Ein internes NSA-Papier enthüllt den Besuch von Bundesheeragenten im Hauptquartier des US-Geheimdiensts.

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Das Dokument findet sich in den Unterlagen von Edward Snowden, der derzeit in Russland leben muss – und sein Auskommen durch Vorträge (Bild) finanziert.

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Die Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat mittlerweile durchaus groteske Züge angenommen. Während BVT-Chef Peter Gridling beinahe wöchentlich betont, dass die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten gut funktioniere, ermitteln seine Beamten gleichzeitig gegen zwei dieser Dienste. Die Staatsanwaltschaft Wien hat vor einigen Wochen das BVT mit Nachforschungen gegen die amerikanische National Security Agency (NSA) und den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) beauftragt. Spionage "zum Nachteil Österreichs" lautet der Vorwurf, dem deutschen Auslandsgeheimdienst wird zusätzlich auch Wirtschaftsspionage zur Last gelegt.

Überwachung von österreichischen Ministerien, Firmen und Unis

Auslöser waren gemeinsame Recherchen von STANDARD und "Profil" im Juni dieses Jahres über die systematische Überwachung von österreichischen Ministerien, Firmen, Universitäten und Behörden durch den BND. Laut einer BND-internen Datei wurden im Zeitraum 1999 bis 2006 insgesamt fast 2.000 Telefon-, Fax- und Mobilanschlüsse sowie E-Mail-Adressen ausgespäht. Daten landeten teilweise auch bei der NSA.

Die Staatsanwaltschaft Wien leitete unmittelbar nach den ersten Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden im Jahr 2013 Nachforschungen gegen die NSA und den deutschen Auslandsgeheimdienst ein, da diese laut Snowden gemeinsam massenhaft österreichische Ziele ausspionieren – etwa am weltgrößten Internetknotenpunkt in Frankfurt. Allein mithilfe ihrer Überwachungsprogramme "Prism" und "XKeyscore" kann die NSA die Verbindungsdaten des Internetverkehrs aufzeichnen, der über US-Server läuft. Regierung und Opposition verlangten damals "rasche Aufklärung". FPÖ, Neos und Grüne forderten, Snowden Asyl zu gewähren.

"Streng geheimes" Dokument

Die Ermittlungen verliefen allerdings im Sande, da sich zuständige Politiker weder mit den Amerikanern noch mit den Deutschen in die Haare kriegen wollten – schließlich arbeitet das offizielle Österreich seit Jahrzehnten mit BND und NSA zusammen. Entsprechende Hinweise finden sich auch in den Unterlagen von Snowden. Ein dem STANDARD vorliegendes und als "streng geheim" eingestuftes Dokument der NSA gewährt nun einen Einblick in diese Liaison.

Das Dokument "Austrians Propose New Areas of Cooperation" aus dem Fundus von Edward Snowden. Der NSA-Whistleblower hat es aus dem Intranet des Geheimdiensts.
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Es ist auch das erste Papier, in dem die Amerikaner die Kooperation mit dem Bundesheer explizit erwähnen. Darin berichtet die NSA etwa über den Besuch einer Gruppe hochrangiger Offiziere des Heeresnachrichtenamts (HNA) des Bundesheers im Jahr 2006. Diese kamen, um über den Ausbau der "Kooperationen zwischen den beiden Organisationen" zu reden. Dafür hielten die Bundesheeragenten Vorträge zu den Themenbereichen Terrorismus, Nahost, Balkan und "Proliferation", also der Weiterverbreitung beziehungsweise der Weitergabe von Massenvernichtungswaffen. Und die Österreicher haben offensichtlich Eindruck hinterlassen. "Von der Expertise und dem Wissen der Österreicher kann die NSA profitieren", hielt der US-Geheimdienst fest. Daher würden nun "weitere gemeinsame Ziele für die Zusammenarbeit" gesucht.

Amtsgeheimnis

Dieses Auftreten des HNA passt allerdings nicht so recht zu den offiziellen Stellungnahmen des Bundesheeres. Zwar wurde die Zusammenarbeit schon unmittelbar nach den ersten Enthüllungen Snowdens bestätigt, der damalige Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) wollte das Thema aber "nicht breit diskutieren." Er betonte lediglich, dass kein Massenaustausch von Daten mit anderen Nachrichtendiensten betrieben werde. Dutzende parlamentarische Anfragen der Opposition zu dem Thema wurden von Klug und dessen Nachfolger Hans Peter Doskozil (SPÖ) mit dem Verweis auf das Amtsgeheimnis vom Tisch gewischt.

Zur Kooperation mit der NSA antwortet ein Bundesheersprecher auf Anfrage des STANDARD wie folgt: "Jegliche Zusammenarbeit mit anderen Diensten erfolgt nur punktuell" und beziehe sich "ausschließlich auf die Einsatzräume des Bundesheeres und die Sicherheit der dort eingesetzten Soldaten bzw. wenn es darum geht, im Ausland in Not geratene Österreicher wieder sicher nach Hause zu holen".

Informationen über Russland

Tatsächlich geht es aber um mehr. In dem NSA-Dokument ist auch zu lesen, was seit Jahrzehnten ein offenes Geheimnis war: Das HNA liefert seit Jahrzehnten Informationen über Russland und den Balkan an die Amerikaner. Die Neutralität Österreichs spielte dabei keine Rolle.

Als Symbol für diese Zusammenarbeit gilt die vom Bundesheer betriebene Abhörstation Königswarte bei Hainburg, deren Bau in den 1950er-Jahren von den USA finanziert wurde. Während des Kalten Krieges belauschte man hier den Telefon- und Funkverkehr im Ostblock und auf dem Balkan, heute fängt man dort Satellitenkommunikation ab.

Die Königswarte bei Hainburg.
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Basis für die Zusammenarbeit ist ein Vertrag zwischen dem neutralen Österreich und der NSA. Darin sind die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen der US-Überwachungsbehörde und dem HNA festgelegt. Seine Wurzeln hat das Dokument im Kalten Krieg, doch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat es der damalige NSA-Direktor Michael Hayden erneuern lassen. Dieser Schritt zwischen den Jahren 2003 und 2006 erfolgt sein.

Scharfe Kritik an diesem Vertrag übte 2014 der blaue Oppositionspolitiker Mario Kunasek. "Es ist schlichtweg unvorstellbar, dass österreichische Behörden im eigenen Land offensichtlich als verlängerter Arm der USA agieren. Österreich ist ein neutrales Land und hat sich auch so zu verhalten", teilte er in einer durchaus scharf formulierten Aussendung mit.

Zusammenarbeit

Seit Dezember 2017 ist Kunasek nun Verteidigungsminister. Sein Sprecher Gerold Fraidl meint auf STANDARD-Anfrage, die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten erfolge in dem Ausmaß, das "für Österreich dienlich" ist. (Markus Sulzbacher, 27.8.2018)