Foto: Sophia Süßmilch

Sophia Süßmilch (Jg. 1983)
Malerin, Bildhauerin, Performancekünstlerin

Lieber Hermann Nitsch! Als feministische Jungperformerin habe ich einen Projektvorschlag an dich, um unsere Weltanschauungen zu vereinen. Wie wäre es, wenn wir das Parlament mit 1.000.000.000 Litern Menstruationsblut fluten (ich produziere gerade fleißig, nicht neidisch sein!), als Katharsis für die Regierung, die sich ja gerade rigoros versündigt. So wie der alte Mann im Himmel, er heißt Gott – ich glaube, ihr seid eh verwandt? Wir nennen es "Nach dem Metzger ist vor der Gotteswerdung", ich hoffe, du findest dich in dem Titel wieder! Ruf mich an und Happy Birthday!

Katrina Daschner (Jg. 1973)
Performancekünstlerin, Filmemacherin

Nitsch war der erste österreichische Künstler, den ich in meiner Schulzeit in Hamburg kennenlernte. Ich fand die theatralen Aspekte interessant – über Feminismus würde ich mich mit jemand anderem austauschen. Bis heute interessieren mich Künstlerinnen und Künstler, die nicht als Einzelpersonen, sondern kollektiv agieren. Die Symbiose von vielem, die sich künstlerisch-explosiv entlädt, finde ich in Nitschs Werk frappierend. Das ist mir auch bei meinen Performance-Clubs wichtig: Das Zelebrieren der Verschwendung für den Moment! Happy Birthday! Enjoy this very moment.

Foto: Steffi Dittrich
Foto: APA

Carola Dertnig (Jg. 1963)
Performancekünstlerin, Akademie-Professorin

Ohne die Wiener Aktionisten hätte die Performanceszene in Österreich wohl nie solche Eloquenz entwickeln können. Mittlerweile wird sie auch international wahrgenommen. Meine Lieblingsaktion von Hermann Nitsch ist die Maria-Empfängnis-Aktion (1969), in der Hanel Koeck, eine der wenigen Aktionistinnen, mitwirkte: Es ist eine "Gleichstellung" spürbar, die ich in anderen Aktionen vermisst habe.

Thomas Reinhold (Jg. 1953)
Maler

Die Zertrümmerung kultureller Wertvorstellungen empfand ich 1968 als befreiend. Der Wiener Aktionismus hat ein Umdenken in den Künsten initiiert. Als Maler beeindruckt mich die Präzision des Gesamtkunstwerks von Hermann Nitsch und sein selbstverständliches und musikalisches Umgehen mit scheinbaren Gegensätzen, dem Apollinischen und Dionysischen etwa. Dem Ritual liegt ein strenges, partiturhaftes Gerüst zugrunde, das sich auch oft in anspruchsvoller Malerei bemerkbar macht und den Sinn hat, Raum für Unvorhergesehenes und Zufälliges zu schaffen.

Foto: Thomas Reinhold

Christian Eisenberger (Jg. 1978)
Maler, Bildhauer

Der Wiener Aktionismus hat keinen direkten Einfluss auf mein Werk, wie Kritiker oft meinen, sondern vielmehr die Zeit, in der wir leben. Ich wünsche dem Kollegen noch einen großen Spannungsbogen, in dem die künstlerischen Dinge zu uns sprechen werden und die Gesellschaft anerkennt, mit einem großen Geist zur selben Zeit leben zu dürfen, der die Dinge eben anders sieht! Auf dein Wohl, Prost! (29.8.2018)