Wer über die schönsten Schätze in Hochglanz verfügte, war bei seinen Mitschülern beliebt.

Foto: Imago / Engelhardt

Sagen wir so: Das waren noch Zeiten, als man beim Spaßhaben umblättern musste! Der Sohn des Friseurs war jedenfalls sehr beliebt bei uns Volksschülern, beliebter als sein Vater, der uns die Ohren "ausschnitt". Wer den Weg durch den Salon nach hinten fand, der kam hinauf in die Privaträume, und dort hortete der Sohn alle "Schätze", die wir unten im Salon nicht an schauen durften: Schlüsselloch, Wochenende, Quick. Er verteilte sie mit feierlichem Ernst an die Anwesenden, und dann betrachteten wir den "Content".

Vom eher harmlosen Sexhefterl zum deutlich teureren Pornohefterl der 70er-Jahre, das immer eingeschweißt irgendwo hinter den Motorsportzeitungen im Trafikregal lag, war es ein langer Weg. Nicht nur wegen der Frage des Alters, sondern auch wegen der "Mittel": Sollte man sie nicht doch lieber für Stollwerk oder Schokozigaretten ausgeben? Lehrlinge hatten meist mehr Kohle als wir Hauptschüler, also suchte man strategisch deren Nähe.

Ein Fleischhauer, den ich aus der Dorfdisco kannte, war Hardrock-Fan und fragte mich ständig, welches "Radl" mir am besten gefiel. Ich nahm den Regionalzug und besuchte ihn zum Platten hören in seinem abgerockten Elternhaus, wo in der klebrigen Küche der klebrige Orangensirup am klebrigen Fenster stand und die Eltern am klebrigen Tisch sich besorgt fragten, was der Bub am Sonntagnachmittag in seinem Zimmer so treibt.

Persönliches im Nachtkasterl

Ich wusste es, nachdem er mich mit seiner geheiligten Sammlung vertraut gemacht hatte, die er wenig originell im Nachtkasterl gebunkert hatte. Er war nicht nur Hardrock-, sondern auch Hardcore-Fan. Die Hefterln sahen so klebrig aus wie die Orangensirupflasche unten in der Küche. Sie hatten eine sehr persönliche Note, eine vielleicht zu persönliche. Ich prüfte den Inhalt, lehnte aber ab, sie anzufassen oder mir gegen einen Unkostenbeitrag auszuborgen. Im Kopf freilich blieb etwas hängen, ich dachte dann schon öfter daran. Mit 13 gab es aber auch noch Fußball, und dann dachte ich halt bei der Rückfahrt an Fußball.

Es lag etwas vor uns Heranwachsenden, das der Pfarrer "den steinigen Weg" nannte. Beten half dagegen aber viel weniger, als er sich das vorstellte. Schließlich gab es noch das Dorfkino, einen äußerst verlockenden "Konkurrenztempel". Dort kaufte der Betreiber immer ganze Verleiherpakete ein, neben anspruchsvoller Ware wie "Apocalypse Now" zeigte er auch Beziehungsdramen aus Bayern mit Franz Muxeneder und Rosl Meyer in den Hauptrollen. Wenn man Glück hatte, saßen ein paar Lehrer auch drinnen.

Wir kauften uns am Sonntagnachmittag eine Karte für "Asterix erobert Rom", um auch die "Vorschau" sehen zu können. Die dauerte mindestens eine halbe Stunde, so lange wie eine gute Predigt. Nur dass die Bibel keine "Emmanuelle" kannte und schon gar keine Cousinen, wie man sie in dieser Ausführung selbst nicht hatte. Manche von denen kamen sogar aus Afrika, also lernten wir auch etwas über die Vielfalt der Welt.

Richtige Pornokinos gab es natürlich auch, aber das für uns nächstgelegene war in Bad Ischl. Oder war es in Eferding? Wieder suchten wir die Nähe zu den Lehrlingen, denn die hatten Zündapps und Puch Monzas. Und manchmal hatten sie für einen Film interessierten auch einen Platz auf dem Sozius. Manche Freuden musste man sich eben "erfahren" – zwei Stunden im Regen wegen einer Stunde dreißig im Kino? So lernten wir auch etwas über alte chinesische Weisheiten, ohne die Weisheiten selbst zu kennen: "Auch der längste Weg beginnt im ersten Gang." Oder so ähnlich.

VHS-Player

Man hatte also schon einiges gesehen, als man zum Studieren nach Wien kam, aber das war dann noch einmal eine andere Welt. Es gab Pornokinos um jede vierzigste Ecke, und sogar im hochangesehenen BSL-Kino, einem Arthouse-Tempel mit Holzstühlen und zugigen Notausgängen, zeigte man "The Devil in Miss Jones". Und wer sich damals schon für Kulinarik interessierte, der kam auch auf seine Rechnung: Im Weltspiegel-Kino lief "Wenn die Eier kochen".

Das WG-Zimmer suchte man sich nach folgendem Kriterium aus: Bad? Egal. Klo? Mir wurscht. VHS-Player im zentral begehbaren Wohnzimmer? Deal. In den Videotheken betrat man durch einen Vorhang mit stets roten Wangen die Welt der "Schätze", aber die erfahrenen Typen an der Kassa zuckten nicht einmal mit der Schulter, wenn man mit "DerPate 1–3" und "Feuchte Träume 1–3" nach Hause ging.

Ich wohnte bei einem Freund im 16. Bezirk, und der war sogar "Besitzender". Seine VHS-Kassetten stapelten sich auf dem Boden, man konnte wahllos zugreifen oder sich einen Plan machen: Statt der "Einführung in die Religionsethnologie" am Montag gab es Leberkäsesemmeln mit Flaschenbier und 240-Minuten-Bänder diversester "Einführungen". Diese Filme am Stück zu schauen kostete einiges an Energie, aber es waren Gemeinschaftserlebnisse, die man heute wehmütig nur noch dem Kino selbst zuschreibt.

Erster Lockruf des Wandels

Bald aber kauften sich die ersten Freunde einen Computer, und wiederum andere legten sich einen Internetanschluss zu. Niemand, der dieses Geräusch jemals gehört hat, wird es vergessen: dieses Kchchchchkchchkch…, das die Herstellung einer Verbindung mit dem Netz erzeugte. Es war der Lockruf des beginnenden Wandels. Noch gab man die Namen der Seiten, mit denen man sich nun "beschäftigte", als "Tipp" weiter. Ein bisschen musste man sich noch bemühen.

Aber dann: "Kennst du Google?" Und der Spaß war für immer vorbei. Es gab keine roten Wangen mehr, kein Durchfragen zum nächsten Kino, nichts Klebriges zum Tauschen. Kein Bemühen! Wer heute meint, der Spaß hätte mit Google erst so richtig begonnen, nur weil alles Schweinische sofort verfügbar war, der täuscht sich natürlich.

Denn an die Bilder in den Hefterln, auf den VHS -Kassetten oder im Vorschauprogramm des Dorfkinos erinnere ich mich schon längst nicht mehr (irgendwas mit "Titten und Ärschen" vermutlich!).

Aber ich erinnere mich für immer an die Wege, die zu ihnen führten, an den "Zauber", der sie umgab: an das Kino selbst und die harten Stühle; an den Geruch im Frisiersalon; an die klebrige Orangensirupflasche im Haus des Fleischhauers. Und an die langen Mopedfahrten im Regen. (Manfred Rebhandl, 8.9.2018)