Gut möglich, dass es in Zukunft noch weitere Rüffel für die ermittelnden Staatsanwälte in der Verfassungsschutzaffäre geben wird.

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Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, die Razzia beim Verfassungsschutz und in Privatwohnungen von Angeklagten großteils für unzulässig zu erklären, hat für einen Paukenschlag gesorgt – und zwar nicht nur politisch, sondern auch innerhalb der Justiz.

So kündigte Justizminister Josef Moser am Dienstagnachmittag in einer Pressekonferenz an, wieder eine strengere Berichtspflicht für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einführen zu wollen. Außerdem soll die Staatsanwaltschaft Korneuburg die Arbeit der Kollegen von der WKStA prüfen.

Nachdem am Dienstag die Hausdurchsuchungen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung für unrechtmäßig erklärt wurden, hat nun die Opposition eine Sondersitzung des Nationalrats verlangt. Dort soll auch ein Misstrauensantrag gegenüber Innenminister Kickl (FPÖ) eingebracht werden.
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"Unüblicher Vorgang"

Bei der Staatsanwälte-Vereinigung sorgt dies für Verwunderung. "Es ist für mich ein unüblicher Vorgang, dass über die Medien ausgerichtet wird, dass Überprüfungen stattfinden", sagt deren Präsidentin Cornelia Koller im Ö1-Mittagsjournal. Auch die Berichtspflicht sieht sie skeptisch.

Die eiligst angekündigten Reformpläne des Justizministers zeigen für Beobachter, dass im Ministerium schon länger ein Plan zur Schadensbegrenzung im Fall BVT vorhanden ist. Generalsekretär Christian Pilnacek hatte schon wenige Tage nach der Razzia intern Kritik an der Hausdurchsuchung geäußert. Im Verfassungsschutz einzumarschieren war "wahnsinnig auffällig", so Pilnacek bei einer Dienstbesprechung mit Staatsanwälten.

Keine Informationspflicht

Pilnacek und Moser wurden über die Pläne einer Razzia nicht informiert, wobei die WKStA dabei im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt hat. Mit der Abschaffung einer Informationspflicht sollte den Staatsanwaltschaften ein unabhängigeres Agieren ermöglicht werden. Das will Moser nun wieder zurücknehmen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gab bei einer Reise in Südostasien an, dass diese Pläne mit ihm abgesprochen waren. Der ihn begleitende Infrastrukturminister Norbert Hofer, der für die FPÖ als Regierungskoordinator tätig ist, zeigte sich jedoch skeptisch. Er sei überzeugt, dass es mit der Gewaltentrennung kein Problem gebe, daher müsse man sich Mosers Vorschläge "genau anschauen", so Hofer zum STANDARD. Prinzipiell hält Hofer die "Dissonanzen zwischen Innen- und Justizministerium" aber für einen "Sturm im Wasserglas".

Im Zentrum der Kritik steht nun die Entscheidung des Journalrichters, der in der Nacht vor der morgendlichen Razzia die Anordnung zur Hausdurchsuchung bewilligt hatte. Dabei handelt es sich um einen durchaus erfahrenen Richter des Straflandesgerichts Wien, heißt es. Er wird Anfang Oktober im U-Ausschuss aussagen müssen, direkt nach der führenden Staatsanwältin in diesem Fall.

"Einzigartiges" geschah

Die Anwälte der Beschuldigten äußerten einmal mehr heftige Kritik am Vorgehen der WKStA. Es gebe einige "einzigartige" Vorgänge, sagte etwa der Verteidiger Volkert Sackmann zu Ö1. Als Beispiel nennt er die Beilegung des "Tagebuchs" der Staatsanwältin in den Ermittlungsakt. Auch die Überprüfung der Ermittlungen der WKStA durch die Staatsanwaltschaft Korneuburg sei sehr ungewöhnlich, aber dennoch "zu begrüßen".

Für die WKStA ist das jedenfalls noch länger kein Grund zum Aufatmen. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts waren ein erster Dämpfer, aber womöglich nicht der letzte in der Causa. Insgesamt haben die acht Beschuldigten nämlich rund 25 Beschwerden und Einsprüche erhoben, weil sie sich durch das Vorgehen der Staatsanwälte in ihren Rechten verletzt sehen. Über sechs dieser Einsprüche hat das Oberlandesgericht entschieden.

Für die übrigen Beschwerden ist das Landesgericht Wien zuständig. Diese Beschlüsse sind noch ausständig. Um wie viele Beschwerden es hier geht, konnte man im Straflandesgericht Wien am Mittwoch auf STANDARD-Anfrage nicht sagen, es dürfte sich aber um knapp 20 Beschwerden handeln. Das Straflandesgericht Wien wird nun darüber zu entscheiden haben, ob bei den Hausdurchsuchungen bestimmte Gegenstände zu Recht oder zu Unrecht sichergestellt worden sind. Aber auch andere mutmaßliche Rechtsverletzungen sind denkbar. (Günther Oswald, Fabian Schmid, Maria Sterkl, 29.8.2018)