Der deutsche Innenminister Horst Seehofer sagt, wer empört ist, ist noch lange kein Nazi.

Berlin/Chemnitz – Der deutsche Innenminister Horst Seehofer und CSU-Chef Horst Seehofer sorgt mit Äußerungen zur Flüchtlingspolitik und den Ausschreitungen in Chemnitz für einen neuerlichen Riss in der Union. "Die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land", sagte Seehofer der "Rheinischen Post".

Der CSU-Chef äußerte zudem Sympathie für die Straßenproteste in Chemnitz, bei denen Bürger und Rechtsextremisten nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen gemeinsam demonstrierten.

"Nicht gemeinsam mit Radikalen"

"Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen", sagte Seehofer der "Rheinischen Post" in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit Hinweis auf die "Aufregung und Empörung" in der Bevölkerung nach der Tötung eines Mannes in Chemnitz. Er fügte hinzu, dass er "natürlich nicht gemeinsam mit Radikalen" demonstriert hätte.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht die Ausschreitungen in Chemnitz als "Weckruf" für den Umgang des Staates und anderer Parteien mit der AfD: "Es ist schon noch mal eine neue Qualität." Es sei deutlich erkennbar, dass die AfD einen bestimmten Plan verfolge und das Gewaltmonopol des Staates aushöhlen wolle. Die bayerische AfD fordere etwa einen freien Zugang zu Waffen. Dadurch könnten bewaffnete Einheiten entstehen. Sicherheit für die Bürger könne aber nur entstehen, wenn der Staat das Gewaltmonopol innehabe.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf Seehofer vor, dass wohl eher er selbst "Vater von reichlich Problemen" sei, und attestierte ihm "rechtspopulistisches Gequatsche". Kritik kam auch von der FDP und den Grünen.

Merkel kritisch

Bundeskanzlerin Angela Merkel distanzierte sich von Seehofer, der Koalitionspartner SPD reagierte empört. Die Kanzlerin sagte dem Sender RTL, sie würde den Ausdruck "Mutter aller Probleme" für die Migration nicht verwenden. Sie lobte auch die Gegendemonstranten. Es habe Ereignisse wie das Konzert gegeben, die zeigten, "wie Menschen aufstehen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus." In dieser Debatte sei "jeder und jede" gefragt.

"Ich sage, die Migrationsfrage stellt uns vor Herausforderungen. Und dabei gibt es auch Probleme", erklärte sie. Es gebe aber auch Erfolge. Die deutsche Kanzlerin sprach auch von Bildern, "die sehr klar Hass und damit auch Verfolgung von unschuldigen Menschen deutlich gemacht haben". Von diesen müsse "man sich distanzieren".

Merkel hatte diese Worte auch angesichts der Darstellung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gewählt, der am Mittwoch gesagt hatte, "es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, es gab kein Pogrom in Chemnitz". Dem widersprach auch sein Koalitionspartner, der SPD-Landesvorsitzende Martin Dulig. Es seien "Geflüchtete durch die Stadt getrieben wurden", sagte der stellvertretende Ministerpräsident am Mittwochabend in "Stern TV". "Das ist passiert, das ist real. Und es ist beklemmend, weil man wirklich sieht, wie viel Hetze dabei ist und wie aus Hass auch Gewalt wird."

Nach der Tötung eines 35-jährigen Deutschen in Chemnitz war es zu einer Reihe von Aufmärschen rechter Gruppen sowie zu rassistischen Ausschreitungen gekommen. Zwei mutmaßlich aus Syrien und dem Irak stammende Männer sitzen wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird seit Dienstag gefahndet. Die rechte "Bürgerbewegung Pro Chemnitz" plant für Freitag neue Kundgebungen.

Diskussion über Beobachtung der AfD

Zustimmung erhielt der CSU-Chef von der AfD. "Seehofer hat in der Analyse vollkommen recht", sagte AfD-Chef Alexander Gauland. Im Zuge der Demonstrationen, bei denen auch immer wieder Hitlergrüße zu sehen waren, wurde über eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz diskutiert. Der Verfassungsschutz in Thüringen will die Partei mehreren Medienberichten zufolge ab sofort systematisch auf verfassungsfeindliche Bestrebungen hin prüfen.

Gauland hatte zuletzt einen Aufstand gegen Merkel und ihre Unterstützer gefordert. Diese "friedliche Revolution" sei aber "kein Umsturz der grundgesetzlich garantierten Ordnung", sagte Gauland. Merkel sieht die Äußerungen "extrem kritisch" und beschuldigte die AfD, die Stimmung mit aufzuheizen. (APA, red, 6.8.2018)