STANDARD: Herr Sportminister Strache, bei Ausübung welcher Sportart können Sie sich vorstellen einen Menschen kennenzulernen? Und Sie Herr Innauer?

Strache: Gerade wenn du auf den Berg gehst mit einem Menschen, dann lernst du schon seinen Charakter bis zu einem gewissen Grad kennen, auch die Verlässlichkeit, ob er ruhig oder hektisch ist – also in einer Seilschaft quasi.

Innauer: Skispringen kommt nicht infrage, das würden die wenigsten mitmachen wollen, ich selber übrigens auch nicht mehr – aber ein Tennismatch oder eine Runde Golf, wo man dann auch merkt: Interpretiert er die Regeln neutral oder zu seinen Gunsten, geht es nur ums Gewinnen, oder ist er auch an den Feinheiten, an der Kultur interessiert. Kann er auch über sich selber lachen. Das merkt man im Sport sehr schnell.

Sportminister Strache und Toni Innauer über Höhenangst, Fußball und geheime Leidenschaften
DER STANDARD

STANDARD: Können Sie sich an Toni Innauer als Aktiven erinnern, auch an das Rebellische an ihm?

Strache: Natürlich kann ich mich erinnern. Er war zu seiner Zeit natürlich ein Superstar. Das Rebellische habe ich nicht so wahrgenommen. Jeder Einzelsportler, der Sonderleistungen bringt, muss aber eine klare Zielsetzung und Fokussierung haben, der muss extrem viel Leidenschaft und auch Verzicht mitbringen. Und wenn man dann rebellisch ist, ist das auch kein Schaden.

Innauer: Der Ruf kommt vielleicht daher, dass ich mich damals, als ich bei den Olympischen Spielen mit 17 nicht gewonnen habe, öffentlichkeitswirksam geärgert habe. Haben Sie auch schon so eine markante öffentliche Niederlage bezogen, Herr Strache?

Strache: Das gibt's, natürlich. Das ist ja das Schöne, nicht nur im Sport, sondern auch in der Beziehung, im Beruf. Wir erleben wunderschöne Erfolge, aber auch Niederlagen. Mit Niederlagen umzugehen, nicht aufzugeben, weiter an sich zu arbeiten, das ist ja gerade die Stärke, die man auch durch den Sport erlernen kann.

STANDARD: Im Regierungsprogramm wird Österreich eine Sportnation genannt ...

Strache: Sagen wir es so: Das Ziel ist, dass wir wieder eine Sportnation sein wollen. Aber da müssen wir schon noch einiges tun.

Innauer: "Zu den wichtigsten Seiten des Sports gehört der Breitensport, der Gesundheitssport und in meinem Alter langsam der Seniorensport dazu."
Andy Urban

STANDARD: Wie würden Sie diesen Begriff überhaupt definieren – Sportnation?

Innauer: Ich glaube, ein Wintersportland sind wir, ein Sportland als solches sehe ich noch nicht. Taugen Medaillen überhaupt als Maßstab? Da gibt es erfolgreiche "Sportländer" wie Russland, angesichts des durch Doping belasteten Beigeschmacks der Medaillen, sollte man auf diese Ehre verzichten können. Zu den wichtigsten Seiten des Sports gehört der Breitensport, der Gesundheitssport und in meinem Alter langsam der Seniorensport dazu. Körperlichkeit wird immer mehr ein Thema, auch für den Sportminister. Oder sind's die Medaillen?

Strache: Das Ziel, das ich selbst auch definiere, sich zu einer Sportnation zu entwickeln, das beginnt mit den Kindern, mit dem Breitensport, im Schulbereich, wo wir Defizite haben. Da haben wir Projekte, die wollen wir weiter ausbauen. Und wir wollen die Menschen bis ins hohe Alter, bis zum Ende des Lebens, für Sport begeistern. Wir haben ja insofern große Erfolge in Österreich, als wahnsinnig viele Menschen ehrenamtlich im Sport tätig sind und wir die Nummer eins in Europa sind, was den Sport als Wirtschaftsfaktor betrifft. Es hapert an der weiteren Entwicklung, auch an der Professionalisierung der Betreuung unserer vielen Talente.

