Üblicherweise sind Bilder nackter Nymphen Quotenbringer, aber die Royal Academy in London wird an ihnen noch zu kiefeln haben. Denn die altehrwürdige vor 250 Jahren gegründete britische Institution hat jüngst angekündigt – #MeToo lässt grüßen –, in ihrer Ausstellung über Nackedeien in der Renaissancekunst Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Weibliche Blöße wird, so will es die selbst auferlegte Quote in The Renaissance Nude (ab 3. März 2019), also mit Männerfleisch aufgewogen. Allein um ein ganzes Dutzend badender Nymphen aufzuwiegen, die beispielsweise auf einem einzigen Gemälde Palma Vecchios ihre Reize ausspielen, bräuchte man eine Menge nackter Apollons.

Palma Vecchio: "Badende Nymphen" (ca. 1525) aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien (KHM)
Foto: Kunsthistorisches Museum Wien

Davon einmal abgesehen: Dem Unterfangen, die Darstellung des nackten Körpers in der Zeit der Antikenrezeption zu untersuchen, kann man ganz generell Kalkül unterstellen. Der so "hehre", jedoch bereits jetzt recht werbewirksame Plan ist vor allem ambitioniert. Denn man darf gespannt sein, mit welchen Beispielen man die nackten weiblichen Tatsachen auszugleichen gedenkt. Michelangelos Adam böte sich an, aber der wird wohl auf der Decke der Sixtinischen Kapelle bleiben.

Detail aus "Das Götterfest" von Tizian und Bellini aus der National Gallery in Washington.
Foto: National Gallery of Art, Washington

Fündig wird man in puncto nackte Herren eher bei den antiken Helden – man denke etwa an Michelangelos David oder Cellinis Perseus auf der Piazza Signoria in Florenzoder in mythologischen Darstellungen. Bei den lüsternen Liebesspielen der Götter und Halbgötter meint man doch etwas erhaschen zu können: In Peruginos Kampf der Keuschheit gegen die Wolllust (Louvre) oder Tizians Bacchanal der Andrier (Prado) scheinen die Maler allerdings bei Heidi Klums Models das "Aktshooten" gelernt zu haben: Gekonnt wird getrickst und werden mit Frauenhaar, Busen, Schatten, Accessoires, angewinkelten Beinen und muskulösen Armen die delikatesten Stellen verborgen. Einzig der urinierende Cupido zieht bei Tizian blank und lüftet sein Hemdchen. Kein Wunder, der Liebesgott ist dem Babyspeck noch lange nicht entwachsen. Oder anders gefragt: Zählen blanke Popos bocksfüßiger Satyren auch? So einen könnte man zumindest im sonst eher barbusigen Götterfest von Tizian und Bellini (National Gallery, Washington) finden.

Mehr als nur Nippelblitzer: Giovanni Bellinis "Junge Dame bei der Toilette" (KHM, Wien)
Foto: Kunsthistorisches Museum Wien

Kurzum: Männer werden nicht auf die gleiche Weise zum Objekt gemacht wie Frauen. Oder gibt es ein Pendant zu Tizians Nippelblitzer der Flora (Uffizien)? Das hier Äpfel mit Birnen verglichen werden, beweisen bereits die Gemälde mit der die Royal Academy ihre Ausstellung anpreist: Bronzinos Heiliger Sebastian offenbart einzig seine Jungmännerbrust, während Cranachs Faun diverse Schöpfungsdetails mit einem Ast verbirgt. Tizians Blick auf die dem Meer entsteigende Venus mutet hingegen voyeuristisch an.

Geradezu prüde nimmt sich der "Hl. Sebastian" von Bronzino (um 1533) aus dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid aus.
Foto: © Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid

Von der eigentlichen Frage lenkt die originelle britische Quote ohnehin ab. Wo sind die Akte der Renaissancemalerinnen, etwa von Sofonisba Anguissola oder Lavinia Fontana? Der weibliche Blick auf Nacktheit täte einem solchen Projekt wesentlich wohler als der verzweifelte Versuch, den Sexismus der Kunstgeschichte durch ein paar unbekleidete Männerkörper zu relativieren. (kafe, 7.9.2018)

Tizians "Venus Anadyomene" (um 1520). aus den National Galleries of Scotland.
Foto: National Galleries of Scotland

Bild nicht mehr verfügbar.

Cranach der Ältere gab dem Faun 1525 einen Stock (sic!), um ihn sich vor diverse Schöpfungsdetails zu halten (Gemälde aus dem Getty Museum).
Foto: Digital image courtesy of the Getty's Open Content Program