Rekonstruktion eines Höhlenbären in "natürlichem" Umfeld: Nicht nur Knochen haben sich erhalten (und in diesen analysierbare DNA). Auch ein Teil der Erbsubstanz der ausgestorbenen Bärenart nimmt weiter an der Evolution teil.

Wien – Die Bezeichnung führt etwas in die Irre: Höhlenbären lebten natürlich nicht in Höhlen, sondern nützten sie – so wie ihre heutigen Nachfahren – bloß zum Winterschlaf. Dort aber (etwa in der Drachenhöhle bei Mixnitz in der Steiermark) fanden Paläobiologen tausende ihrer Skelette, was letztlich namensgebend wurde.

Am Aussterben der Pflanzenfresser, die vermutlich etwas größer und plumper als heutige Braunbären waren, dürfte der moderne Mensch nicht unschuldig gewesen sein: Vor 25.000 Jahren, am Höhepunkt der Eiszeit, dürfte der Braunbärenverwandte dann endgültig als Art abgetreten sein.

Parallelen zur Neandertaler-DNA

Doch ein Forscherteam, dem der an der Uni Wien tätige Paläogenetiker Ron Pinhasi angehörte, hat das Ende des Höhlenbären im Fachmagazin "Nature Ecology & Evolution" nun für nicht ganz endgültig erklärt: Ganz ähnlich wie ein wenig DNA des Neandertalers (rund ein bis zwei Prozent) in modernen Menschen außerhalb Afrikas weiterlebt, so hat sich Höhlenbären-DNA in heute lebenden Braunbären erhalten.

Pinhasi hat mit Kollegen das Erbgut aus 71.000 bis 34.000 Jahre alten Überresten von vier Höhlenbären und einem Braunbären aus deren "Felsenbeinen" gewonnen – einem extrem harten Schädelknochen, in dem sich DNA besonders lang erhält, wie Pinhasi bereits vor einigen Jahren herausfand. Die Knochen von zwei der untersuchten Höhlenbären stammten aus Österreich, ebenso die Knochen des Braunbären, der zeitgleich mit Höhlenbären gelebt hat.

Außerdem sequenzierten die Forscher das Erbgut von heute lebenden Bärenarten, konkret: von Braun-, Schwarz-, Eis-, Brillen und Pandabären. Die DNA-Vergleiche zeigten, dass sich Braun- und Höhlenbären einst – zumindest gelegentlich – paarten und sich vermischten. Sowohl der vor 41.000 Jahre lebende Braunbär trug Höhlenbären-Erbsubstanz in sich (nämlich 2,4 Prozent), als auch die rezenten Exemplare (0,9 bis 1,8 Prozent).

Paarungen jenseits der Artgrenzen

Die gemeinsamen Nachkommen müssen demnach fruchtbar gewesen sein, denn sonst wären die Erbgut-Mischungen nicht erhalten geblieben. Paarungen unterschiedlicher Bärenspezies gibt es bis heute: So wird immer wieder von Verpaarungen von Grizzlys und Eisbären bzw. Eisbären in Alaska und Kanada berichtet.

Welche Höhlenbären-Gene sich bis heute gerettet haben, ist – anders als beim Neandertaler – nicht klar. Fest steht nur, dass diese DNA der ausgestorbenen Tiere im Gegensatz zu den Tieren selbst weiter an der Evolution teilnimmt. (tasch, 27.8.2018).