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Asylwerber werden in Zukunft keine Lehre mehr in Österreich absolvieren können. Wann es so weit sein soll, sagte die Regierung am Montag nicht.

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Fix ist, dass die Regierung die Lehre für Asylwerber abschaffen wird. Ein neues System soll kommen, bei dem sich Menschen aus Drittstaaten generell um einen Lehrplatz bewerben können. Wann es so weit sein soll, ist unklar.

Das Sozialministerium "prüft" derzeit, wann der Erlass, der die Lehre für Asylwerber erlaubt, wirklich gestrichen wird. Auch ob die Asylwerber-Lehrlinge bleiben können, ist offen. Ein paar grundlegende Antworten zur Orientierung in der Lehrlingsdebatte:

Betrifft der Lehrlingsmangel in Österreich nur die Gastronomie?

Geschichten über Restaurants, die keine jungen Menschen finden, die bei ihnen eine Lehre machen wollen, gibt es zuhauf. Unter den aktuell mehr als 1.000 Asylwerber-Lehrlingen gibt es eine klare Konzentration auf Gastrobetriebe. Doch es wäre ein Trugschluss zu glauben, der Lehrlingsmangel würde nur eine Branche betreffen.

Der Arbeitsmarktexperte August Gächter spricht davon, dass "mehrere Phänomene" zusammenkommen, die dafür sorgen, dass Betriebe in unterschiedlichen Branchen keine Lehrlinge finden: Die Wirtschaft wächst stark, weshalb die Nachfrage nach Lehrlingen groß ist. In vielen ländlichen Regionen gibt es zu wenige junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen. In der Stadt sind es oft Betriebe, die Lehrstellensuchende abweisen, weil sie ihnen nicht geeignet erscheinen. Es gibt ein Ost-West-Gefälle: Im Westen herrscht Mangel.

Diese Trends führen dazu, dass es österreichweit zwar mehr sofort zu besetzende Lehrstellen gibt als Lehrstellensuchende, parallel aber dennoch Mangel herrscht.

Beim AMS in Oberösterreich, einem Industriebundesland, sind 3.098 offene Lehrstellen gemeldet. Dem stehen 1.309 Lehrstellensuchende gegenüber. Viele offene Stellen gibt es in der Gastronomie. Aber auch bei Elektrotechnikern: Auf 231 verfügbare Plätze kommen hier 51 Bewerber. Bei Metalltechnikern gibt es 358 offene Lehrstellen und 95 Bewerber.

In Tirol sieht es ähnlich aus, auch hier gibt es mehr unbesetzte Stellen als interessierte Jugendliche. "Der Fachkräftemangel trifft uns quer durch alle Branchen, im Handel und Gewerbe ebenso wie im Tourismus", sagt der Chef der Tiroler Wirtschaftskammer, Jürgen Bodenseer, der im Zugang von Asylwerbern zur Lehre eine Möglichkeit sieht, den Fachkräftemangel zu lindern.

Was treibt Unternehmer an, Asylwerber als Lehrlinge anzustellen?

Die Motivlage ist unterschiedlich. Bei vielen der Unternehmen, die sich im Zuge der Aktion "Lehre statt Abschiebung" engagieren, ist es eine Mischung aus wirtschaftlichen Überlegungen und sozialem Engagement. Beim Dachdeckerbetrieb Hochstöger aus dem oberösterreichischen Ort Pabneukirchen heißt es, dass man auf Lehrlingsanzeigen oft nicht einmal eine einzige Bewerbung bekomme.

Deshalb nahm man einen Afghanen auf – für den sich der Betrieb nun starkmacht. Beim Linzer Malereibetrieb Hauser heißt es, dass für zwei offene Lehrstellen vom Arbeitsmarkservice zwölf Bewerber kommen sollten. Keiner kam. Also entschied man sich für zwei Asylwerber, mit denen man zufrieden ist. Auch der Chef der Wirtschaftskammer in Salzburg, Konrad Steindl, sagt, dass Unternehmer, die Asylwerber genommen haben, damit auch einen "Beitrag zur Integration junger Asylwerber leisten wollten".

