St. Andrews/Adelaide – Delfine sind außerordentlich soziale Tiere, die in Familienverbänden durch die Ozeane ziehen und über ein hochkomplexes Kommunikationsrepertoire verfügen. Außerdem gelten die schnellen Schwimmer als intelligent, lernbegierig und verspielt – Eigenschaften, die man sich erstmals 1938 im US-Bundesstaat Florida im Rahmen eines Delfinariums zunutze machte, um zahlendes Publikum zu unterhalten.

Dabei lernten die Delfine in den mittlerweile zahlreichen SeaWorlds und Marinelands rund um den Globus auch Kunststücke, die sich von natürlichen Verhaltensweisen weit entfernt haben. Einer dieser Tricks hat sogar vorübergehend als Trend Eingang in den Alltag wild lebender Delfine gefunden: Ein Team um Luke Rendell von der schottischen University of St. Andrews und der Organisation Whale and Dolphin Conservation (WDC) konnte beobachten, wie ein wilder Delfine während einer kurzzeitigen Gefangenschaft eine Dressurnummer von Show-Artgenossen erlernte.

Showtricks finden auch bei wilden Delfinen Anklang.
Foto: University of St Andrews

Vorwärts und rückwärts übers Wasser

Das Delfin-Weibchen namens Billie, das vorübergehend in einem australischen Delfinarium untergebracht war, begann nach seiner Freilassung gleichsam "auf dem Schwanz zu laufen". Bei einem solchen Kunststück erheben sich die Tiere aus dem Wasser und bewegen sich durch schnellen Schwanzschlag vorwärts oder rückwärts. Wenn es dabei geblieben wäre, hätten die Wissenschafter das Verhalten als interessantes Beispiel für individuelles soziales Lernen verbucht. Tatsächlich aber machte der Trick schnell Schule unter Billies wilden Artgenossen – ein Delfintrend war entstanden.

Für ihre im Fachmagazin "Biology Letters" erschienene Studie haben die Wissenschafter eine Gruppe von 20 bis 30 Indopazifischen Großen Tümmlern (Tursiops aduncus), die im Mündungsgebiet des Port River bei Adelaide leben, über etwa 30 Jahre studiert. Zum ersten Mal ist das Kunststück im Jahr 1995 in freier Wildbahn bei dem später Billie getauften Tier beobachtet worden. Sieben Jahre zuvor war das Weibchen in ein nahe gelegenes Delfinarium gebracht worden, nachdem sie zwei Wochen im Hafenbecken gefangen war. Dort ist sie auf Delfine getroffen, die in Gefangenschaft leben und auf Kunststücke trainiert worden waren.

Video: "Auf dem Wasser laufende" Delfine im Port River, Adelaide.
Whale and Dolphin Conservation (WDC)

Kunststücke im weiten Ozean

Obwohl Billie während dieser Zeit nicht trainiert wurde, scheint es, als habe sich das Exemplar das Laufen auf der Fluke von den gefangenen Tieren abgeschaut und anschließend selbst angeeignet, meinen die Forscher um Rendell. Nach dem kurzen Aufenthalt im Delfinarium sei Billie in ihrem gewohnten Lebensraum freigelassen worden, wo sie offenbar ihre erworbenen Fertigkeiten weitergegeben habe. In Folge ihres Aufenthalts wurde das Kunststück immer wieder in freier Wildbahn beobachtet.

Insgesamt ist der Trick im Zeitraum der Studie bei neun Delfin-Weibchen und zwei männlichen Jungtieren beobachtet worden. Der Gang auf der Fluke sei dabei in 76 Prozent der Fälle in Gegenwart von anderen Delfinen vollzogen worden. Delfindame Wave habe das Kunststück besonders häufig aufgeführt. In den Jahren zwischen 2010 und 2011 beobachteten die Wissenschafter das Phänomen am häufigsten. Auch die Anzahl an Delfinen, die den Gang auf der Schwanzflosse durchführten, war im Jahr 2011 am größten.

Seitdem sind beide Werte allerdings stetig gesunken. 2014 starb der letzte wild lebende Defin, der noch regelmäßig "auf dem Wasser lief". Die Beobachtung eines solchen Phänomens in freier Wildbahn sehen die Forscher als weiteres Beispiel für soziales Lernen bei höher entwickelten Tieren. Dabei wird ein Verhalten unter Individuen weitergegeben und schließlich charakteristisch für eine bestimmte soziale Gruppe. (red, APA, 4.9.2018)