Sängerin Lady Gaga spielt in "A Star Is Born" und ist deshalb in Venedigs Blitzlichtgewitter zu Gast.

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Venedig – Michelangelo oder Mickey & Angelo aus New Brighton? Der Unterschied zwischen hoher Kunst und dem nächstbesten Popphänomen sei heute verschwindend, sagt Celeste (Natalie Portman) in Brady Corbets neuem Film Vox Lux. Man brauche nur einen Standpunkt, das genüge.

Als angeschlagener Popstar weiß sie, wovon sie spricht. Die Zeiten sind hohl. Nur wer eine starke Botschaft hat, setzt sich mit seiner Stimme durch. Im Kampf um massenmediale Aufmerksamkeit hat Celeste nun in Terroristen Konkurrenz bekommen, die sich wie in einem ihrer Videos gekleidet haben, um auf Strandurlauber zu schießen.

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Als Jugendliche hat sie einen Amoklauf selbst nur knapp überlebt. Das Lied, das sie nach dem Anschlag sang, wurde zu ihrem ersten Hit, zur Hymne der Nation. Zumindest kurz.

Ungeschminkt zum Massenidol

Corbets überspannte, irritierende Nahaufnahme eines delirierenden Stars war nicht der erste Film am Lido, der sich mit dem Druck im Entertainmentbereich beschäftigt. Lady Gaga war am Wochenende auch schon da, um sich in Bradley Coopers A Star Is Born ungeschminkt auf einen leider arg klischeehaften Aufstieg zum Massenidol zu begeben.

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Fast scheint es so, als hätte man da, wo die Stars am allernächsten, ja fast greifbar sind, die größte Lust, an deren Image zu kratzen; oder das Showgeschäft als abschreckende Hölle zu zeichnen. Das ist nicht frei von Kalkül. Kritische Selbstbetrachtungen gelten als besonders "ehrlich", und da solche Unternehmungen auch Gelegenheiten für Darstellungskunst liefern, nimmt man dies auch gerne in Kauf. Vox Lux ist allerdings raffinierter, weshalb es nach der Vorführung auch Buhrufe gab. Er erhöht das Drama dieser zweiten Madonna zur faustischen Parabel, zum mahnenden Zeitbild. Er verweigert allen die Rettung.

Der 30-jährige US-Amerikaner Corbet ist eines der jüngeren Talente dieses Wettbewerbs. Er macht nicht alles richtig, gewiss. Aber dass er es nicht allen recht machen will und etwas riskiert, das zeichnet ihn gegenüber manchem Routinier aus. (Dominik Kamalzadeh aus Venedig, 5.9.2018)