Nach dem Treffen gaben Außenministerin Kneissl und EU-Außenbeauftragte Mogherini eine Pressekonferenz.

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Auch der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu trat am Freitag in der Hofburg vor die Presse.

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Wien – Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat die Bereitschaft seines Landes bekundet, die Beitrittsverhandlungen mit der EU wiederaufzunehmen. Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei hätten sich zuletzt wieder verbessert, meinte Çavuşoğlu am Rande des informellen EU-Außenministerrats am Freitag in Wien, zu dem auch die Außenminister der EU-Beitrittskandidaten eingeladen waren.

Die Atmosphäre sei derzeit "viel besser" und habe sich über die letzten Monate verbessert, sagte der Außenminister. Gleichzeitig kündigte er an, dass die Türkei – vor allem nach der Aufhebung des Ausnahmezustands vor rund zwei Monaten – weiter Reformen vorantreiben werde.

EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn bekräftigte jedoch die Position der Union gegenüber der Türkei. Es gebe "keine neue Sichtweise" der EU, sagte Hahn der APA am Rande des Außenministerrats. Die Beitrittsgespräche "liegen auf Eis, und in absehbarer Zeit werden keine neuen Verhandlungskapitel geöffnet".

Angespannte Beziehungen

Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei sind vor allem seit dem Putschversuch 2016 angespannt. "Wir haben keine Probleme mit der EU", erklärte Çavuşoğlu nun. Nur nach dem Putschversuch habe es einige Unstimmigkeiten gegeben – denn "die EU konnte einige unserer Maßnahmen nicht nachvollziehen". Die Türkei habe jedenfalls ein Interesse an "ausgeglichenen" diplomatischen Beziehungen mit allen Ländern.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) und die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, berichten von den Ergebnissen des EU-Außenministertreffens.
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Für Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) fand Çavuşoğlu erneut lobende Worte. Sie sei "sehr aktiv" gewesen und habe seit ihrem Amtsantritt versucht, die Beziehungen zur Türkei zu normalisieren. "Ich weiß, sie ist hier dafür nicht besonders beliebt." Erst am Mittwoch hatte Çavuşoğlu erklärt, er rechne unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft nicht mit der Aufnahme von Gesprächen zu weiteren Themenblöcken. Die ÖVP-FPÖ-Regierung ist einer der schärfsten Gegner eines EU-Beitritts der Türkei, Kneissl hat sich aber des Öfteren für eine Verbesserung des aufgeheizten Klimas zwischen Wien und Ankara eingesetzt.

"Sehr, sehr gutes Gespräch"

Kneissl berichtete ihrerseits von einem "sehr, sehr guten" Gespräch mit Çavuşoğlu am Donnerstagabend – die Teilnehmer des informellen Treffens waren bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum Abendessen geladen.

Am zweiten Tag des informellen Ministerrats sind traditionell auch die Außenminister der EU-Beitrittskandidaten Türkei, Serbien, Albanien, Mazedonien und Montenegro eingeladen. In Wien geht es nach dem Gymnich – der Name kommt von einem Schloss in Erftstadt im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo 1974 erstmals ein solches Treffen stattfand – am Freitagnachmittag weiter: Neben Albanien, Montenegro, Mazedonien, Serbien werden dann auch Vertreter des Kosovo und Bosnien-Herzegowinas zu einem Treffen über digitale Infrastruktur stoßen.

Grenzziehung am Balkan

Einen möglichen Gebietstausch zwischen Serbien und dem Kosovo sieht die Außenministerin mit "großer Skepsis". "Grenzänderungen, das haben wir immer wieder gesehen, haben ihre Probleme aufgeworfen", sagte Kneissl am Freitag. Anderseits gebe es vor allem die von den USA formulierte Position: "Lasst die beiden verhandeln." Auch Deutschland hält einen Gebietstausch nicht für "zielführend", erklärte Außenminister Heiko Maas. Das würde nur alte Wunden aufreißen.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn betonte, dass jede Lösung am Balkan dem "übergeordneten Interesse", die Stabilität der Region zu fördern, Rechnung tragen müsse. Zwischen Serbien und dem Kosovo gebe es neben der Grenzfrage ohnehin noch "viele andere" Aspekte zu besprechen.

Kneissl tanzte mit Kollegen Samba und Bossa nova

Beim Abendessen am Donnerstagabend habe Kneissl einige "Samba- und Bossa-nova-Runden" mit ihren britischen, griechischen, rumänischen und polnischen Amtskollegen gedreht, erzählte Kneissl am Freitag.

Das sei ein Beispiel, dass "Diplomatie mehr sein kann, als sich wechselseitig Policy-Briefing-Notes um die Ohren zu hauen", meinte die Außenministerien, die in der Hofburg als Gastgeberin fungierte. Bei dem Treffen sei, so hätten es ihr auch einige Anwesende bestätigt, "einiges weitergegangen".

EU-Kommissar schließt Finanzhilfen aus

Auf die Frage, ob die EU Ankara angesichts der aktuellen schlechten wirtschaftlichen Lage unter die Arme greifen sollte, antwortete Kommissar Hahn: Es liege im Interesse Europas, dass "wir einen Nachbarn haben, der auch in wirtschaftlichen und politischen Umständen stabil ist – das heißt jetzt nicht, dass wir Geld bereitstellen, sondern dass wir uns überlegen, welche Maßnahmen hier aus europäischer Sicht dazu beitragen könnten".

Eines dieser "Signale" liege mit dem Vorschlag der EU-Kommission zur Modernisierung der Zollunion bereits auf dem Tisch, betonte Hahn. Allerdings gebe es diesbezüglich noch gewisse Vorbehalte unter den EU-Staaten. Und er forderte auch seitens der Türkei Engagement. Ankara müsse "endlich strukturelle Reformen, vor allem im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, durchführen". Denn das wäre laut Hahn auch eine Bedingung für mögliche Hilfen des Internationalen Währungsfonds. (red, APA, 31.8.2018)