Wien – Schuld sind immer die anderen. Will man die Untersuchungskommission zum Bau des Krankenhauses Nord in einem Satz zusammenfassen, es wäre dieser. Da saßen aktuelle und ehemalige Verantwortliche des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV), der für den Bau des Spitals verantwortlich ist, und versicherten der Reihe nach, bei ihnen sei alles nach Plan gelaufen und man habe bestens gearbeitet. Man muss kein Energetiker sein, um zu wissen: So wird es in den nächsten Monaten weitergehen.

Die Kommission tagt alle zwei Wochen – bald wahrscheinlich öfter – im Wiener Rathaus.
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Ist es daher überhaupt möglich, politisch Verantwortliche für Verspätungen und Kostensteigerungen zu finden?

Basale Gründe für fatale Fehler

Fünf Mal sind die Mitglieder der Kommission – alle im Rathaus vertretenen Fraktionen und die zwei Vorsitzenden – bereits zusammengekommen. Um Bilanz zu ziehen, ist es noch zu früh. Doch die Arbeit hat bereits zu interessanten Erkenntnissen geführt: Nicht nur sind die Abgeordneten und andere Beobachter notgedrungen mit Fachvokabeln aus dem Baugewerbe und mit Spezifika, wie etwa dem Unterschied zwischen einem General- und einem Teilgeneralplaner, vertraut geworden. Auch wurde deutlich, dass wesentliche Fehlentscheidungen gar nicht in diesen technischen Details ihren Ursprung nahmen, sondern – wie so oft – im Fehlen ganz basaler Dinge: guter Kommunikation und einer nüchternen Selbsteinschätzung. Beides herrschte im KAV nicht oder nur unzureichend vor, zumindest in relevanten Zeitperioden: Wenn auf Fehler hingewiesen wurde, wurde offenbar weggehört, wie das der Architekt Albert Wimmer diese Woche eindrücklich beschrieb. Der KAV war als Bauherr heillos überfordert, das bestätigt nicht nur der Rechnungshof.

Allerdings – auch das haben die Befragungen ergeben – liegen die Ursachen dafür nicht nur im KAV. Auch der Rechnungshof weist in seinem Prüfbericht darauf hin, dass wesentliche Fehlentscheidungen auf Empfehlungen bestimmter Magistratsabteilungen erfolgten (siehe das Beispiel Brunnen).

Wehsely mit Spannung erwartet

Außerdem – und das ist die bisher wichtigste Erkenntnis – sorgte ein großangelegter Austausch von KAV-Führungspersonen für Stillstand, Chaos und, wenn man im Energetiker-Jargon bleiben möchte, negative Energie in einem Ausmaß, das viele in der Kommission überraschte. Diese Ablöse geht laut derzeitigem Wissensstand auf die Kappe der ehemaligen Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Die Anschuldigungen wird sie nicht auf sich sitzen lassen. Ihre Befragung wird deswegen das Highlight im Kommissionsherbst sein.

Wenn das Spital erst einmal in Betrieb ist und die Menschen sehen, wie gut es funktioniert, werden sie die Schwierigkeiten rund um den Bau schon vergessen – diese Hoffnung wurde bereits mehrmals vorgetragen. Funktionieren kann das freilich nur, wenn die Menschen überhaupt genügend Vertrauen haben, das Spital zu besuchen.

Nicht alles ist ein Skandal

Dass das nach den im Wochenabstand veröffentlichten Skandalgeschichten uneingeschränkt möglich ist, darf bezweifelt werden. Aus dem Rechnungshofbericht längst bekannte Details werden da auf einmal ausgepackt und aufgeblasen – anscheinend nur, um das Feuer am Köcheln zu halten. Auch manche Fraktionsmitglieder sind darum bemüht, die Assoziation "Krankenhaus Nord ist gleich Skandal" aufrechtzuerhalten. Aktuellstes Beispiel ist die Größe des Grundstücks. Der "Luxusgarten" ("Krone") wird nicht nur Patienten zur Verfügung stehen, sondern auch Anrainern. Dass bei diesem Projekt an die Einbindung des Grätzels gedacht wurde, ist eigentlich nichts Schlechtes. Und aus Sicht von geladenen Experten ergibt die Größe auch Sinn, falls in Zukunft Erweiterungen des Spitals anstehen.

Konsequenzen ohne Köpferollen

Die Fraktionen stecken enorm viele Ressourcen in die Kommission. Ob der mangelnden Kooperationsbereitschaft des KAV – Dokumente wurden nicht oder unvollständig geliefert – gab es einen gemeinsamen Aufschrei von Pink, Schwarz und Blau, der Wirkung zeigte. In den Befragungen kommt aber Parteipolitik durch – vor allem zwischen Opposition und SPÖ. Letztere hat freilich ein schweres Los: Wo soll die Verantwortung liegen außer bei ihr? Das merkt man an den Fragen der roten Abgeordneten, die zwischen Zeitschinden und tatsächlichem Aufklärungsinteresse pendeln.

Kann die Suche nach Verantwortlichen am Ende erfolgreich sein? Alle dafür infrage kommenden Personen sind nicht mehr in ihrem Amt oder Tätigkeitsbereich. Die Mission kann aber auch ohne Köpferollen erfüllt werden. Nämlich dann, wenn für die Zukunft gelernt wird, wie man es beim nächsten Großprojekt besser macht. Denn das kommt bestimmt. (Lara Hagen, 30.8.2018)

Das Krankenhaus Nord – eine Chronologie: