Der Journalist, Autor und Pulitzer-Preisträger Bob Woodward legt sich mit Donald Trump an ...

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... und zitiert etwa Stabschef John Kelly, der den US-Präsidenten als "Idioten" bezeichnet haben soll.

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Um Schaden zu begrenzen, griffen die Berater des US-Präsidenten bisweilen zu ungewöhnlichen Mitteln. Gary Cohn etwa, früher Wall-Street-Banker, dann eine Zeitlang zuständig für die Wirtschaftspolitik des Weißen Hauses, ließ unterschriftsreife Papiere einfach von Donald Trumps Schreibtisch verschwinden, sodass sie nicht signiert werden konnten. Das verhinderte etwa das Aus für ein Freihandelsabkommen mit Südkorea. Protektionist Trump wollte den Vertrag aufkündigen, obwohl er Seoul im Atompoker mit Nordkorea als Verbündeten brauchte. Cohn habe die entsprechende Direktive vom Schreibtisch genommen, schreibt Bob Woodward – und Trump habe nicht gemerkt, dass etwas fehlte.

Anekdotisch hat Woodward zusammengetragen, wie das Regieren in Zeiten Donald Trumps funktioniert. Auf 448 Seiten skizziert er eine Machtzentrale, deren impulsiver Chef chaotische Entscheidungen triff, während ihn alarmierte Kabinettsmitglieder irgendwie auszubremsen versuchen. Fear, so der Titel des Buchs, gründet auf einem Satz in einem Interview mit Kandidat Trump im Wahlkampf: "Wahre Macht, ich will das Wort gar nicht in den Mund nehmen, ist Angst."

Ungemach für Donald Trump.
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Am Dienstag wird der Wälzer erscheinen, doch die Washington Post hat die brisantesten Passagen vorab publikgemacht und Washington in helle Aufregung versetzt. Es hagelt Dementis, Trump unterstellt dem legendären Aufdecker, sich vor den Karren der Demokraten spannen zu lassen und Zitate erfunden zu haben. Was Woodward mit profimäßiger Abgeklärtheit kontert: Er habe aufgezeichnet, was ihm aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Regierung anvertrauten.

"Lasst ihn uns töten!"

Da ist etwa Verteidigungsminister James Mattis, der ein Mordkomplott gegen den syrischen Diktator Bashar al-Assad schmieden sollte. "Lasst ihn uns verdammt noch mal töten! Lasst uns reingehen. Lasst uns die ganze Bande töten." Mattis, so Woodward, habe nicht widersprochen, einem Vertrauten jedoch zu verstehen gegeben, dass man nichts dergleichen tun werde. "Wir werden sehr viel überlegter vorgehen", soll er gesagt haben, bevor er einen eher symbolischen Raketenschlag planen ließ. Am Mittwoch dementierte der Präsident: "Das ist noch nicht einmal erwogen worden", sagte Trump vor Journalisten.

Neun Monate später, der Nationale Sicherheitsrat der USA beriet über Korea, fragte Trump, warum man überhaupt militärisch präsent sei auf der Halbinsel. Mattis' lakonische Antwort: "Um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern".

Anschließend, schreibt Woodward, habe der Minister im kleinen Kreis über einen Präsidenten geklagt, der von internationaler Politik so viel verstehe wie ein "Fünft- oder Sechstklässler".

John Kelly, Trumps zweiter Stabschef, nennt seinen Chef hinter vorgehaltener Hand einen "Idioten". "Es hat keinen Sinn, ihn von etwas zu überzeugen. Er ist mental entgleist. Ich weiß nicht einmal, warum wir alle hier sind."

"Crazytown"

Das Weiße Haus ist in Kellys Beschreibung "Crazytown" – ein Tollhaus. In Woodwards Schilderung benimmt sich der Hausherr zudem wie ein Tyrann, der ungeniert herzieht über Untergebene. Justizminister Jeff Sessions macht er als beschränkten Südstaatler lächerlich: Er würde nicht mal zum Provinzanwalt in Alabama taugen.

Und als sein Rechtsanwalt John Dowd eine halbe Stunde lang mit ihm geübt hat, um ihn auf eine Befragung durch FBI-Sonderermittler Robert Mueller vorzubereiten, gibt der Jurist entnervt auf:. Da sich Trump ständig in Widersprüche verstricke, könne man ihn unmöglich vor Mueller aussagen lassen, so Dowd. Dem Präsidenten würde ein orangefarbener Overall drohen: Gefängniskleidung.

Völlig überraschend kommt das alles nicht. Schon Michael Wolff hat in Fire and Fury das Porträt eines Staatschefs gezeichnet, der nichts liest und nichts dazulernen will, dafür aber Mitarbeiter gern seine Macht spüren lässt.

Woodward ist Woodward: 1972 deckte er mit Carl Bernstein für die Washington Post den Watergate-Skandal auf, der Präsident Richard Nixon 1974 zum Rücktritt zwang. Was er schreibt, beruht auf akribischer Recherche und verlässlichen Quellen. Für Fear hat er mit seinen Informanten hunderte Stunden lang gesprochen.

Zurück zum Ausgangspunkt: Wirtschaftsberater Cohn, auch er schon zurückgetreten, soll Trump gefragt haben, worauf seine Ansichten zum Welthandel beruhen. "Ich habe diese Ansichten schon seit 30 Jahren", bekam er zur Antwort. Darauf Cohn: "Das heißt aber nicht, dass sie richtig sind." Er selber sei 15 Jahre lang der Ansicht gewesen, professionell Football spielen zu können – er habe sich eben geirrt. (Frank Herrmann, 6.9.2018)