Sebastian Vettel sieht die Felle nach seinem Fehler im Grand Prix von Italien davonschwimmen.

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Für Lewis Hamilton kam der Erfolg im Ferrari-Land eher unerwartet.

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Monza – Bevor sich Sebastian Vettel auf den Heimweg machte, sprach er sich noch einmal Mut zu. "Alles in allem hätte es schlimmer kommen können", sagte der Ferrari-Star nach dem Debakel von Monza, das für ihn mit Platz vier im Kampf um den Titel ja eigentlich schlimm genug war: "Aber wir haben noch Zeit, uns zu verbessern."

In der Formel 1 herrscht längst Crunchtime, doch Vettel versuchte nach seinem enttäuschenden vierten Platz keine Panik zu verbreiten, sondern einen äußerlich gefassten Eindruck zu hinterlassen. Innerlich wird es in dem Ehrgeizling brodeln, schließlich hat er im Duell mit Lewis Hamilton eine große Chance liegengelassen. Während der Brite seinen süßesten, weil völlig unerwarteten Saisonsieg auskostete, droht Vettel die WM zu entgleiten.

"Hamilton ist kaltblütig und perfekt"

"Ferrari hat ein Problem, und das heißt Lewis Hamilton", titelte die Londoner "Sun", und die "Daily Mail" stellte genüsslich fest, dass "der Weltmeister die roten Chöre mit dem Rennen seines Lebens verstummen ließ". Selbst die italienischen Gazetten stimmten in die Lobgesänge auf den Weltmeister ein. "Hamilton ist kaltblütig und perfekt. Von Anfang an leistet er sich keinen einzigen Fehler. Er ist der Trumpf in der Hand von Mercedes", schrieb der "Corriere dello Sport".

Vettel betrieb derweil Ursachenforschung. "Wir haben leider nicht geliefert, aus welchem Grund auch immer", sagte der Deutsche. Dabei war der Hauptgrund offensichtlich: Der Crash mit Hamilton. Dem Titelverteidiger schien es anschließend sichtlich zu gefallen, dass sich Vettel über die Szene so aufregte. "Ich bin sehr stolz auf das Manöver", sagte Hamilton über seine Attacke, die dazu führte, dass Vettel ihm ins Auto fuhr und sich durch den folgenden Dreher aller Chancen raubte, um den Sieg zu fahren.

Psychospielchen von Hamilton

Und weil in der Formel 1 die Rennen auch im Kopf entschieden werden, stichelte Hamilton noch ein bisschen weiter. "Es muss furchtbar für ihn sein", sagte der Brite, der Vettel in der WM-Wertung jetzt auf 30 Punkte enteilt ist. In Italien kam es "wirklich darauf an, wer die wenigsten Fehler macht", sagte Hamilton, er wolle deshalb weiter "versuchen, ihn in einen Fehler zu treiben". Jedes Detail sei in diesem Zweikampf entscheidend. "Der Druck ist ... puh!", sagte Hamilton. Jedenfalls so groß, dass er sich nicht daran "erinnern kann, dass er jemals größer war".

Und Hamilton ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er mit dem Druck bestens zurechtkommt. Vettel wirkte hingegen etwas verkrampft, er legte sich öffentlich mit seinem Team an, weil er sich im Qualifying gegenüber seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen benachteiligt fühlte. "Ich war nicht glücklich, das habe ich angemerkt", sagte er. Tuttosport gefiel dieses Verhalten ganz und gar nicht: "Ferrari, so nicht. Der italienische Grand Prix hat für Maranello schlecht begonnen und ist noch schlechter zu Ende gegangen."

Vettel spürt, dass er mit dem bärenstarken Ferrari durchaus endlich seinen ersten Titel in Rot holen und so in die Fußstapfen seines großen Idols Michael Schumacher treten kann. Deswegen ist er vielleicht manchmal ein bisschen zu verbissen und übermotiviert. Hamilton bewegte seinen Silberpfeil in Monza mit fast schon chirurgischer Präzision, Vettel verpasste es dagegen, nach seinem Sieg in Belgien den nächsten Punch anzubringen.

Was das alles für den WM-Kampf bedeutet? "Weiß ich nicht", sagte Vettel. "Das werden wir am Ende sehen." (sid, 3.9.2018)