Lässt sich mit einer Lehre das Asylrecht umgehen?

Laut aktueller Rechtsprechung steht eine Lehre einer Abschiebung nicht im Weg. In Asylverfahren wird geprüft, ob jemand verfolgt wird und deshalb Schutz braucht oder ob dem Betroffenen in seinem Heimatland sonstige Gefahr droht, weshalb er nicht zurückkehren kann. Wird das alles verneint, wird geprüft, ob abgeschoben werden darf.

Dabei muss laut Europäischer Menschenrechtskonvention eine Abwägung getroffen werden, erklärt der auf Fremdenrecht spezialisierte Wiener Anwalt Georg Bürstmayr. Einerseits hat der Asylwerber ein Recht auf Schutz seines Privat- und Familienlebens. Dieser Aspekt kann für ein Bleiberecht sprechen.

Zugleich gibt es ein öffentliches Interesse, das für eine Abschiebung sprechen kann. In der Praxis nehmen Gerichte an, dass das wirtschaftliche Interesse des Landes dafür spricht, abgelehnte Asylwerber abzuschieben. Wenn alle bleiben können, wäre das eine ökonomische Überforderung. Erst ab einer Aufenthaltsdauer von fünf Jahren schlägt das Pendel in Richtung Bleiberecht aus.

Laut Bürstmayr und dem Chef des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, Manfred Nowak, ist diese Auslegung des Asylrechts bei Lehrlingen umstritten: Denn hier gebe es ein Interesse der Wirtschaft daran, dass die Menschen bleiben. Bürstmayr hat sich im Fall von zwei Lehrlingen mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gewandt. Eine Entscheidung steht noch aus. Sollte sich an der Rechtsprechung tatsächlich etwas ändern, wäre diese Änderung im Asylrecht begründet.

Welche Ideen gibt es, damit Asylwerber ihre Lehre fertig machen können?

Im Integrationsministerium wurde dem Vernehmen nach überlegt, Asylwerber in der Lehre vier Jahre lang zu dulden. Die Menschen könnten ihre Lehre fertig machen und ein Jahr weiter im Betrieb arbeiten. Und es wäre eine gesichtswahrende Lösung, so die Idee.

Denn Asylwerber-Lehrlinge könnten sich das Bleiberecht nicht über die erwähnte Fünfjahresregel ersitzen. Zugleich könnten die Betroffenen ihre Ausbildung fertig machen. Viele würden wohl ganz bleiben können, wenn sie gut integriert sind.

Zu hören ist aktuell, dass eine Stichtagslösung favorisiert werde: Asylwerber, die schon zu einem bestimmten Zeitpunkt in Österreich waren, sollen sich um Lehrplätze als Drittstaatenangehörige bemühen können. Für Asylwerber, die nach dem Stichtag kamen, soll das nicht mehr gelten.

Gibt es historische Erfahrungen in Österreich mit dem Lehrlingsproblem?

Mit Lehrlingen nicht. Der Arbeitsmarktforscher Gächter erzählt, dass in den 1990er-Jahren tausende Kinder zu ihren in Österreich arbeitenden Eltern über Touristenvisa eingereist waren, aus Ex-Jugoslawien und der Türkei.

Viele Kinder blieben im Land, waren also illegal hier. Um die Sache zu legalisieren, erlaubte man den Betroffenen, einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung zu stellen. Dafür mussten sie ausreisen, womit die Verletzung der Regeln beim Visum saniert war.

Die Anträge wurden aus Bratislava gestellt und angenommen. Gächter sieht in dem Modell eine "praktikable" Variante zur Lösung der Lehrlingsfrage nach einer Gesetzesreform: Wenn Asylwerber, die aktuell eine Lehre absolvieren, aus dem Ausland eine Zulassung zur Lehre beantragen, ließe sich auf diese Art und Weise das Asylverfahren in Österreich formal beenden und ein neues Kapitel aufschlagen. (András Szigetvari, 27.8.2018)