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Die gute Stimmung trägt nicht ewig: US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.

Foto: Reuters / Jonathan Ernst

James Mattis hat eine kurze Tauwetterphase für beendet erklärt. So jedenfalls, wurde es von den meisten Medien aufgefasst. In trockenster Prosa, wie es seine Art ist, verkündete der amerikanische Verteidigungsminister, dass die US-Streitkräfte ihre im Juni suspendierten Militärmanöver mit Südkorea wieder aufnehmen könnten. Die Pause sei Ausdruck guten Willens gegenüber Nordkorea gewesen, man habe indes nicht die Absicht, weitere Übungen auszusetzen. Allerdings sagte Mattis auch, es gebe bisher keine Entscheidung darüber wie mit den Großmanövern umgegangen werden solle, die zuletzt jedes Frühjahr für Aufregung und Spannungen zwischen Washington und Pjöngjang gesorgt hatten.

Um welche Größenordnung es sich dabei handelt, macht jedenfalls ein Blick in die jüngste Vergangenheit klar: An den Manövern "Foal Eagle" und "Key Resolve", abgehalten im April, nahmen in diesem Jahr neben rund 300.000 südkoreanischen circa 23.000 amerikanische Soldaten teil.

Kostspielig und provozierend

Damit steht eine Geste wieder infrage, mit der Trump seinen vermeintlichen Coup von Singapur feiern wollte. Dort lobte er den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un in Tönen, die an den begeisterten Moderator einer Talente-Show denken ließen. Im Überschwang der Gipfelpremiere sprach er von ebenso "kostspieligen wie provozierenden" Kriegsübungen, deren Stopp er nunmehr verfüge – eine Diktion, der sich sonst nur Nordkorea bedient, weil Washington die Übungen eigentlich als defensiv begreift.

Der Schritt, mit dem er sogar sein eigenes Kabinett überraschte, sollte atmosphärisch begleiten, was Trump für einen historischen Durchbruch hielt, mit ihm selbst in der Rolle des nobelpreiswürdigen Friedensstifters. Die von Nordkorea ausgehende nukleare Gefahr sei gebannt, jubelte er. Der Rest, gab er zu verstehen, sei bloß noch eine Frage des Kleingedruckten.

Bereits am Mittwochabend grätschte der US-Präsident jedoch wieder in die kürzlich vorher vom Verteidigungsminister angekündigten Pläne hinein. In einer Serie von Tweets erklärte Trump, dass es er an der Aussetzung der Militärmanöver mit Südkorea auf der koreanischen Halbinsel festhalten wolle. Gegenwärtig gebe es keinen Grund, große Geldbeträge für "gemeinsame Kriegsspiele der USA und Südkoreas auszugeben", schrieb Trump. Der Republikaner erklärte jedoch zugleich, dass er sie jederzeit wieder anordnen könne, sollte er dies für notwendig erachten. "Wenn er das tut, werden sie deutlich größer sein als je zuvor." Außerdem habe er eine gute Beziehung zu Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.

Nordkorea hält sich nicht an nicht gemachte Zusagen

Der anfänglichen Euphorie folgt nun jedoch zunehmend jener Kater, vor dem Nordkorea-Experten lange gewarnt hatten. Mittlerweile müssen auch Trumps Außenpolitiker eingestehen, was vor drei Monaten jeder halbwegs skeptische Beobachter sah: Kim hat sich konkret zu gar nichts verpflichtet und im Gegenzug viel von Washington bekommen. Der Machthaber bekundete vage Absichten, ohne sie durch einen Abrüstungszeitplan zu untermauern. Womöglich ließ er sich nur auf den Dialog ein, um zu sondieren, welche Zugeständnisse er Trump abringen konnte, einem US-Präsidenten, der es gar nicht erwarten konnte, einen Deal zu verkünden. Belohnt wurde der junge Machthaber mit Vertrauensvorschüssen, die zumindest verfrüht waren angesichts der Versprechen, die die Kim-Dynastie im Laufe ebenso langwieriger wie erfolgloser Atomverhandlungen bereits gebrochen hat.

Zwar begann Pjöngjang mit Washington zu kooperieren, um die sterblichen Überreste gefallener US-Soldaten des Koreakrieges zu überführen, was Trump die Möglichkeit gab, von Fortschritten zu reden. In der zentralen Frage aber bewegte sich nichts. Keinen einzigen seiner Atomsprengköpfe, nach Schätzungen amerikanischer Experten sind es rund 60, hat Nordkorea bisher verschrottet – wohl auch deswegen, weil Kim derartiges nie zugesagt hatte. Dass sich vorläufig daran nichts ändern wird, hat Kim Yong-chol, die Nummer zwei des Regimes, einst Chef des Militärgeheimdiensts, vor wenigen Tagen in einer Botschaft an Trumps Außenminister Mike Pompeo deutlich gemacht.

Skepsis in der Uno

Das Schreiben, berichtet die "Washington Post", habe einen derart konfrontativen Kurs erkennen lassen, dass Trump und Pompeo beschlossen, eine unmittelbar bevorstehende Reise des Chefdiplomaten nach Pjöngjang abzublasen. Während der Präsident die Schuld in Peking sieht, in einer härteren Haltung Chinas angesichts des Handelspokers mit Washington, spricht seine UN-Botschafterin von einem möglichen Sinneswandel der Nordkoreaner. "Haben sie sich das mit der Denuklearisierung anders überlegt? Es kann sein", sagte Nikki Haley.

Ob die Gespräche damit entgleisen? Oder durchlaufen sie nur eine Durststrecke, wie sie fast zwangsläufig zu Verhandlungsprozessen gehört? Im Moment gibt es niemanden, der auch nur versuchen würde, definitive Antworten zu geben. Klar ist nur: Jenseits der Gipfelstürme hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. Und auch Trump selbst ist womöglich auf dem harten Boden der Realität gelandet.

Unterschiedliche Prioritäten

Dass die Prioritäten beider Seiten grundverschiedene sind, lässt sich nicht übersehen: Kim drängt auf einen Friedensvertrag. Bevor er sich auf einen Abrüstungsfahrplan einlässt, verlangt er wasserdichte Garantien, nach denen ein solches Abkommen den 1953 am Ende des Koreakrieges geschlossenen Waffenstillstand ersetzt. In seinen Augen, vermuten Korea-Experten in Washington, ist es die Garantie, dass es die USA – anders als einst im Irak oder in Libyen- nicht auf einen Regimewechsel abgesehen haben.

Die Amerikaner sehen es andersherum, und damit beißt sich die Katze in den Schwanz. Ein Friedensvertrag müsste vom Senat mit Zweidrittelmehrheit bestätigt werden, was kaum zu erwarten ist, solange es abrüstungstechnisch nicht vorangeht. Jedenfalls wird es nichts mit dem Geniestreich, den Trump vor knapp drei Monaten beschwor. (Frank Herrmann aus Washington, 29.8.2018)