STANDARD: Frau Ministerin, die Regierung sorgt manchmal für Aufregung, manchmal auch für Gelächter. Wir diskutieren heute mit Fritz Jergitsch von der "Tagespresse". Haben Sie manchmal den Eindruck, dass die Politik einer Satire gleicht?

Schramböck: Natürlich bietet die Politik oft Stoff für Satire, aber das muss man aushalten. Ich bin sogar stolz, einmal bei Maschek vorgekommen zu sein. Das Thema lautete "Digitalien", da habe ich herzlich gelacht. In der Tagespresse bin ich aber noch nie vorgekommen.

STANDARD: Herr Jergitsch, ist die türkis-blaue Regierung ein besonders guter Nährboden für Sarkasmus?

Jergitsch: Ich würde sogar sagen, dass Satiriker die Berufsgruppe sind, für die sich der Standort Österreich am meisten verbessert hat. Wir werden mit unendlich viel Material ausgestattet, das wir gar nicht ausreichend würdigen können. Es ist aber auch Segen und Fluch zugleich. Figuren wie Harald Mahrer zu übertrumpfen – das ist Konkurrenzkampf auf hohem Niveau.

Margarete Schramböck schaffte es bisher noch nicht in die von Fritz Jergitsch gegründete "Tagespresse".
Regine Hendrich

STANDARD: Sie werden wahrlich verwöhnt, weil nicht nur die Regierung viele Angriffsflächen bietet. Als Eva Glawischnig zu Novomatic wechselte, mussten Sie einfach nur das Faktum berichten – das war satirisch nicht zu toppen.

Jergitsch: Das war eigentlich eine Kapitulation. Wir haben von derStandard.at copy-paste die Nachricht übernommen. Mehr musste man nicht machen. Ich bin fast ein wenig persönlich verletzt, dass der Glawischnig-Artikel heuer der meistgelesene Artikel war, obwohl wir nichts beigetragen haben. Das zeigt, wie eng Satire und Politik zusammengerückt sind.

Schramböck: Auf internationaler Ebene ist Donald Trump immer wieder Anlass für Satire. Es gibt ja einiges her. Allerdings ist das gerade beim Thema Handel eine ernste Sache, da hängen ja viele Arbeitsplätze dran. Mancher mag das lustig finden, das ist es aber nicht. Zum Glück hat sich die Lage beim Handel wieder beruhigt. Aber Trump hat schon ein bisschen die Gabe, die gute Wirtschaftslage zu stören.

Schramböck: "Natürlich bietet die Politik oft Stoff für Satire, aber das muss man aushalten."
Regine Hendrich

STANDARD: Sie leiten ein digitales Start-up. Wie sehen Sie die Anstrengungen der Digitalisierungsministerin?

Jergitsch: Der Standort Österreich kommt generell viel schlechter weg, als er eigentlich ist. Was hemmt, sind die Bremsklötze der Politik, gewisse Regularien. Fragen Sie einmal einen Gastronomen. Aber zu Ihrer Frage: Ich finde es sehr gut, dass man jetzt viel über Internet und Digitalisierung redet, auch wenn es 15 Jahre zu spät ist. Aber besser spät als nie.

Schramböck: Ich finde auch, dass die letzten 15 Jahre viel verschlafen wurde. Was wir jetzt angehen müssen, ist Regeln abzubauen. Wir bringen die Start-ups um, bevor sie eine Idee entwickeln können. Auch bei den Förderungen teile ich Ihre Meinung. Die Steuern sind zu hoch, dann verteilen wir alles. Die Förderungen sind auch viel zu kompliziert. Da brauchen wir eine Fast Lane.

Jergitsch: Die Frage ist halt auch, was man umsetzt. Mit Kommunikation allein ist es noch nicht getan. Was die Regierung bisher realisiert hat, sind teure Geschenke an gewisse Branchen, mit denen Interessen bedient werden. Was ich zum Beispiel nicht verstehe, ist, dass Hoteliers jetzt weniger Umsatzsteuer bezahlen. Die brauchen doch wirklich keine Hilfe. Ein anderer Punkt ist die Entlastung von Holdings bei der Grunderwerbsteuer. Jeder andere muss das auch zahlen. Das geht auf Kosten anderer.

Schramböck: Natürlich kann man immer Kritik üben, aber ich konzentriere mich auf meinen Bereich. Wir haben beispielsweise die Verfahren für kleine Anlagen gelockert. Die Schneiderin, der Eissalon, die Frühstückspension brauchen nun keine Genehmigung mehr. Früher hat man eine Regierung danach bewertet, wie viele Gesetze oder Verordnungen erlassen wurden. Ich möchte daran gemessen werden, wie viele Regeln ich abschaffe. Ab 2020 soll es dann für Unternehmen eine große Entlastung bei Steuern und Lohnnebenkosten geben.

