrott in seiner Mail.

Schrott ergänzt seine Stellungnahme durch das Projektkonzept. Absatzweise ist das mit Texten zu Familienwanderungen auf Tourismusseiten identisch.

Die Aktivitäten des Vereins Tiroler Kinderwelt scheinen sogar Mitgliedern des Vereinsvorstands verborgen geblieben zu sein. Obmann-Stellvertreter Christof Pichler auf STANDARD-Nachfrage, was sich hinter diesem Verein verberge und welchen Zweck er verfolge: "Ich kann es nicht sagen." Er sei 2015 gefragt worden, mitzumachen, habe danach aber nichts mehr vom Verein gehört und könne sich auch nicht mehr genau erinnern, worum es dabei gegangen sei. Was es mit der Homepage und App auf sich habe, könne Pichler daher auch nicht sagen.

Palfrader: "Ganz normaler Fördervorgang"

Am frühen Abend nahm die Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) Stellung zur Förderzusage für den Verein Tiroler Kinderwelt. Es handle sich dabei um "einen ganz normalen Fördervorgang", sagte sie gegenüber der APA.

Konkret seien an den Verein – nach einem entsprechenden Ansuchen im Jahr 2017 – 24.000 Euro gezahlt worden: für die Gestaltung einer Online-Karte für familienfreundliche Wanderwege. Zwei weitere Ansuchen des Vereins seien hingegen ebenso abgelehnt worden wie ein Ansuchen im Jahr 2016, erklärte Palfrader.

Der Verein müsse nun – wie jeder andere Förderwerber – bis Ende September einen "Verwendungsnachweis" erbringen. "Sollte das nicht erfolgen, wird die Förderung zurückverlangt", sagte die Landesrätin. Zudem seien von der zuständigen Abteilung, dem Fachbereich Familie, vor der Förderzusage auch die Statuten des Vereins sowie dessen Eintragung im Vereinsregister kontrolliert worden. "Wegen der aktuellen Brisanz" wolle man bereits Anfang nächster Woche den eigentlich für Ende September geplanten Verwendungsnachweis einfordern, kündigte Palfrader an.

Politisch gesehen sei die Causa Schrott "sehr unerfreulich", erklärte die Landesrätin und Tiroler AAB-Obfrau. "Es muss eine lückenlose Aufklärung geben", verlangte sie. Sobald diese erfolgt sei, müsse eine entsprechende Beurteilung durch die Partei erfolgen. In Sachen möglicher politischer Konsequenzen für das ÖAAB-Mitglied Schrott sah Palfrader aber die Junge Volkspartei (JVP) zuständig, bei der der Nationalratsabgeordnete hohe Funktionen bekleide.

Bundespartei will Aufklärung

Den Chef der Werbeagentur hatte Schrott nach gewonnener Wahl als parlamentarischen Mitarbeiter angestellt. Als die Manipulationen von Gewinnspielen von "dietiwag.org" aufgedeckt wurden, trennte sich Schrott von seinem langjährigen Partner. Diese Vorgangsweise war mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), den Schrott als Freund bezeichnet, abgesprochen, ließ Schrott Unterstützer per Mail wissen. Kurz gab sich mit der Trennung von der Agentur zufrieden.

Nun geht die Parteispitze aber auf Distanz. In der Causa Schrott sei aufgrund all der Vorwürfe nun volle Aufklärung nötig, ließ ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am Freitag via APA mitteilen: "Das gilt es jetzt mit Vehemenz umzusetzen." Schrott schweigt dazu. Ebenso wie zu den zahlreichen Kommentaren auf seiner Facebook-Seite, die seinen Rücktritt fordern.

Kommende Woche sind in Tirol zwei öffentliche Auftritte des Abgeordneten mit Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP), ein Sicherheitsdialog und ein Ehrenamtsdialog, geplant. Ob die Veranstaltungen tatsächlich stattfinden werden, hänge, so Edtstadlers Sprecher Eberhard Blumenthal, von der weiteren Entwicklung ab. Dem Wunsch Nehammers nach voller Aufklärung sei nichts hinzuzufügen, sagt Blumenthal.

Erstes Rumoren in zweiter Reihe

Am Samstag war aus Kreisen der Tiroler Volkspartei die erste Rückstrittsaufforderung an die Adresse von Dominik Schrott zu hören. Allerdings aus der zweiten Reihe, vorne wird weiter eisern geschwiegen. Die Tiroler Tageszeitung berichtete online, dass der stellvertretende Landtagsklubobmann Hermann Kuenz verlange, dass Schrott "endlich zu seiner Verantwortung stehen" soll. Sogar einen Parteiausschluss stellte er in den Raum. Kuenz kritisierte allerdings nur, dass Schrott behauptet habe, sich mit Kurz abgesprochen zu haben. Die Vorwürfe gegen Schrott selbst thematisierte er nicht.

Für eine Nachfrage war Kuenz nicht erreichbar. Auch die Tiroler VP-Spitze ignoriert derzeit jede Anfrage zum Thema, ebenso wie die Bundesparteileitung in Wien. Fragen zur Wahlkampffinanzierung Schrotts lässt die JVP seit Mittwoch unbeantwortet, auf E-Mails und Anrufe wird nicht reagiert. (Jutta Berger, Steffen Arora, APA, 24.8.2018)