Dietmar Kühbauer, als aktiver Fußballer Meister mit Rapid (1996) und 55-facher Teamspieler, hat in St. Pölten an Schrauben gedreht.

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STANDARD: Der SKN St. Pölten ist nach vier Runden mit zehn Punkten Zweiter und als einzige Mannschaft, von Red Bull Salzburg natürlich abgesehen, ungeschlagen. Sind wir im falschen Film?

Kühbauer: Man konnte nicht damit rechnen. Ich hätte nix dagegen, wenn wir in diesem Film noch ein bisserl drinnen bleiben. Aber wir wissen, dass es auf Dauer nicht unser Platz sein kann.

STANDARD: Nach dem 2:0 in Innsbruck haben Sie gemahnt: Man spiele mit dem Feuer, müsse aufpassen, nicht zu verbrennen. Orientiert sich St. Pölten also im echten Film nach unten?

Kühbauer: Es wäre dumm, nach einer Momentaufnahme die Ziele komplett neu zu definieren. Wir müssen unsere Punkte hart erarbeiten, können im Konzert der Großen auf Sicht nicht mitspielen. Aber wir möchten die Großen auf Dauer ärgern.

STANDARD: Die Vorbereitung war vermutlich extrem mühsam. Man wusste lange nicht, ob St. Pölten überhaupt oben bleibt, erst Gerichte haben das Ergebnis der Relegation beglaubigt. Wie haben Sie die Phase der Ungewissheit erlebt?

Kühbauer: Wir haben die Spieler bewusst damit nicht belastet, wir haben nicht darüber gesprochen. "Was wäre, wenn" ist sinnlos. Wir konzentrierten uns auf die Arbeit.

STANDARD: An welchen Schrauben haben Sie gedreht? Oder war es ein glückliches Händchen bei Transfers? Stürmer René Gartler hat voll eingeschlagen. In der Vorsaison wirkte St. Pölten chaotisch.

Kühbauer: Wie haben uns verändert, geschaut, was im Rahmen unserer Möglichkeiten machbar ist. Wie haben für keinen Spieler Geld ausgegeben. St. Pölten ist eine Adresse, an der sich der Gegner nicht erholen kann, sondern hart kämpfen muss – wie früher in Mattersburg. In der Vorsaison waren wir ein Durchhaus, 77 Gegentore sprechen Bände. Wir haben hinten Stabilität reingebracht. Wohin die Reise geht, kann man nicht sagen. Wir können nicht fünf Stufen auf einmal nehmen.

STANDARD: Bei allem Respekt, aber vor dem SKN waren Sie Trainer bei der Admira und beim WAC. Streben Sie nicht nach Höherem? Warum hat es bisher nicht geklappt?

Kühbauer: Ich stand zweimal kurz vor dem Wechsel ins Ausland. Natürlich ist es mein Ziel, bei einem großen Klub zu sein. Ich traue mir das zu, es ist ein Traum von mir.

STANDARD: Sind Sie zu wenig angepasst?

Kühbauer: Ich glaube nicht – im Gegenteil. Das Image hat mich verfolgt, ich weiß nicht, warum. Ich war immer ein Teamplayer und an gemeinsamen Lösungen interessiert. Ich habe nirgendwo Scherbenhaufen hinterlassen.

STANDARD: Die Welt ist digitalisiert, die sozialen Medien haben zum Teil die Gerichtsbarkeit übernommen. Jeder Schritt wird beobachtet, jedes Wort auf die Waagschale gelegt. Fühlt sich ein Kühbauer in diesem Umfeld wohl?

Kühbauer: Anfangs war es schwierig. Jede Harmlosigkeit, jeder Spruch wird zerlegt. Jetzt bin ich in einem Alter, da weiß ich, dass Wesentliches hinter verschlossen Türen besprochen werden soll. Steht eine Kamera vor dir, musst du vorsichtig sein. Ich will trotzdem ehrlich und authentisch bleiben, habe nicht vor zu schleimen.

STANDARD: Der Kühbauer, sagen Nostalgiker, war noch eine richtige Type. Heutzutage, heißt es, habe die Spielergeneration weder Ecken noch Kanten, ein Einheitsbrei wird beklagt. Braucht der Fußball wieder mehr Kühbauers?

Kühbauer: Fünf oder sechs Kühbauers in einer Mannschaft wären zu viele, das geht gar nicht. Aber wir müssen darauf achten, dass wir die Spieler nicht zu glatt schleifen. Jeder braucht seine Zeit, man muss die schwierigen Charaktere kanalisieren, aber wir müssen ihnen die Stärken lassen. Wir wollen immer die Braven, das fängt schon unten in der Ausbildung an. Das ist schlecht. Wir brauchen weniger Angepasste – sofern alles im Rahmen bleibt.

STANDARD: Zwischen Dezember 2015 und April 2018 hatten Sie keinen Job. Gab es da Selbstzweifel?

Kühbauer: Das wäre übertrieben, aber man denkt nach. Ich arbeitete als Experte beim ORF, lernte die andere Seite kennen, eine wichtige Erfahrung. Ich habe mich hinterfragt, denn alles kann ich ja nicht richtig gemacht haben. Ich war früher zu aufbrausend, habe zwar die Wahrheit gesagt, aber sie in falsche Worte gepackt. Ich formuliere jetzt anders, bin diplomatischer, renne nicht mehr mit dem Schädel durch die Wand.

STANDARD: Halten Sie etwas vom Begriff Konzepttrainer?

Kühbauer: Nein. Mir ist das zu vage. Wenn alles aufgeht, stimmt das Konzept. Im Fußball gibt es zu viele Unsicherheiten. Verletzungen, Unruhe oder Machtkämpfe im Verein werfen einen Plan über den Haufen. Mein Konzept ist es, mit der jeweiligen Mannschaft den besten Fußball zu spielen, der möglich ist, der zu ihr passt. Ich muss das Spiel nicht neu erfinden.

STANDARD: Am Samstag kommt die Austria. Fallen Ihnen drei Gründe ein, warum St. Pölten gewinnt?

Kühbauer: Da bin ich diplomatisch. Nüchtern betrachtet, ist die Austria in allen Belangen über uns zu stellen. Wir hoffen, dass viele Zuschauer erscheinen. Wir werden unsere ganze Leidenschaft ins Spiel legen. (Christian Hackl, 24.8.2018)