Schrittzahlmesser sollen zur Bewegung motivieren, sie können aber auch das Gegenteil bewirken.

Man trifft sie immer öfter: die Menschen mit Schrittzahlmesser. Sie haben viel zu erzählen. Über ihr tägliches Pensum, ihre täglichen Erfolge und Misserfolge beim Erreichen dieser selbstgesteckten Limits und die Suche nach Ursachen, wie es zukünftig besser klappen kann. Christiane Attig von der Technischen Universität Chemnitz und Thomas Franke von der Universität Lübeck haben sich das Verhalten von Benutzern solcher Activity-Tracker näher angesehen und bekannte Szenarien analysiert. Was passiert, wenn Schrittzahlmessende ihren Tracker zu Hause vergessen? Nehmen sie trotzdem die Stiegen oder doch lieber den Aufzug?

Konkret gingen die Forscher der Frage nach, ob Activity-Tracker eine Art Abhängigkeit erzeugen können, die sich zum Beispiel dann zeigt, wenn man den Tracker vergessen hat. Außerdem untersuchten sie, ob diese Abhängigkeit bei bestimmten Nutzern oder Nutzerinnen stärker ausgeprägt ist als bei anderen.

Tool für Bequeme

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Tracker-Nutzer und -Nutzerinnen den Abhängigkeitseffekt durchaus aus ihrem Alltag kennen – allerdings nicht der Großteil von ihnen. Etwa 18 Prozent der Befragten gaben an, eher zu weniger Aktivität zu tendieren, wenn sie ihren Tracker nicht tragen.

Enttäuschung bei negativem Tracker-Feedback und eine starke gedankliche Beschäftigung mit dem Tracker gaben rund 48 Prozent der Befragten als bekannt an. "Die Trackernutzung muss sich nicht negativ auf die Motivation auswirken, sich aktiv zu bewegen. Motivationsverluste werden aber wahrscheinlicher, wenn man ohnehin weniger Spaß am Sport empfindet, Sport aus extrinsischer Motivation heraus macht – etwa um Gewicht zu verlieren oder fitter zu werden – und wenn man den Tracker nicht aus reinem Interesse an den Daten nutzt", sagt Franke. Die Forschenden folgern daraus, dass Motivationsverluste nicht zwingend auf den Korrumpierungseffekt zurückgehen müssen, dass es aber ein denkbarer Mechanismus für die nachlassende Lust am Sport sein könne.

Abhängig werden

Und was bedeutet das für Nutzende von Activity-Trackern? "Wenn man merkt, dass man vielleicht ein bisschen zu häufig daran denkt, ob der Tracker auch alle Schritte erfasst hat, oder denkt, dass sportliche Aktivitäten umsonst waren, wenn sie nicht korrekt erfasst wurden, dann könnte es helfen, sich klarzumachen, dass man die Aktivitäten letztlich immer für sich selbst ausführt", erklärt Attig.

Tracker sollten demnach so gestaltet sein, dass das Feedback die Autonomie der Nutzer und Nutzerinnen stärkt. Sie sollten außerdem den Spaß an der Bewegung vermitteln, unabhängig von der Schrittzahl auf dem Display. Im Rahmen einer Folgestudie möchten die beiden Psychologen untersuchen, ob der Abhängigkeitseffekt auch dazu führen könnte, dass Nutzende ihren Activity-Tracker überhaupt nicht mehr verwenden.

"Tracker haben ein großes Potenzial, Menschen zu mehr Alltagsbewegung zu motivieren, um beispielsweise Übergewicht und kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen. Um dieses Potenzial optimal auszunutzen, ist es wichtig zu verstehen, welche psychologischen Auswirkungen Activity-Tracker haben können – positiv wie negativ", sagt Attig. Die Frage, ob Stiegensteigen oder nicht, wird dann nicht mehr so schwer zu beantworten sein. (red, 3.9.2018)