Zuwanderer sind gekommen, um zu bleiben. Dass die Asylverfahren so lange dauern, ist nicht ihre Verantwortung, sondern jene der Republik Österreich.

Foto: Christian Fischer

Langsam sollten wir in Österreich zu einer sachlichen Diskussion über eine gelingende Integration von geflüchteten Menschen kommen.

Die Asylanträge in Österreich sinken laut der vorläufigen Halbjahresstatistik des Innenministeriums in Österreich stark. Vom Jänner bis Juni 2018 haben 7098 Menschen um Asyl angesucht. Zum Vergleich: Im Vorjahr wurden im selben Zeitraum 12.673 Ansuchen gestellt, und 2015 waren es bis Juni 28.311.

Die Aussagen mancher Politiker, ob im In- oder im Ausland, vermitteln jedoch das Gegenteil der Realität und fördern den (falschen) Eindruck, dass mit einem Ansturm von Millionen von Flüchtlingen gerechnet werden muss. Wer ernsthaft über gelingende Integration diskutieren will, sollte aber den Fokus auf jene richten, die bereits hier sind bzw. in Österreich bleiben werden, egal, wann sie gekommen sind.

Kürzere Verfahren nötig

Wichtig für den Integrationserfolg sind die Dauer des Asylverfahrens, die mitgebrachten beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen und die Möglichkeiten, diese weiterzuentwickeln, sowie die Kenntnisse der deutschen Sprache.

Die Dauer der Verfahren, also die Zeitspanne zwischen erstmaliger Registrierung als Asylsuchender und Asylbescheid, ist in Österreich leider viel zu lange. Unabhängig von der Dauer ist auch die Qualität des Verfahrens zu beachten. Die Erhebung der Fakten, die Interviews und Recherchen, die zu einem Bescheid führen, und die schriftlichen Begründungen sind von einer alarmierend schlechten Qualität. Rund 42 Prozent der Bescheide der ersten Instanz werden aufgehoben. Jedes Unternehmen, das eine Fehlerquote von 42 Prozent in der Produktion oder Dienstleistung aufweist, wäre schon pleite. Dass bei diesen Verfahren über das Schicksal von Menschen entschieden wird, wird außerdem von manchen in Verwaltung und Politik offensichtlich außer Acht gelassen.

Ähnlich verhält es sich in vielen Fällen mit der Dauer der Verfahren. Dort, wo bereits über drei Jahre nach Asylantrag auf eine Entscheidung gewartet wird, wird von dem verantwortlichen Beamten im BMI argumentiert, dass rund 32.000 Anträge vorliegen, und daher ist das eben so. Interessant ist dabei, dass die Asylverfahren in Deutschland im Durchschnitt momentan rund zehn Monate dauern. Diese Dauer von zehn Monaten – so wird argumentiert – liegt vor allem an komplizierten Altfällen. Über neue Anträge entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge innerhalb von drei Monaten!

Wenn vonseiten der österreichischen Bundesregierung, aber auch von wenigen Spitzenfunktionären der WKÖ etwa aktuell im Falle der von Abschiebung bedrohten Lehrlinge mit dem Hinweis "Recht muss Recht bleiben" argumentiert wird, dann meine ich, jeder Asylwerber hat ein Recht auf ein schnelles und rechtsstaatlich faires Verfahren. Dass Verfahren in vielen Fällen oft über drei Jahre dauern, ist nicht die Schuld der Asylwerber, denn sie sind in der Regel an einem raschen Abschluss des Verfahrens interessiert.

Bleiben als Gründe für die lange Verfahrensdauer Überforderung bzw. Unfähigkeit der Mitarbeiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl oder ein politisches Interesse an einer langen Verfahrensdauer. Das bedeutet für die betroffenen Menschen Warten und zur Untätigkeit verdammt zu sein. Sie haben ein Recht, dass Maßnahmen getroffen werden, die eine ähnliche Verfahrensdauer erlauben, wie dies in Deutschland der Fall ist.

Pull-Faktor dummes Zeug

In diesem Zusammenhang wird sehr oft auch das dumme Argument mit dem Pull-Faktor verwendet. An die Adressen jener, die mit Vorliebe sämtliche Bemühungen für eine gelingende, schnelle Integration mit dem Hinweis auf den Pull-Faktor konterkarieren, sei Folgendes gerichtet: International wird der Pull-Faktor mit einem hohen Lebensstandard, mit der sozialen Sicherheit, einem attraktiven Arbeitsmarkt etc. argumentiert. Folgerichtig müssten die, die sich immer auf den Pull-Faktor berufen, jene Maßnahmen diskutieren, die den Lebensstandard, die soziale Sicherheit oder den Arbeitsmarkt negativ beeinträchtigen – also Negativpropaganda zur Lebensqualität in Österreich ...

Die wichtigste Frage, die wir uns stellen müssen, ist doch die Frage, was aus all jenen geflüchteten Menschen wird, die bereits im Land sind und hier bleiben, bzw. aus jenen, die eine hohe Bleibeperspektive haben. Diese Menschen brauchen Lebensperspektiven, ihre Arbeitsmarktintegration, ihre Aus- und Weiterbildung verlangt nach höchster Priorität. Österreich braucht hier einen New Integration Deal – Arbeit ist der Integrationsfaktor Nummer eins.

Wie die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Flüchtlingswanderungen ausfallen, hängt sicher entscheidend davon ab, wie schnell und wie gut die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gelingt. Integration ist mehr, als einen Job zu finden, aber ohne Beschäftigung ist sie nicht möglich. Das Ziel muss sein, dass diese neuen BürgerInnen im Land ihren Lebensunterhalt eigenständig verdienen und so an einem gesellschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen können. Gelingt das nicht, sinkt ihr Selbstwertgefühl, und die Gräben zur arbeitenden einheimischen Bevölkerung vertiefen sich. Soziale Spannungen gefährden den sozialen Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt – und damit auch die immer wieder beschworene Sicherheit.

Vor diesem Hintergrund ist es schwer zu verstehen, dass keine offensive Arbeitsmarktpolitik der österreichischen Bundesregierung für Flüchtlinge gemacht wird. In Deutschland erhält jeder Flüchtling drei Monate nach der Registrierung die Erlaubnis, eine Arbeit zu beginnen.

Ausbildung und ein Arbeitsplatz

Wenn Ausbildung und ein Arbeitsplatz das Tor zu einer gelingenden Integration darstellen, dann ist das Erlernen der deutschen Sprache der Schlüssel dazu. Der Ausbau der Sprachkurse, die zurzeit in Österreich den geflüchteten Menschen angeboten werden, ausreichende Budgets und die effiziente Organisation dieser Kurse sind für diese offensive Arbeitsmarktpolitik notwendig .

Passiert das nicht, so ist zu erwarten, dass wir die Folgen der jahrzehntelangen falschen französischen Integrationspolitik kopieren: nämlich strukturell verursachte Perspektivenlosigkeit. Diese führt zur Frustration und in der Folge zu sozialen Konflikten bis hin zu gewalttätigen Ausschreitungen.

Seit 2015 erlebt Österreich eine starke und engagierte Zivilgesellschaft. Diese Bewegung mit Frauen und Männern aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten ergänzt schon jetzt die – ausbaufähigen – staatlichen Maßnahmen. Sie kann auch in der Zukunft mit den tausenden freiwilligen, lokalen und regionalen Initiativen dabei unterstützen, die Integration zu vertiefen, damit die staatlichen Programme ergänzt und soziale Netzwerke für Flüchtlinge verdichtet werden. Verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Politik würde dieses Potenzial erkennen und stützen. (Ferry Maier, 24.8.2018)