Innauer: Ist der Gedanke der täglichen Bewegung, die tägliche Sport- und Bewegungseinheit, weiter verankert als Projekt?

Strache: Ja, das ist ganz wichtig. Wir haben's bis zum zehnten Lebensjahr. Unser Ziel ist, es darüber hinaus zu etablieren.

STANDARD: Wie konkret soll das gelingen?

Strache: Da müssen wir in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium und dem Bildungsministerium eine Finanzierung aufstellen, wo wir wirklich mit professionellen Sportlehrern arbeiten. Wir schaffen es jetzt im Kindergarten und in der Volksschule. Da kostet es, soweit ich das im Kopf habe, finanziert über das Sportministerium, mehr als sechs Millionen Euro. Wenn man das im gesamten Schulbereich umsetzt, wären es mehr als 50 Millionen. Das stemme ich nicht allein. Wir überlegen uns jetzt mit einer Sportstrategie, wie wir zusätzliche Einnahmen generieren, über die Online-Sportwetten etwa. Da wollen wir dann Projekte finanzieren, abseits der Sportförderung.

Strache: "Man muss Druck aufbauen."
Andy Urban

STANDARD: Wäre es vernünftig, sich in der Förderung zu konzentrieren?

Innauer: Wenn mich Eltern fragen, in welcher Sportart sich die Kinder engagieren sollen, dann sage ich immer: Nehmt die Trainer und Trainerinnen ins Blickfeld, sind die in Ordnung? Dann die Frage: Wie ist diese Sportart international aufgestellt? Habe ich es mit Konkurrenznationen zu tun, deren Anti-Doping-Bemühungen unterentwickelt sind und die ihre eigenen Sportler bevorteilen? Wir haben ja den EU-Ratsvorsitz. Wie übrigens auch bei anderen gesellschaftlich relevanten Themen könnte man über diesen Vorsitz versuchen, Standards, die wir einhalten, dort voranzutreiben.

Strache: Die Realität ist nur, auf EU-Ebene ist der Sport eine nationale Kompetenz. Wir können nur Vorschläge erarbeiten, wir können versuchen, gemeinsam etwas zu definieren. Das tun wir.

Innauer: Was mich interessiert, ist die strukturelle Ähnlichkeit des Leistungssports mit Themen wie Klimaschutz und Wirtschaft. Wenn große Firmen gute Geschäfte machen bei uns, aber keine Steuern bei uns zahlen, dann ist das so etwas wie Arbeiten unter Dopingbedingungen. Die EU kann sich zum Beispiel nicht auf eine längst fällige Transaktionssteuer einigen. Was tut Österreich?

Strache: Wir wollen, dass die EU einen gemeinsamen Weg geht, wenn das nicht gelingt, werden wir einen nationalen Alleingang überlegen. Sonst passiert nichts. Man muss Druck aufbauen.

STANDARD: Und was die Dopingebene betrifft ...

Strache: ... sind die Kontrollen bei uns schon sehr gut. Und wir haben mit der Antidopingagentur ein Modell zur Zusammenarbeit mit Fitnessstudios präsentiert.

Innauer: Was war dafür die persönliche Motivation?

Strache: Alles, was mit Doping und illegalen Substanzen zu tun hat, lehne ich auch deshalb so vehement ab, weil ich in meiner Jugendzeit Freunde hatte, die mit solchen Substanzen zu tun hatten. Die haben sich teilweise zugrundegerichtet. Da wollte ich auch aktiv dagegen arbeiten.

Innauer: "Sportler wollen Anerkennung für Leistung und gerechte Belohnung."
Andy Urban

STANDARD: Ehemalige Spitzensportler sind oft hochpolitische Menschen. Warum sind sie so selten in der Politik anzutreffen?

Strache: Ich glaube, dass da eine derartige Fokussierung nötig ist, dass die Zeit dafür nicht da ist. Politiker zu sein ist auch eine Berufung, du bist Tag und Nacht dahinter.