Schramböck: "Ich möchte daran gemessen werden, wie viele Regeln ich abschaffe. Ab 2020 soll es dann für Unternehmen eine große Entlastung bei Steuern und Lohnnebenkosten geben."
Regine Hendrich

STANDARD: Noch etwas zum Thema Start-ups: Da wird bei uns massiv gefördert, viele erfolgreiche Start-ups werden dann ins Ausland verkauft. Der Gründer verdient daran gut, die Jobs sind aber im Silicon Valley.

Jergitsch: Viele Firmen sind erst groß geworden, nachdem sie aus Österreich ausgewandert sind. Wir sind ein kleines Land, das spielt beispielsweise bei Risikokapital eine große Rolle. Das erfolgreiche Wiener Finanz-Start-up N26 ist beispielsweise nach Berlin ausgewandert. Da ist in Österreich einiges verabsäumt worden.

STANDARD: Digitalisierung klingt gut, doch was können Sie da wirklich bewegen?

Schramböck: Einiges, denken Sie an den Fachkräftebereich, da muss die Ausbildung zukunftsorientierter werden. Ein Beispiel: Beim Dachdecker stammt die Ausbildungsverordnung aus dem Jahr 1972 und wurde seither nie angepasst. Seither gibt es Sensoren, Solartechnik. Die Menschen lernen nicht mehr das, was sie wirklich brauchen. Darum arbeiten wir die 200 Berufe hinsichtlich Digitalisierung durch. Und dann brauchen wir neue Berufe. Wir haben viel zu wenige Programmierer, aber nicht unbedingt die, die von der Universität kommen. Daher der Lehrberuf Coding.

Jergitsch: Wenn man einmal hinten ist, wird es sehr schwierig, gegen den Marktführer anzukämpfen. Gegen Facebook hat man keine Chancen, jeder geht dorthin, wo alle sind. Auch Airbnb ist so ein Beispiel. Da können wir nicht mehr aufholen.

STANDARD: Der Name Trump ist schon gefallen. Sehen Sie Parallelen in Österreich?

Jergitsch: Ich finde, in vielen Bereichen ist die österreichische Regierung nicht besser als Trump. Klimaschutz wird nicht gerade großgeschrieben. Ähnlich sehe ich das beim Standortentwicklungsgesetz, bei dem der Umweltschutz ausgehebelt wird.

Schramböck: Bei dem Gesetz verstehe ich die Aufregung nicht. Eine Begutachtung ist dazu da, dass Experten Inputs liefern und Verbesserungen vorgenommen werden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung dauert zu lange. Mein Ziel ist, dass es in einer angemessenen Zeit zu einer Entscheidung kommt – ob positiv oder negativ. Das Ziel ist nicht, das Umweltverträglichkeitsverfahren auszuhöhlen. Fakt ist, dass wir immer weniger Verfahren haben, die immer länger dauern. Da ist der Wurm drinnen.

Jergitsch: "Ich würde sagen, dass Satiriker die Berufsgruppe sind, für die sich der Standort Österreich am meisten verbessert hat."
Regine Hendrich

STANDARD: Gehört der Entwurf angesichts der Kritik von fast allen Seiten nicht weg?

Schramböck: Komplett einpacken muss man ihn nicht. Es steht außer Streit, dass es zu einer Beschleunigung kommen muss. Der Automatismus ist ein sehr offensiver Ansatz der Experten, die das ausgearbeitet haben. Daran werden wir noch arbeiten.

Jergitsch: Das ist aber schon exemplarisch für die Arbeit der Regierung. Wenn sieben muslimische Gebetshäuser geschlossen werden, versammelt sich die halbe Regierung. Aber bei unpopulären Maßnahmen wie dem Standortgesetz kommen die Entwürfe eher im Verborgenen.

Schramböck: Man kann immer einen weichen Entwurf ausschicken und eines jeden Freund sein. Doch dann kommen die Veränderungen nicht, die wir benötigen.

Jergitsch: Wie bewerten Sie Ihren Wechsel von der Wirtschaft in die Politik. Bei einigen anderen Fällen hat das ja nicht so funktioniert.

Schramböck: Mir macht es bisher viel Spaß. Wenn man nicht schon vorher Ideen für Veränderungen hat, darf man den Wechsel nicht machen. Ich bin offen für alles. Ich hätte mir auch nicht gedacht, dass ich in die Politik gehe.

STANDARD: Hilft die Ausbildung zur Energetikerin, die Stromstöße abzufangen?

Schramböck: Das ist auch typisch für die Politik. Dass man eine Ausbildung, die zehn Jahre her ist, groß aufbauscht. Das ist wie, wenn jemand als Jugendlicher einen Joint geraucht hat. Das wird dann alles hervorgezerrt, wenn man in die Politik geht. (Andreas Schnauder, 2.9.2018)