Michael Liendl macht sich selbst zurzeit die allermeiste Freude.

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Wien/Wolfsberg – "Es hätte schlechter laufen können", sagt Michael Liendl, ein Meister des Understatements. Vierte Runde, Pappelstadion, 52. Minute: Beim 6:0 gegen Mattersburg schaut der Mittelfeldspieler des Wolfsberger AC nach einem Ballgewinn kurz auf und lässt den Ball aus 40 Metern Entfernung über den panisch zurückwieselnden Goalie ins Tor segeln. Es war ein Schuss, wie er nur wenigen Profis in ihrer Karriere auskommt – Kategorie Tor des Jahres. "Moderne Tormänner spielen mit, stehen oft außerhalb des Strafraums, so eine Überraschung wollte ich schon seit langer Zeit probieren", sagt Liendl zum STANDARD.

Definitiv in der Auswahl zum Tor des Jahres: Ab Minute 2:45 ist Liendls Weitschuss-Tor zu bestaunen.
Wolfsberger AC

Michael Liendl ist nach viereinhalb Legionärsjahren zum WAC heimgekehrt, wo er bereits von 2012 bis 2014 engagiert gewesen war. Die Schüsse von der Mittellinie durfte er in Kärnten damals schon trainieren. Der 32-Jährige trainiert sie immer noch. "Ich weiß, dass der Schuss eine Waffe von mir ist. Wenn der Ball einmal über den Zaun geht, schaut mich der Trainer aber nicht schief an." Liendl ist vom Typ her ein Risikofußballer, da können auch schon einmal drei Fehlpässe in die Tiefe hintereinander passieren. Die Kritik steckt er weg.

Auf und Ab

Der WAC ist nach vier Spieltagen Tabellendritter, gegen Rapid und Austria wurden vier Punkte geholt, der erste Trainerwechsel der Saison bei Mattersburg mit dem Kantersieg quasi verursacht. Am Samstag empfangen wie Wolfsberger Sturm Graz. Die Steirer stecken nach Watschen im Europacup und einem mauen Remis gegen Altach in der Krise. "Wir haben dreimal hintereinander zu null gespielt", sagt Liendl, "daheim spielen wir auf Sieg."

Als Legionär verdiente sich der gebürtige Steirer in der zweiten deutschen Bundesliga bei Fortuna Düsseldorf und bei 1860 München den Spitznamen "Alpen-Maradona", er war Stammspieler. "Liendl lohnt sich", titelte einmal der Kölner Express. Es war aber ein Auf und Ab, der Abstieg mit 1860 markierte ein trauriges Ende in Deutschland. Die letzte Station hieß in der vergangenen Saison Twente Enschede in der niederländischen Erendivise. "Ein unglückliches Jahr für mich." Als Liendl fit war, wurde der Trainer entlassen, der ihn geholt hatte. Nachfolger Gertjan Verbeek ließ ihn links liegen und etablierte ein System, das nicht zu Liendls Spiel passte. "Trotzdem eine wichtige Erfahrung für mich."

Ilzers Leithammel

Das Kapitel Ausland hat Liendl abgehakt. Die Entscheidung, mit seiner Frau und den zwei Kindern nach Österreich zurückzukehren, war nur noch eine Frage der Zeit. Beim WAC ist er jetzt Leithammel, soll die jungen Spieler führen. Mit Christian Ilzer (41) hat der WAC einen neuen, sehr ehrgeizigen Trainer. "In erster Linie hat er Ahnung vom Fußball, und er lässt uns nach vorn frei spielen."

Zu Saisonbeginn wurde der WAC als "Abstiegskandidat" punziert. Liendl jucken solche Prognosen nicht einmal, das Ziel lautet klar oberes Playoff. "Salzburg ist außen vor, aber Rapid oder Austria haben nicht mehr Qualität als wir. Das müssen wir aber bestätigen." Dafür sucht der WAC sein Heil in schnellem, aktivem Fußball. Den Ball ewig in der eigenen Hälfte zirkulieren zu lassen, davon hält Trainer Ilzer nichts.

Sollte es am Ende doch das Abstiegs-Playoff werden, nimmt die Spannung nicht ab. Liendl ist ein Freund der Reform. "Es musste etwas passieren. Das Format ist attraktiv, es bleibt auch unten spannend, weil der Sieger um ein Europacup-Ticket spielen kann."

Einen Schönheitsfehler wird Michael Liendl in seiner Karriere kaum noch ausmerzen. Große Titel blieben ihm verwehrt. "Klar hätt ich gern etwas gewonnen, aber ich sterbe nicht, wenn ich keinen Titel hole." Nachsatz: "Ich bin zufrieden mit meinem Leben, kann gut schlafen". Es hätte in der Tat schlechter laufen können. (Florian Vetter, 25.8.2018)