Innauer: Die Problematik liegt in der Frustrationstoleranz, die man in der Politik braucht, Dinge hinzunehmen. Auch solche, für die man nichts kann. Sportler wollen Anerkennung für Leistung und gerechte Belohnung.

STANDARD: Auch Künstler tun sich da sehr schwer. Zeigt das nicht das Beispiel Wolfgang Ambros? Und der Umgang mit dessen Kritik?

Innauer: Ambros hat ja viele der Dinge, auch das mit den braunen Haufen, schon in seinen Liedern thematisiert. Er wäre nicht authentisch, würde er das nicht so sagen. Logisch, dass aus der FPÖ nicht freundlich reagiert wird.

Strache: Ich schätze Wolfgang Ambros als großartigen Künstler und habe in meiner Jugendzeit seine Lieder rauf und runter gehört. Dass er politisch eine andere Meinung hat, ist legitim.

STANDARD: Dann hätte man ja gelassen reagieren können.

Strache: Daher war, glaube ich, die Reaktion unseres Generalsekretärs nicht passend. Aber es fühlen sich viele beleidigt, wenn sie sich subsumiert mit dem Begriff brauner Haufen konfrontiert sehen.

"Das Sportministerium ist ja auch ein Bewegungsministerium, und da gilt es, mit Entscheidungen zu lenken."
Andy Urban

STANDARD: Patscherte Überleitung: "Schifoan" ist wieder in aller Munde, aber keine große Mode mehr. Ist das nicht ein Lifestyleproblem?

Strache: Natürlich ist das ein Thema. Ich habe jetzt mitbekommen, dass Deutschland im Regierungsabkommen drinnen hat, das Computerspielen als Sportart anzuerkennen. Es gibt sogar Intentionen, das als olympischen Bewerb zu etablieren.

Innauer: Die Frage ist: Muss man alles fördern, was als Sport definiert werden kann. Das Sportministerium ist ja auch ein Bewegungsministerium, und da gilt es, mit Entscheidungen zu lenken.

Strache: Ich bin kein Fan, aber wir werden uns mit der Realität auseinandersetzen müssen. Ganz können wir uns E-Sports nicht entziehen, das kommt auf uns zu.

Innauer: Weil's ganz stark durch die Wirtschaft kommt. Das ist wichtig, das ist gut, aber es gibt auch andere Dinge. Auf die Gefahr hin, dass das ganz ketzerisch wird zum Schluss: Wenn das vorbei ist mit der Ära des Sportministers, was soll man dann sagen? Doch nicht: Das war der, der sich fürs Rauchen eingesetzt hat.

Strache: Der Doskozil hat ja auch geraucht, das sind die Blödeleien. Nein, es wäre mir wichtig, dass wir eine nachhaltige Sportstrategie entwickelt haben, dass ein neues Nationalstadion möglich wird und dass wir mit einer Forschungs- und Technologie-Einrichtung an der Uni Innsbruck die Basisarbeit sicherstellen, dass wir in Zukunft nicht nur bei Winter-, sondern auch bei Sommerspielen sichtbar besser werden. Es soll endlich einmal etwas weitergegangen sein, dass man mehr Geld für den Sport generiert hat, dass Spenden, die Unternehmer für den Sport tätigen, wie auch in der Kunst steuerlich abgesetzt werden können. Dazu soll bei Sportstätten die Mehrwertsteuer auf zehn Prozent runter. Und Schulsporteinrichtungen, die 180 Tage im Jahr nicht genützt werden, sollen endlich einmal für die Vereine geöffnet werden.

STANDARD: Da müssen Sie aber noch lange Sportminister bleiben.

Strache: Ich sage Ihnen, in dieser Periode werden ein paar Dinge wie Absetzbarkeit, Mehrwertsteuersenkung und Mehreinnahmen für den Sport passieren.

Innauer: Dem Sport wäre geholfen, viel Glück. (Sigi Lützow, 3.9.2018)