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Kasperl, Possentreiber mit der Zipfelmütze.

Foto: Andreas Friess / First Look / picturedesk.com

Den Kasperl kann, einem geflügelten Wort zufolge, keiner erschlagen. Dennoch kommt es vor, dass ihm gewissenlose Geister das Totenglöckchen läuten. Spätestens im April 2019 soll für das Urania-Puppentheater zum letzten Mal der Vorhang fallen. Kasperl, je nach süddeutschem Verkehrsraum auch Kasperle oder Kaschberle genannt, wird sich mitsamt der langen Zipfelmütze und seiner vorspringenden Nase zur allerletzten Ruhe betten.

Dabei hatte man die volkstümliche Stabpuppe eigentlich für unsterblich gehalten. Für den Vorfahren des lustigen Springinsfeldes darf die derb-komische Gestalt des Hanswursts gelten. Dieser, auch Wurschtl, Bajazzel oder Hansdampf geheißen, entstammte ursprünglich der Schicht der Salzburger Kraut- und Sauschneider.

Karriere machte Hanswurst als deutschsprachiges Pendant zu den Dienerfiguren der Commedia dell' arte. Als nahe Verwandte firmierten Pulcinella in Italien, Guignol in Frankreich oder Jan Klaassen in den Niederlanden.

Als entsprechend keck und plebejisch galt das Auftreten des Pfiffikus mit dem grünen Herzen und dem hölzernen Schwert. Im Altwiener Kärntnertortheater des Arztes Stranitzky machte er seit 1712 durch sein aufsässiges Gebaren derart von sich reden, dass sich die großspurigen Schöngeister allesamt wider ihn verschworen. Der Dramentheoretiker Gottsched ereiferte sich furchtbar über ihn, Kaiser Joseph II. verbot im hohen 18. Jahrhundert kurzerhand alle Possen und Hanswurstiaden.

Der moderne Kasper oder Kasperl trägt ein deutlich moderateres Wesen zur Schau. Nur noch wenige Eigenheiten verraten die Nähe zur Gestalt des englischen Punch (Punch und Judy), der nacheinander alle erschlägt, die ihm in die Quere kommen: Polizist, Krokodil, Teufel und sogar der Tod.

Kasperl verbringt viel freie Zeit mit seinem besten Freund, dem domestizierten Bärchen Pezi. Unterschiedliche Auslegungen des Stoffes bescheren dem Freund aller Kinder Kumpane wie einen arg zerstreuten Zirkusdirektor, das Einhorn Thusnelda, den Tod und den Teufel (siehe oben) oder, in einer geringfügig modernisierten Version, den Zauberer Tintifax (samt Diener Eusebius). Vom Krokodil kommen fortschrittliche Pädagogen wieder ab. Wer aber wird die Zwei- bis Dreijährigen in der Wiener Urania künftig fragen, ob sie auch wirklich alle da sind? (Ronald Pohl, 3.9.2018)