Medien – und zwar alle Medien – haben, so der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, eine demokratische Verantwortung. Deshalb kommt ihnen eine "öffentliche Aufgabe" zu. Dennoch haben unterschiedliche Medientypen und unterschiedliche Organisationsformen von Medien unterschiedliche Stärken. Das ist gut so, weil es auch nicht die "eine" Öffentlichkeit gibt, sondern Öffentlichkeit in einer Demokratie so divers ist wie die Gesellschaft. Damit umzugehen, ist nicht einfach. Damit umgehen zu lernen, festigt aber das Vertrauen in die "Spielregeln" des demokratischen Systems. Dieses Vertrauen immer aus Neue herzustellen und zu stützen, ist der Kern der "öffentlichen Aufgabe" der Medien.

Vielfalt, ein zentraler Parameter europäischer Medienpolitik, ist unter dieser Perspektive neu zu denken. Vielfalt ist, so der "Media Pluralism Monitor" der Europäische Kommission (an dem die ÖAW für Österreich beteiligt ist), für ein demokratisches Mediensystem auf allen Ebenen konstitutiv: strukturell, organisatorisch, im Spektrum der Kommunikatoren, in den Inhalten und Formaten. Eine Förderung auf bloß struktureller Ebene reicht bei weitem nicht aus. Ein die Vielfalt auf vielen Ebenen bereichender, aber in der medienpolitischen wie in der wissenschaftlichen Diskussion allzu oft randständig behandelter Sektor ist jener des nicht-kommerziellen Rundfunks. Während das Europäische Parlament schon 2008 empfohlen hat "die Bürgermedien als eigenständige Gruppe neben den kommerziellen und öffentlichen Medien rechtlich anzuerkennen", ist in Österreich bis heute nur ein duales Rundfunksystem gesetzlich verankert. Immerhin gibt es eigene Förderungen für den nichtkommerziellen Rundfunk, die allerdings mit drei Millionen Euro nur ein Fünftel (!) des Betrages ausmachen, mit dem kommerzieller Rundfunk gefördert wird.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, so wie der ORF in Österreich, hat die Aufgabe, die Bevölkerung objektiv zu informieren.
Foto: Christian Fischer/derstandard.at

Demokratische Vielfalt = demokratische Qualität

So sehr staatliche Förderung von Medien als Träger einer öffentlichen Aufgabe einen unschätzbaren Beitrag zur Aufrechterhaltung der demokratischen "Infrastruktur" darstellt, so sehr muss sie wohl begründet sein. Hier sei nur auf einen, wenn auch zentralen Aspekt aufmerksam gemacht, der einen Blick auf die je spezifischen Stärken von Medien erlaubt: Demokratische Vielfalt ist stets mit demokratischer Qualität – oder besser: mit demokratischen Qualitäten – verbunden. Warum der Plural?

Dafür muss man sich den Wandel vergegenwärtigen, dem das Verständnis von Demokratie derzeit unterliegt. Kurz gesagt, nimmt auf der einen Seite das Vertrauen in die demokratischen Institutionen und Vertretungsorganisationen (wie Parteien und Verbände) ab. Auf der anderen Seite entwickelt sich aus dem alleinigen Delegieren von Verantwortung an politische Repräsentanten zunehmend die Bereitschaft, sich selbst unmittelbar in politische Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse einzubringen, insbesondere in die gemeinsame Gestaltung der lokalen Lebens(um)welt. Daraus entsteht Vertrauen in die "Spielregeln" des demokratischen Systems.

Diese unterschiedlichen Verständnisse von Demokratie sind auf unterschiedliche Funktionen der Medien angewiesen. In einem repräsentativen Verständnis geht es um möglichst unparteiische, ausgewogene und faktengetreue Information, in einem partizipatorischen Verständnis um Problemlösungswissen und -kapazität, um die Befähigung zur und die Ermöglichung von Teilhabe. Daraus lassen sich Kriterien zur Beurteilung eines förderungswürdigen Beitrags der Medien zum demokratischen Zusammenleben ableiten.

Den Rundfunkbereich betreffend, zeigt ein Vergleich der in den Förderrichtlinien als auch in den gesetzlich festgeschriebenen Programmgrundsätzen formulierten Anforderungen an den öffentlich-rechtlichen, privat-kommerziellen und nicht-kommerziellen Rundfunk ein interessantes Bild.

National, regional, lokal

Schon die generellen Anforderungen, über das öffentliche Leben zu informieren, einen Beitrag zur Meinungsvielfalt zu leisten, zu gesellschaftlicher Integration und Gleichberechtigung beizutragen sowie Bildung, kulturelle Vielfalt und österreichisches und europäisches Bewusstsein zu fördern, kennen einen Unterschied. Dieser liegt in der Zuteilung der geopolitischen Räume: Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist vorrangig der nationale und nachrangig der regionale Raum zugedacht, während der private kommerzielle Rundfunk im regionalen und lokalen Raum (in dieser Reihenfolge!) und der private nicht-kommerzielle Rundfunk primär im (für gesellschaftliches Engagement wichtigen) lokalen und – nachgereiht – im regionalen Raum aktiv sein sollte.

Damit verknüpfen sich Unterschiede in der demokratietheoretischen Verortung. Im öffentlich-rechtlichen Programmauftrag fällt auf, dass häufig von "Vermittlung" von Informationen an "mündige Bürger" die Rede ist, die "umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv" sein und die "Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen" "angemessen" und "ausgewogen" berücksichtigen soll. All dies lässt auf Funktionen in einem repräsentativen Sinn schließen.

Der Partizipationsgedanke ist hingegen vor allem in Bezug auf den nicht-kommerziellen Rundfunk zu finden. Hier geht es um die Förderung des zivilgesellschaftlichen Diskurses, in den insbesondere auch "unterrepräsentierte Gruppierungen oder Sprachen" einzubinden sind, um konkrete Angebote an die Menschen sich aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, um die Vernetzung zivilgesellschaftlicher Initiativen, um einen offenen Zugang zur freien Meinungsäußerung, und um Transparenz und Nachvollziehbarkeit der redaktionellen Abläufe – an keinen anderen Sektor wird diese, für die Stärkung von Medienkompetenz essenzielle Anforderung gestellt.

In den Richtlinien des Fonds zur Förderung des privaten kommerziellen Rundfunks kommt schließlich der Demokratiebegriff gar nicht vor. Hier besteht – auch im Interesse der Betreiber – Verbesserungsbedarf.

Medien müssen partizipativ verstanden werden

So unbestreitbar wichtig in einem repräsentativen System die ihm gemäßen Medienfunktionen sind, so zukunftsweisend ist ein Verständnis, das Medienkommunikation nicht mehr unidirektional, sondern als grundsätzlich partizipatives Angebot begreift. Es ist unabdingbar für unsere Gesellschaft, wenn der im Gang befindliche demokratiepolitische Wandel nicht zu Politikverdrossenheit führen, sondern zu einer systemverbessernden und systemsichernden Kraft werden soll. Eine Medienpolitik, die eine so verstandene Vielfalt adäquat fördert, stellt sich den Herausforderungen unserer Zeit. (Maren Beaufort, 4.9.2018)