Samuel Finzi und Mavie Hörbiger in "Kommt ein Pferd in die Bar".

Foto: Bernd Uhlig

Wien – Kommt ein Pferd in die Bar heißt der 2014 erschienene Erfolgsroman des israelischen Autors David Grossman. Witze, die mit dieser Phrase beginnen, enden erfahrungsgemäß derb. Sie sind das Metier Dovele Grinsteins. Als Comedian tingelt er durch wenig glamouröse Vororte Israels. Die Komik ist für ihn ein bitteres Geschäft. Er betreibt sie nicht, um das Publikum zu erheitern, sondern weil er sich selbst nicht erträgt. Seit Mittwoch läuft eine Dramatisierung des Romans im Akademietheater, Uraufführung war bei den Salzburger Festspielen.

Wohlwollend lässt das Publikum Doveles Spott über sich ergehen: über aufgespritzte Lippen, ein leidlich kaschiertes Doppelkinn. Man weiß, Samuel Finzi in der Hauptrolle ist nicht der verbitterte Komiker, er spielt ihn nur.

Eine Bretterwand steigt vorn an der Rampe steil auf. Im silbergrauen Anzug schmettert Finzi von dort die bösen Pointen. Dovele ist 57 Jahre alt, todkrank und klagt Mutter und Vater an, ihn geboren zu haben. Die Shoah-Überlebenden hätten nie zusammengepasst, seine Zeugung beschreibt Dovele als feindlichen Angriff. Wohl nie zuvor wurde Sex so technoid dargestellt wie bei Finzi, der sich windet und seine Arme zackig vorwärts stößt.

Schweiß im Bauchnabel

Bei ihm ist voller Körpereinsatz angesagt. Schon früh reißt er sich das Hemd vom Leib, Theaterblut und Schweiß glitzern in seinem Bauchnabel. So offen wie die bleiche, fleischige Brust stellt er auch sein Gesicht aus. Regisseur Dusan David Parízek hat dem Darsteller eine Kamera in die Hand gedrückt, mit der er sich filmt und die Bilder auf die sonst fast leere Bühne wirft. Riesig steht einem sein Gesicht vor Augen.

Solche Technikspielereien sind ein Herzstück der Inszenierung. Sie öffnen Erinnerungsräume oder geben dem manischen Dovele Gelegenheit, sich selbst von außen in Augenschein zu nehmen. Zu weiterer Selbsterkenntnis verhilft ihm eine Frau aus dem Publikum mit strähnigen Haaren.

Seltsam leuchtende Kraft

Äußerlich bescheiden, strotzt Mavie Hörbiger als Pitz vor einer seltsam leuchtenden Kraft. Sie findet Doveles Witze schlecht, aber sie kennt ihn aus Kindertagen. Wider Willen wird sie zur Komplizin seiner Show. Sie reißt ihn aus seinem Zynismus und bringt zwischen Auslassungen über Israels Palästina-Politik und traurigen Shoah-Klagen seine Lebensbeichte ins Rollen. Einst hat er auf Händen zu laufen gelernt, um der Welt zu entfliehen, wühlen ihn Erinnerungen auf. Als bräche seine Fassade, kracht die Bretterwand nun hintüber um.

Finzi ist famos laut, er kann auch vorzüglich leise sein. Aber meist schleudert er die Pointenparade einfach heraus. Dabei gerät manches etwas kontrastlos. Er turnt über die Bühne, klettert auf Kleiderstangen, der lange finale Monolog fällt ihm schwer. Die zweieinviertelstündige Schwerarbeit quittiert anständiger, doch nicht stürmischer Applaus. (Michael Wurmitzer, 6.9.2018)